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Hundewetter in den Südkarpaten

(Karpatentour September 2016 – Rumänien)

Inhalt

  1. Anreise mit Überraschungen
  2. Hundewetter
  3. Orientierungslos
  4. Zum Königstein
  5. Über 7 Stufen müsst ihr geh'n
  6. Abschied
  7. Informationen


Letztes Jahr wanderte ich im Rahmen einer Sektionstour unserer DAV-Sektion über den Kamm des Fogarascher Gebirges. Mit Edgar plante ich in diesem Jahr eine Folgetour in den Karpaten Rumäniens. Warum nicht einfach an unsere Wanderung anknüpfen und den Nachbarmassiven des Fogarascher einen Besuch abstatten? Meine Wahl fiel auf die Massive Iezer-Păpușa und den Königstein (Piatra Craiului).
Edgar nahm die Tour ins Programm und wir hofften auf genügend Mitstreiter. Leider hielt sich das Interesse bei unseren Sektionsmitgliedern in Grenzen, wie mir schien. Letztendlich meldeten sich doch noch 4 Teilnehmer. Mit Arjen, Eva, Marius und Sabine konnte unsere Karpatentour beginnen.

1. Anreise mit Überraschungen

Samstag morgens um halb Sieben, fünf große Rucksäcke samt Trägern und einer Trägerin trudelten auf Gleis 1 am Hauptbahnhof ein, eine fehlte noch – Sabine. Der IC nach München fuhr pünktlich ein, Sabine fehlte immer noch. Die Bahnhofsdurchsage erschallte: „Bitte einsteigen, die Türen schließen selbsttätig. Der Zug fährt jetzt ab.“ Der Zug fuhr ab, ohne Sabine!
Wir hockten etwas ratlos auf unseren Plätzen, Edgar versuchte sie anzurufen doch ohne Erfolg.

Sechs fitte Wandersleute, haben sich gedacht,
wir fahr'n paar Tage nach Rumänien, fünfe ham's geschafft…

Und wie heißt es doch so schön: „Ein Unglück kommt selten allein.“ Unser Zug rollte noch gar nicht lang in Richtung München, da rief Edgar wie elektrisiert „Sch…“! Er hatte vergessen eine BahnCard zu kaufen. Den Schaffner schien dies aber nicht weiter zu interessieren.
Der Fahrschein meiner Sitznachbarin interessierte ihn mehr. Sie hatte ein Baden-Württemberg-Ticket und wollte von Karlsruhe nach Plochingen. Leider hockte sie im falschen Zug, denn ihr Fahrschein galt nur für den Personennahverkehr. Auch hier drückte der Schaffner beide Augen zu. Sie sollte in Stuttgart aussteigen und mit einem Personenzug weiterfahren. Sie blieb in Stuttgart sitzen! Schwäbischer Geiz?
Und ein FC-Bayern-Fan mit einer Dose Bier, der in Ulm einstieg, um in München seine Fußballmannschaft anzufeuern, hatte gleich gar keinen Fahrschein. Dafür jede Menge Glück, dass er nicht kontrolliert wurde…
So endete am Münchener Hauptbahnhof ein recht unterhaltsamer erster Abschnitt unserer Reise. Edgar begab sich schnurstracks zum Reisezentrum, wir hockten uns auf einen Kaffee ins Obergeschoss und mussten uns im Minutentakt anhören, dass wir auf dem Oktoberfest nicht willkommen waren. „Rucksäcke sind nicht erlaubt, bla, bla, bla…“ tönte es durch die Lautsprecher.
Im Railjet nach Wien war dann alles in Ordnung. Wir wussten zwar immer noch nicht, warum Sabine nicht am Bahnhof erschien, aber Edgar hatte seine BahnCard.
Da wir diesmal bis Wien-Hauptbahnhof fuhren und dort etwa 2 Stunden Zeit hatten, wurde die Chance auf eine Wiener Schnitzel realistisch. Völlig realitätsfremd fanden wir jedoch die Tatsache, dass in dem Restaurant vorm Hauptbahnhof für einen Tisch mit Tischdecke 2,20 EUR extra berappt wurden – also kein Wiener Schnitzel! Wir blieben bei Fastfood und mussten uns im Minutentakt anhören, dass Fahrrad- und Rollerfahren auf den Bahnsteigen verboten sei.
Pünktlich wurde der Nachtzug nach Rumänien bereitgestellt, wir bezogen unsere zwei 3er-Abteile und stimmten uns mit einem Palinka auf die Abenteuer in den Karpaten ein.

Pünktlich erreichten wir Brașov am nächsten Tag. Diana vom Rolling-Stone-Hostel empfing uns in der Bahnhofshalle und vor dem Bahnhof wartete Ion, der Fahrer, der uns zur Cabana Voina fahren sollte.
Die Rucksäcke wurden verstaut, wir hockten uns in den Kleinbus und los ging es. Bald lagen Stadt und Industriegebiet hinter uns. In Bran drängelten sich Dracula-Touristen durch den Ort. Am Fundata-Pass wurden Käse, Met und junge Hunde verkauft und nach 2 Stunden und 15 Minuten hatten wir unser Ziel erreicht – die Cabana Voina im Târgului-Tal.
Der klotzige Betonbau hatte noch den Charme aus der Ära Ceăușescus. Arjen, Edgar und ich bezogen ein Vierbettzimmer, Eva und Marius nebenan ein Doppelzimmer (zusammen 160 Lei), Bad und Dusche mussten wir uns teilen. Das warme Wasser gab uns mit erheblicher Verzögerung die Ehre, so dass beim Duschen die letzten die ersten waren…
Auf der Terrasse wartete nun der gemütliche Teil des Tages auf uns – es gab Espresso, Silva-Bier und die erste Ciorba de burtă, ich war angekommen.
Edgar hatte endlich Informationen von Sabine, sie hatte einen Fahrradunfall. Das war wirklich Pech, wir wünschten ihr alles Gute.

2. Hundewetter

Nach einem Käse-Salami-Teller und zwei Morgenkaffee wurde es ernst. Die Gipfel waren verschwunden, stattdessen hingen graue Regenwolken über den Baumwipfeln. Gleich hinter der Cabana führte der Wanderweg steil bergauf. Wie im letzten Jahr folgten wir dem roten Band und uns folgten drei Straßenhunde – einer schwarzweiß, einer grau und einer ganz in weiß. Es begann leicht zu tröpfeln. Noch blieb die Regenjacke im Rucksack.
Das Tröpfeln wurde stärker, ich packte die Regenjacke aus und das T-Shirt ein. Als wir die Waldgrenze erreicht hatten goss es in Strömen. In der Văcarea-Sennhütte suchten wir kurz Schutz, alles triefte bereits vor Nässe und es war kalt. Die Hirten hatten die Alm bereits verlassen. Die Hunde nagten an ein paar Schaffellresten.
Ab jetzt waren wir den Elementen schutzlos ausgeliefert. Ein kalter Wind fegte über die Berghänge. Es donnerte und kleine Sturzbäche bahnten sich den Weg zu unseren Füßen bergab. Mein GPS hatte noch immer keine Satelliten gefunden, irgendwie seltsam. Langsam wurde es auch unter der Regenjacke feucht, Regenwasser fand seinen Weg in jede Ritze – heavy water on me. Die Schuhe waren komplett durchgeweicht. Ich hatte sie daheim extra gewachst. Ein Fehler? Ich hatte den Eindruck, die Poren im Leder würden dem Wasser freies Geleit ins Schuhinnere gewähren. Auch der Rucksack-Regenschutz versagte seinen Dienst. Vier Stunden Dauerregen und Goretex und Co. stießen an ihre Grenzen, ich war begeistert.
Im schlimmsten hatte es Eva getroffen. Völlig durchnässt und verfroren half ihr Marius aus den nassen Klamotten, allein schaffte sie es nicht mehr. Zum Glück konnte es bis zur Schutzhütte am Iezer-See nicht mehr weit sein. Der Regen hatte nachgelassen und die Wolken senkten sich in die Täler hinab. Der Königstein am Horizont zeigte nur einen schmalen Streifen. Tief unten im Talkessel schlummerte dunkelgrün der See und das rote Dach der Schutzhütte blinkte zu uns hinauf. Ein schmaler Pfad führte hinab in den Kessel und bald hatten wir den einzigen trockenen Ort erreicht, die Iezer-Notunterkunft (Refugiul Iezer) 2165 m hoch.
Drei Räume bildeten das Hütteninnere. Ein Schlafraum mit Doppelstockbetten und Schaumstoffmatratzen, ein Essraum mit Ofen, Tisch und zurückgelassenen Lebensmitteln (Brot und Kekse, Äpfel und Bananen, eine Gurke und Tomaten) und ein Raum mit versperrter Stahltür. Dahinter verbargen sich unter anderem Bau- und Feuerholz. Mit einem Palinka entfachten wir erst einmal ein inneres Feuer. Eva brauchte zusätzlich noch Außenwärme, ihre Wärmflasche leistete dabei hervorragende Dienste.
Mit einer gewissen Neugier widmete ich mich nun meinem Rucksackinhalt. Selbst der Schlafsack in einem angeblich wasserdichten Packsack war am Fußende feucht und meine Euro-Scheine tropften – ich hatte sozusagen Geld gewaschen.
Da es gerade nicht regnete hingen wir unsere Klamotten draußen an die Hütte in der Hoffnung, dass sie ein wenig trocknen würden.
Laut Edgars Wetterprognose in seinem Smartphone sollte es erst übermorgen besser werden. Wir freundeten uns allmählich mit dem Gedanken an, morgen in der Hütte zu bleiben.

Der Blick aus dem Fenster am Morgen schaffte Tatsachen, es regnete immer noch. Wir beschlossen abzuwarten. Auch unsere Streuner hatten sich noch nicht getrollt, kaum öffnete ich die Tür nach draußen, kamen sie schwanzwedelnd angerannt. Marius erbarmte sich ihrer und opferte das Weißbrot aus der Hütte. Nun würden sie uns nicht mehr von der Pelle rücken, da war ich mir sicher…
Da Evas Regenjacke noch klatschnass war, widmete Arjen sich dem Hüttenofen. An das Brennholz hinter der verschlossenen Tür war leider nicht ranzukommen. Draußen fanden wir nicht viel, um den Ofen heiß zu bekommen sollte es aber reichen.
Bald flackerte hinter der Ofenöffnung ein Feuerchen und nebenan im Schlafraum breiteten sich Rauchschwaden aus, zum Glück nur vorübergehend. Als der Kamin richtig zog, wurde es sogar warm in der Bude. Mit unseren Trekkingstöcken bauten wir Wäschetrockner und Eva hockte sich mit ihren Wanderschuhen ans Ofentürchen. Am liebsten wäre sie reingekrochen, wie es schien. „Jung, sportlich, verfroren“ so Edgar's Kommentar. Gegen den Hüttenkoller halfen für den Rest des Tages „Kniffel“ und „Mäxle“.

Der Blick aus dem Fenster am Morgen schaffte neue Tatsachen, draußen war es weiß! Immerhin, wir konnten unser Notquartier verlassen. Die Hunde folgten. Für einen kurzen Moment zwängten sich Sonnenstrahlen durch ein Loch in der Wolkendecke. Doch bereits beim Aufstieg zum Sattel La Crucea Ateneului hüllte uns wieder Nebel ein. Laut Karte führt das rote Band nach Norden, vorbei am Iezerul-Mare-Gipfel (2462 m) zum Abzweig unterhalb des Roșu-Gipfels (2469 m) wo ein Weg die Verbindung hinüber ins Fogarascher Gebirge schafft.
Wir schafften es erstmal unsere Markierung zu verlieren. Als am Wegesrand plötzlich blaue und rote Dreiecke auftauchten war es ratsam umzukehren. Edgar schlug vor querfeldein dem Berghang hinauf zu folgen. Es passte! Bald leuchtete uns das rote Band aus dem Neuschnee entgegen. Der Nebel wurde immer dichter, der Wegweiser am Abzweig zum Fogarascher Gebirge hatte Eisbärte. Wir rasteten nur kurz, denn es war kalt.
Mittlerweile hatte sich das Gelände verändert, wir liefen auf einem Hochplateau. Die Orientierung wurde immer schwieriger, bald blieb das rote Band verschwunden. Zum Glück zeigte meine GPS-Karte den Kammweg an. Stangen, die plötzlich aus dem Nebel auftauchten bestätigten uns, dass wir richtig liefen. Unterhalb des Bătrâna-Gipfels (2341 m) lockerte der Nebel etwas auf, auch der Schnee zog sich zurück. Der Pfad wurde wieder sichtbar. Wir machten Mittagspause. Am Gipfel gegenüber spielten die Sonnenstrahlen.
Vor dem Aufstieg kann man den Gipfel umgehen, der Weg ist mit einem roten Dreieck markiert. Wir blieben auf dem roten Band und erklommen den Berg. Auf der anderen Seite angelangt, verschlechterte sich das Wetter zusehends, es begann zu schneien.
Eva fror. Sie bekam Arjen's Regenjacke, er hatte noch einen Poncho im Rucksack. Der Weg nahm bald alpineren Charakter an, steil und felsig führte er zum letzten markanten Gipfel des Gebirges, der Păpușa (2391 m). Etwas unterhalb des Gipfels tauchte eine Markierungsstange aus dem Nebel auf – ein blaues Band. Wir hatten den Abzweig zur Cabana Plaiul Foii erreicht – glaubte ich jedenfalls.
Edgar war der Meinung, dass noch ein Weg mit gelbem Dreieck abzweigen müsste, wenn wir ein Stück absteigen würden. Wir stiegen und stiegen, doch nichts zweigte ab. An den Markierungsstangen prangten ein blaues und ein rotes Band sowie ein gelbes Dreieck. Wir gingen zurück, folgten dem Blauen-Band-Wegweiser und landeten nach ein paar Metern an der Stelle, von der wir gestartet waren.
Nun gut, es sollte nicht sein! Wir suchten nicht weiter nach dem Weg sondern folgten den Markierungsstangen bergab. Der Schnee ging langsam in Regen über je tiefer wir kamen. Der Pfad war steil und rutschig und irgendeiner der Köter schaffte es immer mir genau zwischen den Beinen herumzutrampeln. In einem Sattel zweigte ein Weg in Richtung Țefeleica-Sattel ab, mit blauem Kreuz markiert. Wir blieben auf blauem Band und gelbem Dreieck und stiegen weiter bergab in Richtung Cabana Cuca.
An der Waldgrenze hörte es auf zu regnen und zwischen den Bäumen brachen die Strahlen der Abendsonne durch den Nebel, das gab dem Wald eine mystische Stimmung.
Nach 9 ½ Stunden hatten wir es geschafft. Die Cuca-Hütte gehört dem Clubul de Drumeție Montana „Romania Pitoreasca“ und war verschlossen! Doch unter dem Vordach standen Tisch und Bänke und im Obergeschoss war genug Platz für drei Schlafsäcke. Außerdem hatte der Bergclub „Malerisches Rumänien“ eine überdachte Feuerstelle und jede Menge Brennholz gelagert. Das Holz brannte schlecht, doch die Zelte blieben im Rucksack.

3. Orientierungslos

Hundegebell weckte mich am morgen. Unsere Streuner mochten weder Beeren- noch Pilzsammler. Ich mochte keine Streuner. An Schlaf war nicht mehr zu denken, also kroch ich aus dem Schlafsack und widmete mich meinem Frühstücksmüsli. Der Tau war gefroren.
Das Wasser der anderen mit ihren Gaskochern brodelte bereits in den Töpfen, während ich immer noch verzweifelte Versuche unternahm meinen Spiritus zu entzünden. Das Zeug hatte sich unterkühlt und weigerte sich nun zu brennen. Meine Streichholzflamme reichte nicht aus, um den Flammpunkt zu erreichen. Ich hätte meinen Brenner mit in den Schlafsack nehmen sollen! Nun gab's halt Müsli kalt. Arjen spendierte eine Tasse heißen Tee.
Immerhin würden wir in etwa einer Stunde die Voina-Hütte erreichen, und dort wartete schon ein Espresso. Vor der Hütte sah es aus wie auf einem Manöverfeld. Mehrere Schützenpanzerwagen reihten sich vor dem Gebäude, auf der Terrasse hockten Soldaten mit frischen Uniformen – also waren die noch nicht im Manöver.
Unsere Hunde wurden von ihren Streunerkollegen an der Berghütte begrüßt, sie hatten bestimmt viel zu berichten. Wir bestellten uns einen Kaffee und ich musste meine Blasen an den Füßen versorgen. Die nassen Socken und das Gelatsche auf der Forststraße, bis zur Hütte hatten meine Füße arg in Mitleidenschaft gezogen.
Da wir den direkten Weg vom Iezer-Păpușa-Gebirge zur Cabana Plaiul Foii nicht gefunden hatten, mussten wir es nun über Umwege versuchen. Unser Umweg war mit einem roten Dreieck markiert und führte aus dem Târgului-Tal durch das Valea Largă bald recht steil den Berghang des Vârful Calu hinauf bis in den Calului-Sattel. Unsere Wandergruppe hatte neue Mitglieder. Zwei der Streuner, die uns begleitet hatten, zogen die Bequemlichkeit an der Cabana Voina vor, 5 neue folgten uns auf den Fersen. Wandern mit Hund ist ganz einfach, man fährt nach Rumänien und hat gleich ein ganzes Rudel am Hals. Unseres bestand nun aus 6 Kötern.
Von diesem Teil des Gebirges hatte ich keine Karte weder analog noch digital. Mein GPS zickte sowieso gerade wieder rum und beglückte mich mit Fehlermeldungen, die ich noch nie gesehen hatte: „XM receiver not supported“ oder „This accessory is not supported“ stand im Display. Dem Teil schlug vermutlich auch das Wetter aufs Gemüt.
Edgar hatte eine grobe Karten-Skizze aus dem Internet. Immerhin leuchteten genug rote Dreiecke von den Baumstämmen. Im Argeșel-Sattel stand ein Wegweiser der zum Găinațul Mare (1832 m) wies (blaues Band). Unser Weg überquerte den Bergrücken und endete in einem Hochtal (vermutlich Valea Argeșelului). Hier endete auch die Markierung. Von einem roten Dreiecke fehlte ab jetzt jede Spur.
Wir folgten einem Waldweg bergauf, der ungefähr in unsere Richtung führte. Plastikschnipsel an den Bäumen und pinkfarbene Punkte an Steinen dienten als Markierung. Eine verlassene Sennstation ließen wir links liegen und erreichten einen Forstweg, der mit verblassten blauen Kreuzen markiert war. Am Horizont erhob sich unser Ziel – der Königstein.
Leider führte von hier oben kein Weg ins Tal. Den Wald unter uns durchzogen Rückewege.
Wir folgten den blassen Kreuzen bis zum nächsten Sattel aber auch dort führte kein Weg direkt nach unten – also zurück. Querfeldein den Hang abwärts erreichten wir eine Wegkreuzung. Wir wählten den breitesten Weg, der abwärts führte und folgten ihm. Vorbei an Bärenscheiße und streckenweise in einem Bachbett laufend, erreichten wir den Weiler Mâra im Râușor-Tal.
Ein Hirte trieb seine Kühe die Straße hinauf, eine willkommene Abwechslung für unsere Straßenköter. „Spre Valea Dâmboviței?“ fragte ich den Mann. Denn ins Dâmbovița-Tal mussten wir, um von dort zum Königstein zu gelangen. Ungläubige Blicke. Er wies mit der Hand talwärts und erzählte mir was von „Rucăr“ und „mașină“.
Die Straße führte also nach Rucăr und von dort sollten wir versuchen zu trampen. Wir erklärten ihm, dass wir wandern wollten und Zelte dabei hatten. Nun zeigte er in die andere Richtung. Nach einer Schranke würde eine Wiese kommen, auf der wir zelten könnten. Das hörte sich schon besser an.
Die Wiese befand sich auf Privatgelände, vermutlich gehörte sie zur benachbarten Sennstation. Wir besiegelten unseren Schlafplatzdeal mit dem Hirten auf rumänisch, mit zwei Gläschen Palinka. Sein Kollege bekam von Arjen eine Schachtel Zigaretten. Recht zufrieden wirkte der aber nicht.
Endlich, nach vier Wandertagen würden wir im Zelt übernachten. Sicher? Eva und Marius hatten ein MSR Hubba Zelt, dass sie beim Aufbau mit einem Gestängebruch überraschte.
Improvisieren war nun angesagt. Mit Taschenmesser, einem Zelthering und Panzertape reparierten Arjen und Edgar das Zeltgestänge. Eine Nacht würde es überleben.

4. Zum Königstein

Regen und Hundegebell ließen mich kaum schlafen in der Nacht. „Als ob 50 Bären im Wald waren“ so Arjen's Kommentar. Wir mussten unsere Begleiter irgendwie los werden. Nur wie? Kaum setzten wir uns in Bewegung, trotteten sie schwanzwedelnd nebenher.
Der Forststraße folgend, rannten wir erst einmal am Abzweig zum Dâmbovița-Tal vorbei und unserem Kuhhirten in die Arme. Er schickte uns zurück in Richtung Sennhütte, dort zweigt ein Forstweg ab und führt nach Osten den Hang hinauf. So war es auch.
Oben auf dem Pleșa-Drăganului-Bergrücken wurde aus dem Weg ein Pfad, der dem Kamm folgte durch einen Wunderschönen Bergwald. Die grobe Richtung stimmte. Wichtig war, dass der Pfad irgendwann rechts ins Clăbucet-Tal führte und nicht nach links ins Boteanu-Tal. Blöderweise tat er aber genau letzteres. Zum Glück jedoch nur ein kurzes Stück, dann schwenkte der Pfad nach rechts und endete auf einem Forstweg im Clăbucet-Tal.
Ab jetzt war es einfach, mein GPS hatte sich wieder beruhigt und zeigte sogar den Forstweg an, der im Dorf Sătic endete.
Zwei Wildschweine überquerten fast vor unseren Nasen den Forstweg und rasten den Berghang hinauf. Unsere dummen Hunde verpassten die Gelegenheit.
In Sătic dämmerte uns, dass wir die Cabana Plaiul Foii heute nicht mehr erreichen würden. Eine Alternative musste her. Auf halbem Weg lag die Cabana Garofița Pietrei Craiului, eine gute Alternative!
Am Horizont zogen wieder mal dunkle Wolken auf. Vor einem Haus stand ein kleiner Pickup mit Stiegen voll Steinpilzen auf der Ladefläche. Die Kombination Regenwolken – Lkw brachte Edgar auf die Idee, dass wir doch zur Hütte fahren könnten. Im Vorgarten hockten ein paar junge Männer auf einer Bank – wir fragten sie. Ein Typ konnte etwas deutsch, er verschwand im Haus und kam in Begleitung eines weiteren Mannes zurück – der Fahrer. Unsere Rucksäcke leisteten den Steinpilzen Gesellschaft, wir zwängten uns in die Fahrerkabine und lösten somit auch unser Hundeproblem.
Bis zur Hütte konnten uns die Beiden nicht fahren, an einer Schranke am Talanfang des Valea Dragoslăvenilor war Ende. Zehn Euro würde der Fahrer pro Stiege Steinpilze bekommen, wir gaben ihm für die Fahrt das Gleiche. Bis zur Hütte liefen wir noch eine Stunde. Dort empfingen uns Hundegebell sowie George und Mihai. Wir hatten Glück, dass die Hütte auf war. Die Beiden erwarteten morgen eine größere Gruppe, sodass sie heute schon Vorbereitungen trafen. Wie die Cabana Cuca gehörte auch die Cabana Garofița Pietrei Craiului dem Bergclub „Malerisches Rumänien“.
Der Schlafraum befindet sich im Obergeschoss, unten bekamen wir erst mal Tee und Gemüsesuppe. Die Hütte war nett eingerichtet, die Wände mit Holz verkleidet, die Hängeregale aus Seilenden und rohen Brettern selbst gebaut, an den Wänden hingen Fotos von Gämsen und dem Königstein. Der Hofhund mochte keine Jungen, erklärte George. Was besagter Hund (kalbsgroß) durch wütendes bellen und zerren an der Kette unterstrich, wenn ich mich in Richtung Plumpsklo bewegte. Bei Eva blieb er ruhig. Ich mochte auch keinen Hofhund.
Mihai fuhr am Nachmittag mit seinem Quad ins Dorf, um Bier einzukaufen – alles war perfekt!

Am Morgen schien die Sonne und über dem Kamm des Königsteins wölbte sich strahlend blauer Himmel. Wir verabschiedeten uns von George und Mihai und stiegen der Gelben-Kreuz-Markierung hinterher bis an den Fuß der Felsen. Auf halbem Weg begegneten wir einem Fernsehteam, vermutlich war das die Gruppe die George und Mihai erwarten.
Der Weg folgte wieder der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten und fehlte auf meiner Wanderkarte komplett. Am Großen Geröllfeld (Marele Grohotiș) ging es nun immer unterhalb der Kalkwände in Richtung Cabana Plaiul Foii. Im Südwesten blickten wir auf die Berge des Iezer-Păpușa-Massivs, sie waren noch immer weiß überzuckert. Im Westen erhob sich der Kamm des Fogarascher Gebirges.
Edgar warnt Eva und Marius vor Steinschlag. „Wir müssten hier normalerweise mit Helm gehen.“ Arjen's Kommentar aus dem Off: „Wir können uns auch einen Stein quer über den Kopf legen.“ (Autoritätsvernichter)
Auch aus dem Off tauchte plötzlich wieder ein Vierbeiner auf. Nun wanderten wir auch am Königstein mit Hund. Am Abzweig zum Friedrich-Deubel-Weg deponierten wir unsere Rucksäcke und kraxelten bis zu den Felsbögen „La Zaplaz“, wir würden sicher nicht mehr hierher kommen, denn der komplette Weg bis zur Hirtenspitze und zurück zur Plaiul-Foii-Hütte wäre zu weit. Morgen hatte ich eine andere Tageswanderung zum Kamm des Königsteins geplant (entweder Cabana Plaiul Foii – Padina Șindileriei, rotes Kreuz – Padina Popii / Pfaffenschlucht, blaues Dreieck – Cabana Plaiul Foii oder Cabana Plaiul Foii – Padina Închisă / Quellenschlucht, blaues Band – Padina Hotarelor / Grenzschlucht, blaues Kreuz – Cabana Plaiul Foii).
Von unserem Rucksackdepot ging es nun nur noch bergab und nach 6 Stunden beendeten wir unsere Tour an der Plaiul-Foii-Hütte. Jeder freute sich schon auf eine heiße Dusche, doch zu früh gefreut. Alle Zimmer waren belegt, auch am nächsten Tag. Wir könnten gegenüber der Straße zelten, aber so recht Lust hatte nun niemand mehr darauf. Wolken hatten den Kamm des Königstein wieder versteckt und die Wetterprognose für morgen war wechselhaft. Alles Gründe unsere Tour zu beenden. Ich telefonierte mit Grig in Brașov. Um 17:30 Uhr würde er uns abholen. So hatten wir noch genug Zeit wenigstens den kulinarischen Genüssen zu frönen.
Pünktlich um halb sechs fuhr Grig's Daimler vor. Die Abendsonne bestrahlte Butschetsch und Schuler-Massiv und nach einer knappen Stunde hatten wir auch unsere heiße Dusche.
Den Abend ließen wir im Casa Românească ausklingen, mit teurem Schnaps und rumänischer Küche.

5. Über 7 Stufen müsst ihr geh'n


Heute konnte jeder machen wozu er Lust hatte. Wir legten einen Ruhetag in Brașov ein. Wir nutzten den Tag mit ausgiebigen Café- und Restaurantbesuchen, woran das wechselhafte Aprilwetter mit kurzen spontanen Regenschauern nicht schuldlos war. (Unbedingt einen Waldarbeiterkaffee probieren.)

Am nächsten Tag wollten wir wieder wandern gehen, eine tolle Idee hatte Grig. Am Piatra Mare (Hohenstein) unweit von Brașov gibt es eine Schlucht mit einem Wasserfall, den „Șapte Scări“ (Sieben Stufen). Durch diese Schlucht führt der Leiterweg. Wie der Name sagt geht es über mehrere Leitern entlang der Wasserfälle den Fels hinauf, ähnlich wie im Slowakischen Paradies. Das gefiel mir.
Um 10 Uhr öffnet die Schlucht. Um halb zehn holte uns Grig vom Hostel ab. Sein Bus hatte ein Problem, eine Fahrwerksfeder war gebrochen. Wir mussten uns zu fünft in seinen Dacia pressen. Arjen als größter vorn, der Rest hinten. So ging es quer durch die Stadt bis Dâmbu Morii, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Den Weg markierte ein gelbes Band. Über uns spannten sich Drahtseile von Baum zu Baum, ein Touristengeck. Tagesausflügler konnten so nach der Tour für 50 Lei an Rollen zu Tal sausen. Der Eintritt in die Klamm kostete 10 Lei, für Eva mit Studentenausweis 5 Lei.
Der Schlucht-Pförtner schloss die Stahltür auf, das Abenteuer begann. Die Leitern schienen recht neu zu sein, alle aus Metall. Wild sprudelte das Șipoaia-Bächlein zwischen den Felswänden hervor. Leider dauerte der Anstieg nicht allzu lang. Bald weitete sich die Schlucht und durch schönen Bergmischwald, mit Hirsch und Uhu, ging es hinauf bis zur Berghütte „Piatra Mare“.
Die Hütte war geschlossen, zwei altersmüde Hirtenhunde tummelten sich auf dem Anwesen. Nebelschwaden zogen auf und bald war es so wie im Iezer-Păpușa-Gebirge. Nach einer kurzen Vesperpause stiegen wir den mit rotem Band markierten Familienweg nach unten. Eine Familie kam uns in der Tat entgegen, sie wollten zur Schlucht. Ihr Problem, sie befanden sich auf dem falschen Weg. Die Frau nahm es locker, für ihren Sohn war der Tag gelaufen…
Grig holte uns am Parkplatz in Dâmbu Morii ab und in einer knappen halben Stunde waren wir wieder im Hostel.
Der Abend rückte näher, unser letzter Abend in Rumänien. Wir hatten ein nettes Restaurant in der Innenstadt ausgemacht. Das „Ceaun“ (Kessel) hatte leckeres rumänisches Essen (z.B. Sarmale/Krautrouladen), dunkles Silva-Bier und guten Schnaps im Angebot.

6. Abschied

Heute Nachmittag müssen wir zurück nach Deutschland. Mit Arjen und Edgar kaufte ich den nötigen Reiseproviant bestehend aus Bere, Slănina (Speck), Brânza (Schafskäse), Paprika und Tomaten.
Im Hostel sagten wir auf Wiedersehen zu Diana, Silvia und Grig, typisch rumänisch mit Palinka versteht sich. Und ich war mir sicher, ein Wiedersehen wird es geben, bestimmt. Trotz miesem Wetter hatten wir eine erlebnisreiche Tour. Ich hoffte, wir konnten unseren beiden Neulingen Eva und Marius die Karpaten etwas schmackhaft machen und Sabine wünschten wir gute Besserung, vielleicht ist sie ja auf einer zukünftigen Wanderung durch die Karpaten dabei.

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