(Karpatentour Mai 2016 – Rumänien)
Auf meiner ersten Karpatentour in diesem Jahr war es an der Zeit neue Prioritäten zu setzen. Erstens, ich würde nicht allein reisen, sondern mit Anne, die noch nie in den Karpaten Rumäniens wandern war. Zweitens startete ich meine 40. Karpatenwanderung, ein kleines Jubiläum sozusagen und drittens gehörte ich nun zu den Best Agern. Und als Best Ager stolpert man eben nicht früh morgens aus dem Zug und gibt sich die ersten 1000 Höhenmeter bis zum Karpatenhauptkamm, nein wir wollten unseren Wanderurlaub mit einem Wellnessaufenthalt im Thermalbad Băile 1. Mai, rund 8 km südöstlich von Oradea beginnen.
Der Name hatte sich aus der kommunistischen Vergangenheit ins hier und jetzt gerettet. Doch laut einem Bericht in einem meiner Komm-Mit-Bücher sollte es dort neben den Thermen noch eine weitere Attraktion geben, die endemische Weiße Lotosblume – Nymphaea lotus var. thermalis. Ich war gespannt, ob wir vor Ort Seerosen vorfinden würden. Immerhin war der Bericht im Komm Mit über 30 Jahre alt.
In Erwartung der Dinge die da kommen mochten, fuhr ich am Samstag den 14. Mai um 00:05 Uhr mit der Bahn in Richtung Rumänien. In Karlsruhe würde ich Anne treffen, die aus Mannheim kam. Wir hatten ein Interrailticket, das uns innerhalb von 2 Wochen an 5 Tagen Fahrten mit der Bahn erlaubte. So erwies es sich als recht geschickt, dass wir am Abend desselben Tages um 20:18 Uhr unser Ziel Oradea erreichen würden. Nicht so geschickt war die Tatsache, dass wir auf der Fahrt nach München keine Liege hatten und dass es ab Karlsruhe regnete. Es regnete auch in München und es regnete in Budapest. Erst hinter Ungarns Hauptstadt besserte sich das Wetter. Die Nachmittagssonne strahlte auf dunkle graublaue Wolkenwände, die sich im Norden und Osten auftürmten. Die Puszta leuchtete in frischem Frühlingsgrün. Knallrote Klatschmohnblüten säumten den Bahndamm, weiße Holunder und Robinienblüten funkelten dahinter. Über die Wiesen flogen weiße Reiher und ab und zu flatterte ein goldener Fasan aus dem Grün hervor.
Erst hinter der Grenze verschwand die Sonne hinter grauen Wolken und der Regen gewann wieder die Oberhand. Als wir mit nur 10 Minuten Verspätung Oradea erreichten, schüttete es wie aus Kübeln.
Vor dem Bahnhof warteten gelbe Taxis, wir überlegten nicht lang sondern schnappten uns das erstbeste. „Cât face până la Băile unu Mai?“ fragte ich. „Despre 30 de Lei“ so die Antwort. Gebongt!
Hinter den kleinen Wasserbächen, die sich die Heckscheibe hinunterstürzten leuchtete am Horizont die Sonne als roter runder Feuerball – ein gutes Omen?
Unsere Unterkunft hatte ich bereits in Deutschland übers Internet gebucht, die Pensiunea Empire. Das Zimmer war groß und es war heiß wie daheim in meinem Basislager. Leider fehlte im Innenpool das Wasser und jenes im Außenpool verdiente nicht die Bezeichnung thermal! Dafür hatten wir einen Spitzenkoch. Die obligatorische Ciorba de burtă schmeckte sehr gut. Das Gläschen Palinka – na ja. Der uns vom Kellner empfohlene Lammbraten aber konnte sich sehen lassen und auch der Kräuterschnaps danach ließ nichts zu wünschen übrig. Das Rezept wollte uns der Kellner jedoch nicht verraten…
Der Himmel leuchtete am nächsten Morgen blau, gute Bedingungen, um nach dem etwas mageren Frühstück auf Lotosblumensuche zu gehen.
„In dem von Thermalquellen gespeisten Pețeabach wächst hier, weit entfernt von tropischer Wärme und Vegetation eine besondere Seerose, die Weiße Lotosblume – Nymphaea lotus var. Thermalis…“ steht in der Beschreibung im Komm Mit 1985. Den Bach und auch den Teich hatten wir bald entdeckt, zumindest das was davon übrig war. Das Gelände um den Seerosenteich war eingezäunt, das Eingangstor abgeschlossen. Doch ein Loch am Boden erlaubte den Zutritt auf allen vieren. Ein Info-Schild, mitten im Unkraut, pries das Vorkommen der Weißen Lotosblume auf dem Lac cu Nuferi (Seerosensee) Ochiul Mare an. Nur im Teich war die Attraktion des Thermalbades nicht zu finden. Hohes Gras und Gestrüpp wucherte am Ufer und auch im Wasser gedieh allerlei Unkraut nur keine Lotosblumen. Etwas enttäuscht krabbelten wir wieder durch das Loch im Zaun und folgten dem ebenfalls verwilderten Bach in Richtung Șomleu-Wald. Zigeunerjungen buckelten Brennholz ins Dorf, in den Pfützen des Forstweges huschten Frösche ins lehmgraue Wasser. Alles war feucht. Noch schien die Sonne und ließ die frischen Blätter der Buchen aufleuchten. Doch von Westen her näherte sich eine dunkle Wolkenwand, es wurde Zeit das warme Wasser der Thermalquellen zu testen.
Neben dem öffentlichen Bad wirbt das Allegria Spa um Besucher. Die Tageskarte kostete 40 Lei (etwa 9 EUR) pro Person, verglichen mit Bädern, die ich in Deutschland kenne recht günstig. Gleich im Eingangsbereich luden drei Saunen zur Schwitzkur ein. Den Aufguss konnten wir uns selbst bereiten. Das Schwimmbecken hatte einen Innen- und einen Außenbereich. Obwohl die Wassertemperatur laut Angabe 29 bis 34 °C betrug, dampfte es draußen im beginnenden Nieselregen. Trotzdem zog ich es vor im Innenbereich zu verweilen, 34 °C sind nun mal wärmer als 29 °C.
Auch wenn es recht angenehm war, im Whirlpool hockend den Regentropfen zuzusehen wie sie aufs Wasser patschten. Uns war nun doch nach Wandern zumute, morgen sollte es losgehen.
Unser erstes Wanderziel stellte keine wirkliche Herausforderung dar, wir wollten ins 3 km benachbarte Bad Felix. Unser Koch war überzeugt, dass es dort Seerosen gäbe. Hier sei nicht mehr viel zu sehen, meinte er.
Er hatte Recht. In Băile Felix gab es Seerosenteiche mit Schildkröten und Seerosenteiche mit Karpfen, fein im Stadtpark für die Kurgäste angelegt und gepflegt. Nur die hier wuchernden Seerosen gehörten zur Gattung Nymphea alba.
Wir hakten die Lotosblume ab und fuhren mit dem Bus nach Oradea. Der Bus hielt am Stadtrand, bis zum Bahnhof fuhr eine Straßenbahn. Aber vorher brauchten wir noch Kleingeld. Es gibt eine Reihe Non-Stopp-Wechselstuben am Straßenrand, der Kurs war deutlich besser als daheim. Mit 2664 Lei in den Taschen konnte die Tour beginnen. Der Schnellzug nach Cluj Napoca (Klausenburg) fuhr um 11:30 Uhr. Laut der Schalterdame brauchten wir nach Câmpia Turzii, unserem Zielbahnhof, nicht umzusteigen. Der Wagen wird in Klausenburg an einen anderen Zug drangehangen, der als Regionalzug in Richtung Târgu Mureș weiterfährt. Die Wahrscheinlichkeit heute mit der Wanderung zu beginnen rückte in greifbare Nähe. Leider fing es ab Klausenburg wieder an zu regnen.
In Câmpia Turzii angekommen, hielt sich unsere Wanderlust in Grenzen. Ich schlüpfte in meine Regenjacke, Anne unter ihren Poncho. Anhand der Wartenden an der Bushaltestelle musste der Bus nach Turda gleich kommen. Vor 16 Jahren war ich schon einmal in Turda, damals bin ich vom Bahnhof bis in die Stadt gelaufen, heute siegte die Bequemlichkeit.
Im Billa-Markt versorgten wir uns mit Brot, Wurst und Wasser. Es hatte aufgehört zu regnen. Sollten wir es wagen? Wir wagten es.
Cornel der Taxifahrer machte einen recht begeisterten Eindruck, als wir ihm unser Fahrziel offenbarten – die Turenier Klamm (Cheile Turului). So eine Tour hatte er nicht alle Tage. Die Klamm liegt etwa 10 km nordöstlich von Turda zwischen den Dörfern Tureni und Copăceni. Ich hatte über die Felsschlucht im Komm Mit 1977 gelesen. Begeistert erzählte uns Cornel von seinem Angelausflug mit seinem Sohn am Mureș, wo sie auch gezeltet hatten. Bald erreichten wir das Dörfchen Tureni. Aber Cornel wollte uns weiter fahren. Ein Hirte zeigte ihm den rechten Weg und auf einer wilden Schotterstraße fuhren wir zwischen hoch aufragenden Felsen bis zum Beginn der Klamm. Cornel wollte nicht mal Trinkgeld, er wünschte uns alles Gute und holperte zurück in Richtung Dorf.
Jetzt wurde es ernst. Ein Straßenköter brachte seine Beute in Sicherheit. Vor uns verengte sich das Tal zu einem schmalen Spalt zwischen den Kalkfelsen. Unter uns rauschte das Bächlein in Richtung Spalt. Das Wasser war schmutzig graubraun vom letzten Regenschauer. Neben dem Bach schlängelte sich ein ebenso schmutziger Matschpfad, der bald am Ufer endete, wir mussten die Seite wechseln.
Also Rucksack runter, Hosenbeine hochkrempeln, Socken aus, Wanderschuhe aus, leichte Schuhe an. Das Wasser reichte bis zu den Waden. Über glitschige Steine balancierten wir nun fast ständig von einer Seite der Klamm auf die andere. Brennnesseln bissen mir in die Unterschenkel und Gestrüpp zerkratzte die Haut. Der Pfad tauchte ab und zu auf und verschwand ebenso plötzlich. Manchmal reichten die Felsen bis an den Rand des Baches, kraxeln war angesagt. Mitten in der Klamm tauchte plötzlich ein blauer Punkt an einem der Felsbrocken auf, die erste Wegmarkierung! Der Pfad schien sich hier nach oben zu wenden, ich folgte ihm, Anne folgte mir. An dem mit weißen Felsbrocken durchsetzten Hang blühten rote Orchideen, irgendein Knabenkraut. Doch oben angekommen, fand ich mich auf einem schmalen Felsgrat wieder. Nach drei Seiten viel er steil bergab. Am gegenüberliegenden Hügel kläfften mich ein paar Köter an. Ich konnte nicht weiter, die Hunde aber auch nicht zu mir. Uns blieb nichts weiter übrig als umzudrehen, der Weg war offensichtlich nicht der richtige.
Die Sonne war bereits untergegangen, doch weit konnte es nicht mehr sein. Noch einmal ging es durchs Wasser dann weitete sich die Schlucht, vor uns kam das Dach eines Hauses in Sicht. In der Hoffnung, dass mir nicht gleich der Hofhund in den Waden hängt, steuerte ich das Eingangstor an. Das Grundstück schien jedoch verlassen zu sein. Neben dem Tor sprudelte eine Quelle hervor und ein Wegweiser zeigte am Zaun vorbei auf einen schmalen Pfad der bergauf führte. Wir folgten ihm, es begann bereits zu dämmern. Der Weg führte zu einer schönen Wiese auf einem Plateau – unser Biwakplatz für die Nacht.
Umgeben von schroffen Felswänden bauten wir das Zelt auf, zum Kochen war es schon zu spät, so knabberten wir im Schein unserer Stirnlampen Brot und Wurst aus dem Supermarkt von Turda. Grillen zirpten, das Wasser rauschte im Tal und von oben drang Hundegekläff herunter. Etwa 2 ½ Stunden hatte unsere Wanderung durch die Klamm gedauert, morgen wartete schon das nächste Klamm-Abenteuer – die Thorenburger Schlucht (Cheile Turzii).
Unter einem strahlend blauen Himmel, umgeben von weißen Felsen leuchtete unser Zelt im grünen Gras in der Morgensonne. Die Nacht verbrachte ich mehr schlecht als recht, die Beine juckten und kribbelten von den Brennnesselattacken in der Schlucht. „Kriegst du kein Rheuma“ so Annes Kommentar, während sie den Morgenkaffee kochte. Jedes Missgeschick hat also auch seine guten Seiten.
Bis zum Dorf Copăceni war es nicht weit. Im Tal entdeckten wir noch mehrere hübsche Plätze, die sich für ein Zeltbiwak eignen würden. Ein Opa mit seinem Pferdefuhrwerk erklärte uns den Weg zur Thorenburger Schlucht. Copăceni ist ein hübsches sauberes Dorf mit einer Kirche auf einem Hügel.
Bis zum nächsten Dorf Săndulești folgten wir asphaltierten Landstraßen. Braune Schilder mit der Aufschrift „Cheile Turzii“ bestätigten uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Da laufen auf Asphalt auf die Dauer nicht so toll ist, hatte Anne immer ein Auge für Abkürzungen, um lästige Kurven zu umgehen.
In Săndulești winkten rote Sonnenschirme vor einem Magazin Mixt. Ein Magazin Mixt in Rumänien ist nicht einfach ein Lebensmittelladen, es ist ein Treffpunkt für die Dörfler. Es wird getratscht und diskutiert. An der Hauswand hingen Wahlplakate. Feiste Gesichter grinsten uns an, darunter stand in fetten Buchstaben: „Un om pentru oameni“ (Ein Mensch für die Menschen). Wir brauchten keinen Volks-Papa, der unsere Interessen vertrat. Für Anne gab es Kaffee, für mich ein Ciuc-Bierchen.
Eine Schotterstraße und Hundegekläff begleiteten uns aus Săndulești. Bis zur Schlucht waren es laut den Einheimischen noch 3 Kilometer. Es dauerte nicht lang und die markanten Felsen, die den Eingang zur Schlucht markierten, erhoben sich über grünen Weizenfeldern. Eine Herausforderung ist die Cheile Turzii nicht, zieht sich doch ein gut ausgebauter Weg durch das Tal des Hășdate-Bachs. Dementsprechend frequentiert war es hier auch. Auf dem Weg promenierten Ausflügler, an den Felswänden hingen Kletterer. Die Angaben zur Schwierigkeit am Beginn der Kletterrouten beeindruckten mich, unter 8 schien es da nichts zu geben.
Die Sonne schien, das Wasser rauschte – Zeit für eine Power-Riegelpause. Anne hatte Fußprobleme, denen sie mit Naturmedizin zu Leibe rückte, indem sie Schöllkraut zerrieb und die Druckstelle am Zeh mit dem Saft einrieb. „Soll auch bei Blasen helfen“ meinte sie.
Mitten in der Schlucht sprudelte eine Quelle aus dem Fels. Wir füllten unsere Trinkflaschen, ich ärgerte mich über den schweren Rucksack und folgte Anne zum Schluchtende. Am Hang auf der gegenüberliegenden Seite des Tals weideten Schafe. Wir wechselten über einen privaten Campingplatz auf diese Seite, liefen ein Stück in die Richtung aus der wir kamen und mühten uns einen steilen rutschigen Pfad nach oben. Laut einem Wegweiser folgten wir nun dem Fernwanderweg E4, den ein rotes Band markierte.
Oben angekommen, fing es an zu regnen. Die Markierung des Fernwanderweges spielte mit uns Versteck. Ein Felsplateau mit lauter weißen Steinen übersät, auf denen ab und zu mal ein rotes Band schemenhaft zu erkennen war, machte die Orientierung nicht leicht. Am Horizont bewegten sich Schafe, wir hielten drauf zu, bis uns Knurren und Kläffen stoppten. Eine Herde graste links von uns, die andere rechts. Die Hirtenhunde bewachten die linke Herde, von der rechten Seite kam der Hirte: „Aveți o țigară?“ Hatte ich, aber nur noch zwei Exemplare. Der Mann war glücklich, bedankte sich und verschwand wieder zu seinen Schafen. Gern hätte ich ein Foto gemacht.
Nach den Schafen erschien weiteres Nutzvieh am Horizont, siebenbürgische Wasserbüffel.
Stattliche pechschwarze Exemplare schauten neugierig zu uns herüber. Da es sich um Mütter mit Kindern handelte, machten wir vorsichtshalber einen Bogen um die Herde und verloren wieder unsere Rote-Band-Markierung. Auf dem nächsten Hügel fanden wir sie wieder. Anne fand auch den Platz toll, also bauten wir hier unser Zelt auf. Nicht zu früh, denn der nächste Regenschauer kündigte sich bereits an. Im Osten breiteten sich mit Buchen und Eichen bewaldete Hügelkuppen aus, die unten im Tal des Arieș endeten. Im Westen, tief unter uns sahen die Häuser von Petreștii de Sus aus wie Spielzeug. Anne zauberte auf ihrem Spirituskocher spanische Bio-Paella mit rumänischen Sardinen. Zum Nachtisch spendierte ich montenegrinischen Grappa von meiner Balkantour.
Am Morgen setzte sich unsere Rote-Band-Suche fort. Doch die Richtung war klar und bald tauchte unter uns ein Kirchturm auf, der beim Näherkommen zu einem recht neu aussehenden Klosterbau gehörte. Besucher schienen im Mănăstirea Cheile Turzii nicht gern gesehen, denn die zwei Klosterhofhunde verbellten uns lautstark. Wenn die das mit jedem so trieben wunderte ich mich nicht, dass das Kloster noch in der Bauphase steckte. Woher sollten auch die Kollekten kommen, wenn die Köter jede arme Spenderseele auf Abstand hielten?
„Hunde brauchen immer eine barsche Ansprache…“ erklärte mir Anne „…das verstehen sie dann.“ Sie wurde etwas lauter, die Köter zunehmend leiser.
Wirkliche Demut lernten die Beiden aber erst, als ein Hirte mit seiner Schafherde über der Hangkante erschien. Seine Schutzhunde waren einfach größer und in der Überzahl. Dummerweise mochten die auch keine Wanderer aber zum Glück trollten sie sich bald hinter den Schafen in den Wald.
Wir verschwanden auch im Wald und folgten dem roten Band hinunter ins Arieș-Tal. Der Wanderweg führt nun über Moldovenești weiter nach Süden, wir versuchten unser Glück per Anhalter auf der Straße DN75, die von Turda kommend quer durch die Westkarpaten bis Ștei führt. Unser Ziel hieß Stațiunea Muntele Băișorii, ein sozialistischer Wintersportort im Gilău-Gebirge (Muntele Mare).
Es dauerte nicht lang und ein Typ aus Bukarest hielt, der nach Câmpeni wollte. Ich zeigte ihm den Abzweig nach Băișoara auf meiner Wanderkarte. Es war nur ein kurzes Stück. Kaum ausgestiegen, hielt schon das nächste Auto. Eine Frau die bis Băișoara fuhr. Soviel Tramper-Glück hatte ich allein noch nicht.
In Băișoara regnete es wieder. Vor dem Dorfladen boten Frauen Schafskäse und Kuhmilch an. Der Käse schmeckte aber die Mindestkaufmenge von einem halben Kilo war uns zu viel Schlepperei. Im Laden gab’s Schafskäse in 200-g-Rollen. Dieser würde unser Nudel-Bruschetta-Gericht zum Abendessen noch verfeinern.
18 Km sind es bis in den Skiort. Wir liefen mal los, in der Hoffnung bald eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Und diese lies auch nicht lang auf sich warten. Ein Geländewagen nahm uns für 10 Lei mit bis Muntele Băișorii. Bis zum Skiort waren es aber immer noch rund 7 km. Einer der Mitfahrer schlug uns vor den Fahrer zu fragen, ob er auch noch weiter fahren würde. Ich fragte was es kosten würde. Der Typ druckste herum, gab aber keine Antwort. Die Dörfler diskutierten herum, dann sagte der eine 30 Lei. Gut! Doch der Fahrer zierte sich noch immer. War es zu wenig? Dann solle er doch sagen was er wollte, dachte ich mir. Nach einem kurzen Palaver mit den beiden anderen Dörflern willigte der Typ schließlich ein. Wir kletterten wieder in den Wagen und ab ging es.
An der Straße tauchte schon unsere Wegmarkierung auf, ein blaues Kreuz. Und noch etwas tauchte auf: diverse ATVs und Quads mit schlammbesudelten Fahrern. Hier würde ein Off-Road-Wettkampf ausgetragen, erklärte uns unser Fahrer. Tatsächlich gaben sich hier ganze Teams aus Deutschland, Italien, Polen, Tschechien oder Rumänien ein Stelldichein. „Hunt-The-Wolf“ stand auf Werbebannern an der Rennstrecke.
Wir wurden am Hotel Alpin abgesetzt, ein guter Platz für einen Kaffee und ein ebenso dunkles Bierchen. Draußen begann es zu schneien! Zum Glück dauerte der Schneeschauer nicht lang, bald schien wieder die Sonne – Aprilwetter.
Wir zogen uns warm an und begannen die Suche nach dem blauen Kreuz. Bald tauchte es am Straßenrand auf, ein Pfeil wies nach rechts. Wir folgten dem Pfeil und verloren unsere Markierung, stattdessen erschien ein rotes Kreuz am nächsten Tannenbaum, also zurück. Bald tauchten an den Strommasten am Straßenrand erneut blaue Kreuze auf, die an der Pension Andreea endeten. Die Pension schien das Basislager für die Off-Road-Helden zu sein. Ringsherum tummelten sich dreckverschmierte Gestalten, Motorenlärm drang zu uns herüber. Unser blaues Kreuz blieb verschwunden und im Wald verschwanden mehrere Off-Road-Pisten in der gleichen Farbe wie die Fahrer.
Sollte unser Wanderweg eine dieser Pisten sein? Wir wagten nicht daran zu denken. Anne schlug vor noch einmal zurück zu dem blauen Pfeil zu laufen und noch mal genau zu schauen. Gesagt getan, laut der Wanderkarte führten auch von dort Wege auf unsere Wunschroute. Akribisch verglichen wir die Pfade mit unserer Karte und folgten ihnen, mit dem Ergebnis, wir landeten wieder in der Nähe der Pension Andreea. Nun hatte ich die Faxen dicke, ich betrat das Etablissement und fragte die erstbeste Angestellte nach dem Weg – „spre Scărița Belioara“.
Die Dame holte eine andere Dame und diese bestätigte meine Befürchtung – unser Wanderweg folgte der Off-Road-Piste! Bald tauchte das blaue Kreuz an den Baumstämmen wieder auf. Vermutlich wurde unsere Markierung von irgendeinem der Team-Zelte verdeckt. Vorsichtig schlichen wir uns am Rand der Piste entlang, immer die Ohren gespitzt, nicht dass uns eines der Schlammvehikel aus versehen über den Haufen fuhr. Doch es blieb ruhig, der Wettkampftag schien vorüber zu sein und die Karpaten-Helden feierten sich vermutlich bei Bier und Palinka in Andreeas Pension.
Wir suchten hingegen erneut unser Kreuz. An den Bäumen hingen stattdessen weiße Plastikfetzen, wir folgten ihnen. Die Schnipsel leiteten uns vollends in die Irre, wir mussten zum letzten Wegzeichen zurück. Annes sehnlichster Wunsch war, nur noch aus dem Off-Road-Tal herauszukommen. Mit schlammbeschmierten ATVs samt Fahrern hatte sie nichts im Sinn, auch wenn es laut Veranstalter das „Härteste Rennen der Welt“ sei.
„So etwas gibt es nur hier, das ist sonst überall verboten“ war ihr Kommentar. Mit Annes Vorschlag, querfeldein zu laufen, konnte ich mich nicht anfreunden. Laut meinem GPS liefen wir sowieso irgendwo im weglosen Nirwana.
Schließlich erreichten wir den Punkt, wo uns zuletzt das blaue Kreuz den Weg wies. Es gab nur noch die Möglichkeit dem breiten Forstweg zu folgen und siehe da, am nächsten Baumstumpf leuchtete wieder das Kreuz mit einem deutlichen Pfeil nach rechts.
Was rechts fehlte war jedoch ein Weg! Sollten wir etwa durchs Unterholz kriechen? Wir entschieden uns nicht Off-Road zugehen, sondern blieben auf dem Forstweg – die richtige Entscheidung! Der Forstweg führte in einen Sattel und dort tauchte auch wieder unsere Markierung auf. Ein Bauer hockte bei seinen Kühen, die hier oben weideten. Ein kurzes Stück hinter dem Bergsattel plätscherte linker Hand eine Quelle aus dem Hang und zwischen den Tannenzweigen zeigten sich kleine grasgedeckte Holzhäuser, die erste Motzensiedlung. Ich kannte diese Dörfer bisher nur aus dem Trascău-Gebirge und war überrascht hier in den Gilău-Bergen auf die typische Architektur der Motzen zu stoßen.
Auf einer kleinen Wiese am Waldrand bauten wir unser Zelt auf, mit Blick auf das Dörfchen.
Kaum hatten wir am Morgen unsere Energieriegel vertilgt, erscholl Motorenlärm aus dem Wald. Frei nach dem Motto: „Heute ärgern wir mal die Dorfbewohner“ bretterten auch schon die ersten Off-Road-Experten über die Wiesen und zwischen den Motzenäusern hindurch, den Berghang hinauf. Wir ließen den ersten Pulk vorbei. Ein Blick nach links und rechts, wie an einer vielbefahrenen Fernverkehrsstraße und schnell über den Forstweg. Am ersten Haus prangte unser Kreuz, dahinter verzweigte sich der Weg. Unten im Tal erkannte ich eine Stange, wir hielten drauf zu. Die Stange gehörte jedoch früher mal einem Heuhaufen, für Wanderer völlig uninteressant, das Kreuz blieb verschollen. Erst ein Bauer, der seine Kuh auf die Wiese trieb zeigte uns die Richtung. Auf einer Off-Road-Piste ging es bergauf, vorbei an verlassenen Gehöften der Bergbauern bis in den Blumengarten der Westkarpaten – Scărița Belioara. Von den Einheimischen einfach nur „Scărița“ genannt.
Ab jetzt wies uns ein roter Punkt den Weiterweg. Ein Weg der am oberen Rand der Scărița Belioara entlangführt, dem Șesul Craiului – dem Königsstuhl. Tief hinunter schweiften unsere Blicke. Die senkrechten grauen Felswände fußten auf saftig grünen Bergwiesen. Leider fing es wieder an zu regnen. Doch die Farbenpracht der Bergblumen konnten die grauen Wolken am Himmel nicht trüben. Blauer Kolbenenzian, gelbe Schlüsselblumen, lila Akelei und Glockenblumen, kleine rote Bergnelken und Knabenkräuter sowie viele Blumen die wir nicht kannten. Bunte Tupfen in einem wild-romantischen Felsenblumengarten. Die Idee im Frühling in den Westkarpaten zu wandern, hatte sich als richtig erwiesen. Anne nahm sich fest vor, auf unserer nächsten Karpatenwanderung ein Bestimmungsbuch mitzunehmen, denn sie war auch von den vielen Kräutern beeindruckt, die hier wuchsen.
Der Regen trieb uns in den Poncho bzw. die Regenjacke. Der Bergpfad mündete in einen Forstweg, der in seiner Beschaffenheit den Off-Road-Pisten in nichts nach stand. Entweder rutschten unsere Füße im lehmgrauen Matsch oder über glattes Geröll. Annes Füße schmerzen und sie hatte Hunger. Ihr Fazit: „Ich brauche nächsten Morgen was Gescheites zu Frühstück, keine Riegel mehr“. Bei mir hielt sich das Hungergefühl in Grenzen, nur der Rucksack drückte auf den Schultern. Wir machten am Dorfrand von Poșaga de Sus Pause und aßen Haselnüsse mit Rosinen. Zwei Quellen sprudelten im Dorf aus dem Berghang, eine fürs Vieh, eine für uns. Leider entdeckten wir nirgends bunte Bierschirmchen. Dafür eine hübsche Wiese mit Picknicktisch in der Cheile Poșegii (Poșaga-Schlucht), unser Biwakplatz für die Nacht war gefunden. Ich baute das Zelt auf, Anne kochte Steinpilzpolenta mit Tofu-Gyros dazu gab es Sprudelbrause mit Rote-Bete-Pulver. Eine Omi trieb ihre Kühe ins Dorf, am Ohr ein Smartphone und da sage noch wer in Rumänien hätte sich nichts verändert…
Ursprünglich war mein Plan von Sălciua de Jos auf dem mit blauem Kreuz markierten Weg bis zur Höhle Huda lui Papară zu wandern, dazu hätten wir aber ein Stück auf der Straße im Arieștal bis zum Dorf trampen müssen. Ein Blick auf die Wanderkarte verriet uns, dass es eine Alternative gab. Von Lunca Arieșului führte ein mit rotem Dreieck markierter Weg am Fuß der Felsen des Bedeleu-Massivs bis zur Höhle. Bis Lunca Arieșului waren es nur 2 km talabwärts auf der Straße, die konnten wir auch laufen.
Doch erst einmal führte uns der nächste Kilometer durch die Poșaga-Schlucht zum Mănăstirea Poșaga (Poșaga-Kloster). Seit 1935 ist der Ort hier heilig. Die Klosterkatze hatte gerade eine Maus beim Wickel und der Mönch machte sich Sorgen, dass wir die Fresken in der 1985 erbauten Holzkirche mit Blitzlichtfotos zerstören könnten. Wir versprachen dem guten Mann nicht zu blitzen. Der Mönch ebenfalls zur Generation der Best Ager gehörend, hat sogar Verwandtschaft in Deutschland, wie er stolz berichtete.
Ein Stück hinter dem Kloster erreichten wir Poșaga de Jos (Unter-Poșaga). Hier gab’s noch eine traditionelle Waschmaschine zu bestaunen. Über einen Holzkanal wird Wasser des Dorfbachs in einen Holzbottich geleitet, in dem sich die Wäsche befindet. Über Lücken im oberen Rand des Bottichs kann das Wasser abfließen. Durch den erzeugten Wasserwirbel schlägt die Wäsche Purzelbäume, wird hin und her geschubst und somit sauber. Anne, als Hobbygärtnerin, interessierte sich auch intensiv für rumänische Vorgärten und was da so angebaut wurde. „Bohnen, Gurken, Mangold, Meerrettich, Rote Melde, Tomaten, Zwiebeln“ zählte sie auf. Ich sah nur zwei Dörfler in gebückter Haltung Unkraut jäten. Das reichte, damit sich meine Begeisterung für Gemüsegärten in Grenzen hielt.
Etwas anderes weckte meine Begeisterung, ein roter Bier-Werbe-Sonnenschirm hinter einem Grundstückszaun – ein Magazin Mixt. Und da Mittag war und Anne eh was Gescheites zum Essen brauchte, kehrten wir ein. Neben leeren Bier- und Schnapsgläsern auf dem Campingtischchen vor dem Laden häuften sich bald Brot, Wurst, Schafskäse, Gurke, Orange, Paprika und Mineralwasser. Annes Schlückchen Kaffee im Plastikbecher war laut Verkäuferin eine große Portion. Wie viel würde man dann normalerweise bekommen? Meine Dose Ciuc-Bier hatte die Standardgröße. Nicht nur wir schlemmten, auch der Hofhund bekam von mir sein Leckerli.
Bald erreichten wir das Tal des Arieș. Auf der rechten Seite der Straße rauschte der Fluss, auf der linken erkannten wir noch die Reste der alten Schmalspurbahn, der Mocănița, die bis 1997 von Turda nach Câmpeni fuhr. Die 2 km erwiesen sich als recht lang, doch endlich kam die Brücke nach Lunca Arieșului in Sicht. Im Dorf hielten wir Ausschau nach dem roten Dreieck. An einem Zaun entdeckten wir das erste Exemplar. Leider an einer Stelle, wo sich die Dorfstraße teilte und uns war nicht klar, welchen Weg wir wählen sollten. Die Antwort eines Bauern auf meine Frage zur Höhle Huda lui Papară half auch nicht wirklich. Wir sollten am besten zurückgehen und versuchen, mit einem Auto bis Sălciua de Jos zu fahren und von dort durchs Dorf zur Höhle zu laufen.
Dass wir über die Berge laufen wollten schien ihm seltsam. Mit dem Arm zeigte er schließlich in eine Richtung, der wir auch folgten. Zweimal mussten wir uns noch durchfragen und zweimal waren die Bauern der Überzeugung, der Weg über Sălciua wäre der bessere. Immerhin sollte es laut Aussagen der Bauern genug Wasser auf dem Weg geben. So blieben wir hart und folgten den roten Dreiecken. Diese führten uns an einen Bergbach, für Anne ein idealer Ort Wäsche zu waschen, ich fügte mich. Während Anne ihr T-Shirt wusch entdeckte sie noch etwas, am Ufer und auf der Wiese am Berghang wuchs Pfefferminze. Ein paar Meter hinter dem Bach sprudelte eine Quelle aus dem Berg, unsere Tea-Party für heute Abend war gesichert. Der Weg führte weiter in einen kleinen Wiesensattel mit einem Panoramablick hinunter ins Arieștal und auf die Berge, die schon hinter uns lagen. Auf der anderen Seite ragten steile Felswände in den Himmel. Es gab gar keine Frage, hier blieben wir. Bei Marokkopfanne mit Aprikosen, Schafskäse und reichlich Pfefferminztee ließen wir den Wandertag ausklingen.
„Heute machen wir mal Strecke“ eröffnete mir Anne für den heutigen Wandertag. Es war 6:45 Uhr. Das Gebrüll eines Rehbocks hatte uns geweckt. Also raus aus den Schlafsäcken, Kaffe gekocht und Müsli gefuttert (es soll ja was Gescheites sein), Zelt abgebaut und den ganzen Krempel in den Rucksack gepackt. Um 8:15 Uhr waren wir in der Spur oder besser auf unserem markierten Weg. Wir liefen meist durch Laubwald, ab und zu machte der Wald einer Wiese Platz und gab die Sicht frei auf das Arieștal. Auf der gegenüberliegenden Wiesenseite folgte meist das Spiel: „Wer findet das rote Dreieck“. Wenn wir es dann an einem der folgenden Bäume leuchten sahen, war das wie ein Hauptgewinn. Gegen Mittag erreichten wir die erste Attraktion am Wegesrand – den Șipote-Wasserfall. Über Travertin-Terrassen plätscherte das Wasser herab. Wir blieben hier eine Weile und der Wasserfall durfte mir Modell stehen.
Oberhalb des Wasserfalls kreuzt sich der mit rotem Kreuz markierte Wanderweg mit unserem. Von Sălciua aus dem Arieștal kommend, führt er hinauf ins Bedeleu-Felsmassiv zur Höhle Poarta Zmeilor – dem Drachenfenster. Von Colțești aus hatte ich mit Hans-Jürgen im Mai 2000 vergeblich den Weg zur Höhle gesucht. Wir folgten damals dem blauen Band, verloren es irgendwo und landeten schließlich in Izvoarele. Nun juckte es mich schon, dem roten Kreuz zu folgen, aber wir würden ohne Gepäck mindestens 4 Stunden hin und zurück benötigen und solange wollte ich die Rucksäcke nicht unbeaufsichtigt stehen lassen. Stimmen drangen herauf, bunte Punkte bewegten sich auf dem Weg von Sălciua in unsere Richtung, wir liefen weiter. Man sollte sich auch fürs nächste Mal was aufheben.
Bald standen wir oberhalb der Senke mit dem neuen Kloster von Sub Piatră. Dahinter erhob sich die Felswand mit der Höhle Huda lui Papară. Zwar spielte das rote Dreieck noch einmal verstecken mit uns, worauf wir uns ein Stück querfeldein durch den Wald mühen mussten, erreichten schließlich doch noch punktgenau Sub Piatră. Die kleine Holzkirche steht noch immer an ihrem Platz, 1993 zwischen Rosenstöcken, heute hinter einer Steinmauer.
Ein Hund lag auf der Straße neben dem neuen Kloster, er beachtete uns nicht. Steil ging es die letzten Meter bis zum Morilor-Bach hinunter, der aus dem wuchtigen Portal der Huda-lui-Papară-Höhle strömte. Ein Rumäne mit seinem Töchterchen ärgerte sich, dass der Zugang zur Höhle verschlossen war. 1993 war das noch nicht der Fall.
Wie eine Infotafel verriet, beherbergt die 5200 m lange Höhle eine der größten Fledermauskolonien Europas und diese stehen unter Naturschutz. Mehrere Fledermausarten sollen hier zusammenleben. Laut Daten aus den letzten 20 Jahren rund 30 – 50000 Langflügelfledermäuse (Miniopterus schreibersii), 17 – 33000 Zwergfledermäuse (Pipistrellus pipistrellus), 5 – 7000 Große Mausohren (Myotis myotis) und Kleine Mausohren (Myotis oxygnathus), 2000 Große Abendsegler (Nyctalus noctula), 300 – 1000 Große Hufeisennasen (Rhinolophus ferrumequinum). Selbst im Winter gibt es hier noch 5000 Große und Kleine Mausohren (Myotis myotis/Myotis oxygnathus), 500 Langflügelfledermäuse (Miniopterus schreibersii) und Mittelmeer-Hufeisennasen (Rhinolophus euryale). Außerdem leben hier die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros), das Braune Langohr (Plecotus auritus) sowie die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus). Während meiner Höhlenbegehung 1993 sind mir keine Fledermäuse begegnet. Ich war damals zwar recht lang im Höhleninnern aber nicht sehr tief. Einen Fächerwasserfall und einen Höhlensee sowie große Mengen Guano (Fledermausdreck), die es auch laut Infotafel geben soll, hatte ich auch nicht gesehen. Und ob ich Gast in der 56x92 m großen und 102 m hohen Wunderhalle war, kann ich auch nicht sagen, es war ja dunkel ;-) In einem Punkt stimmte ich der Tafel zu, die Temperatur in der Höhle soll bis 20 °C betragen, kalt war mir damals nicht. Ob das an der Innentemperatur der Höhle lag oder an meinem Adrenalinspiegel?
Eine wackelige Hängebrücke führte über den Bach zu einem überdachten Picknickplatz. Ich füllte an einer Quelle die Trinkflasche auf, Anne bestrich ihre Zehen mit Kytta-Salbe. In jeglicher Hinsicht frisch gestärkt, konnte es weiter gehen. Weiter hieß in der Praxis, steil bergauf. Unsere Markierung hatte an der Höhle gewechselt, wir folgten wieder einem blauen Kreuz. 1988 lief ich schon einmal in diese Richtung und wie vor 28 Jahren war es auch heute brütend heiß. Ich erinnerte mich an unsere Wanderung durch das Valea Poienii. Der Rucksack (30 Kilo) drückte einen fast ins Erdinnere, die Zunge schleifte am Boden, vor den Augen erschienen Bierfeen, die einen verführen wollten. Wir fragten die Bauern auf ihren Feldern, ob es irgendwo was zu kaufen gäbe. Stolz berichteten sie von ihrem „Magazin Mixt“. Es dauerte noch Stunden, dann endlich erhob sich vor uns ein Gebäude mit der Aufschrift „Magazin Mixt“ innerer Jubel setzte ein, der in einer herben Enttäuschung endete. In dem Laden gab es außer sauer eingelegten grünen Tomaten (die ich Idiot für Pflaumenkompott hielt) und Himbeersirup nichts zum Essen oder Trinken!
Das besagte Magazin Mixt in Brădești gibt es immer noch, nur verkauft wird da nichts mehr. Der kleine Laden ist heute im Nachbargebäude untergebracht. Biersorten aller Couleur leuchteten mir durchs Fenster aus dem Regal entgegen, der Laden selbst war verschlossen!
An einem Misthaufen links, ging es hinab ins Brădeștilor-Tal und in schattigen Laubwald hinein. Kurz vor 18 Uhr lichtete sich der Wald und der Weg führte die letzten Meter hinunter ins Tal. Im Garten eines Bauernhauses am gegenüberliegenden Ufer standen Bienenkörbe aus Lehm. Auf einem halbwegs ebenen Flecken Wiese wollten wir bleiben. Ich hatte das Zelt gerade ausgepackt als vom Grundstück auf der anderen Uferseite ein Typ so Anfang 30 erschien und uns in bestem Englisch erklärte, dass Zelten hier verboten sei. Ein Bauer war der nicht. Angeblich gäbe es in Rumänien ein neues Gesetz, dass wildes Zelten nicht gestatte. „Wo können wir denn zelten?“ fragte ich. Etwa 20 Minuten weiter talab, gäbe es an einer ehemaligen Schule eine Möglichkeit zum Zelten, so der Pseudobauer, Bienenzüchter, Aussteiger was auch immer. Das Land hier hätte ein Deutscher gekauft und wir dürfen hier nicht zelten, erklärte er uns. Aha. Nun war's ein Deutscher. „Warum verkauft ihr euer Land auch an Deutsche?“
„Das ist so'n Alternativer“ meinte Anne. „Der will uns hier nur weg haben!“ So sah ich das auch. Aussteiger, die spießigsten Spießer! Da musste man nicht diskutieren. Wir packten unsere Sachen wieder ein und liefen weiter. Nach einer halben Stunde entdeckten wir rechter Hand eine Hütte. Ob das eine Schule war, konnten wir nicht sagen aber der Platz davor war noch schöner als der vorige – wir blieben. Ein Wegweiser zeigte nach rechts – Cheile Geogelului, 15 min – das klang gut. Die Klamm kannte ich noch nicht. Doch heute wollten wir sie nicht mehr kennenlernen, über 10 Stunden waren wir unterwegs, das reichte. Anne kochte Kartoffelbrei mit Tofu-Gyros, ich kümmerte mich um volle Wasserflaschen.
Obwohl es uns wieder zeitig aus den Schlafsäcken trieb, waren wir nicht die ersten in der Geogelului-Klamm. Ein Mönch und eine Nonne, beide in Gummistiefeln, kamen uns entgegen. Der Mönch hielt eine Plastikflasche mit Milch in der Hand. Der Weg schien auch regelmäßig von Rindviechern benutzt zu werden, was an den Spuren deutlich zu erkennen war. Wir querten drei- oder viermal den Bach. Das Wasser reichte bis zu den Knöcheln. Dann verengte sich das Tal und wir standen in einem Klämmchen von etwa 30 – 40 Meter Länge. Am anderen Ende der Klamm schaute eine Herde Kühe neugierig zu uns herüber. Wir machten nur ein paar Fotos und liefen zurück.
Das Zelt war noch recht feucht, ich stellte es in die Sonne während wir unser Müsli aßen und den Instantkaffe genossen.
Das Zelt war zwar noch nicht trocken, doch wir wollten nicht länger warten, das Highlight unserer Tour wartete – die Cheile Râmețului (Râmețklamm).
Ich war gespannt wie viel Wasser der Geoagiu-Bach führte. Vor 16 Jahren musste ich umkehren, da das Wasser zu hoch stand.
Auf dem Weg zum Eingang der Klamm begegneten wir noch weiteren „Aussteigern“. Das waren also die Alternativen zu den wenigen Bauern, die hier 1993 noch die Sense schwangen. Wobei uns etwas unklar war, von was die Typen lebten. Denn in ihren Gärten hatten sie so gut wie nichts angebaut.
Egal, das Tal verengte sich die Felsen rückten näher. Linker Hand zweigte ein Pfad ab, mit blauem Dreieck markiert, es war die Umgehung der Klamm. Wir wollten aber durchs Wasser!
Es war nicht ganz leicht den Einstieg zu finden, denn ein Erdrutsch hatte ein Stück des Pfades weggerissen. Doch als wir ein paar Meter hinuntergeklettert waren, entdeckten wir unser blaues Kreuz an einem Felsblock auf der anderen Seite des Baches. Die Fototasche, die Hose und die Socken verschwanden im Rucksack. Die Wanderschuhe baumelten draußen dran.
Zuerst testete ich ohne Rucksack die Wassertiefe. Das Wasser reichte mir bis zu den Oberschenkeln. Ich ging zurück holte meinen Rucksack und querte erneut die Stelle. Anne folgte mir. So verfuhren wir auch bei den nächsten Querungen.
Ungefähr in der Schluchtmitte wurde es spannend. Zu beiden Seiten ragten die Felsen senkrecht ins Wasser. An der linken Felswand waren Tritte und Stahlseile angebracht an denen man sich durch den Abschnitt hangeln konnte.
Dumm nur, dass die Klammerschließer offenbar nicht mit kleinen Leuten gerechnet hatten. Ich musste mich schon mächtig strecken, Anne hatte mit ihren 1,56 m keine Chance. Also hieß es wieder ab durchs Wasser. Mit den Stöcken tastete ich den Grund ab. Ein gangbarer Weg führte nahe der linken Felswand entlang. Das Wasser reichte mir hier bis zum Hintern. Setzte ich den Stock zu weit rechts auf, verschwand er komplett. Das Spiel wiederholte sich noch zweimal. Ich ging zurück, holte Annes Rucksack, watete durch den Kanal und setzte ihren Rucksack auf einer kleinen Kiesbank ab. Dann folgte Anne ohne Rucksack. Sie verschwand bis zum Bauch im Wasser. Zuletzt holte ich meinen Rucksack.
Sich in der Art vorwärts arbeitend, erreichten wir die Schlüsselstelle der Klamm. Ein Felsbrocken lag auf der rechten Bachseite im Wasser, links davon zwängte sich der Bach in einem kleinen Wasserfall durch die Engstelle. Passieren konnten wir die Stelle nur durch einen schmalen Spalt zwischen Felsbrocken und Klammwand auf der rechten Seite.
1993 blieb ich mit meinem Rucksack im Spalt stecken, 2016 blieb ich wieder mit meinem Rucksack im Spalt stecken. Ich zog und zuckelte am Rucksack, das Teil rutschte mir vom Rücken und blieb am Ellenbogen hängen. Ein Trekkingstock rutschte mir aus der Hand und landete im Bach unter dem kleinen Wasserfall, wo er in einer Walze lustige Drehungen vollzog. Zum Glück kamen aus der anderen Richtung ein paar Tagesausflügler die Klamm herauf. Eine Frau fischte meinen Stock aus dem Wasser und der Mann hielt den Rucksack, so dass ich ihn wieder auf den Rücken wuchten konnte. Anne schlüpfte ohne Probleme durch den Felsspalt. Manchmal hat es auch Vorteile klein zu sein, dachte ich mir.
Ab jetzt brauchten wir nicht mehr durchs Wasser. Seile in der richtigen Höhe machten das Kraxeln einfach. Vor einem mächtigen Felstor durch das sich der Bach zwängte, flogen die Rucksäcke von den Schultern – Mittagspause.
Wir hatten es geschafft, den Rest der Klamm durchquerten wir trockenen Fußes, an den Seilen hangelnd und über eiserne Tritte balancierend. Jetzt freute ich mich auf ein ordentliches Essen in der Cabana Râmeț. 1988 war es die einzige Berghütte auf unserer Wanderung, in der wir etwas zu Essen bekamen (Brathähnchen). 2016 bekamen wir nichts!
Mit starrer Mine und recht dünnlippig erklärte uns die Dame hinter der Kiosktheke im Eingangsbereich, dass das Gebäude nun dem Kloster Râmeț gehöre. Wir konnten einen Kaffee und ein Bier kaufen, das war’s dann aber auch. Warum das Haus auf meiner Wanderkarte immer noch als „Cabana“ verzeichnet war, blieb mir ein Rätsel.
Auf eine Klosterbesichtigung hatte Anne keine Lust mehr. Immerhin mussten wir ein Stück zurücklaufen, um auf den Abzweig nach Tecșești zu gelangen. Laut Karte führt ein Weg mit gelbem Kreuz in das Bergdorf. Im Klostertal reihte sich Wochenendhaus an Wochenendhaus. An einer heiligen Quelle, ein Kruzifix und ein Bild der Jungfrau Maria wachten über dem Wasserrohr, füllte Anne noch mal ihre Trinkflasche auf, denn ob wir an unserem Biwakplatz Wasser haben würden, war nicht sicher.
Am Abzweig nach Tecșești rannten wir erst einmal vorbei, da es keinen Hinweis gab. Doch ein Opa mit Zwirbelbart wies uns den rechten Weg. Steil ging es bergauf. Anne hüpfte vorneweg, ich mühte mich schwitzend, keuchend und jammernd hinterher. Also wenn ich nach der Tour wieder bei meinen 80 Kilo wäre, mochte die Schinderei einen Sinn haben, dachte ich mir.
Der Anstieg endete auf einem Bergkamm mit Sicht auf die Wiesen von Tecșești mit hübschen grasgedeckten Häuschen der Motzen. Hinter den grünen Hügeln am Horizont lugte bereits unser morgiges Ziel hervor, die Felsen Piatra Cetii.
Das erste Hindernis am nächsten Morgen, welches sich uns in den Weg stellte, war ein Elektrozaun – auch etwas Neues in Rumänien. Der Weg führte über eine Wiese hinunter ins Dorf. Wie vermutet, gab es gestern an unserem Biwakplatz kein Wasser, nun brauchten wir es nötig. Vom Hang sprudelte zwar ein Bächlein herab aber keine Quelle. „Apă, aveți?“ fragte ich einen Mann der in seinem Gemüsegarten werkelte. Er zeigte zu einer Viehtränke hinter dem Gartenzaun. Wir konnten unsere Flaschen füllen. Dann zeigte er auf die Wiese am Hang gegenüber und sagte: „Narcis“. Leider waren schon viele Blumen verblüht, dafür waren wir rund zwei Wochen zu spät unterwegs. Doch die noch blühenden Narzissen beeindruckten uns trotzdem. Anfang Mai würde der ganze Berghang ein weißes Kleid tragen.
Auf dem nächsten Grundstück an dem wir vorbeikamen qualmte es. „Der brennt Schnaps“ bemerkte Anne. Tatsächlich, unter einem Vordach stand der schon rußgeschwärzte Kupferkassel über dem Feuer.
Ich brauchte meine Frage nach Wasser nur etwas abändern und rief: „Palinka, aveți?“ Der Mann kam zu uns an den Zaun, in den Händen je ein 100-g-Glas voll Zwetschgenbrand. Und da Mann und Frau bekanntlich nicht auf einem Bein stehen konnten, gab’s noch ein Glas! Hm, wir wollten noch auf den Cetii-Felsen hoch. „Nur langsam“ meinte die Frau des Bauern. Wir verabschiedeten uns von den Beiden. In meinem Rucksack steckte ein halber Liter Palinka.
Der Aufstieg zum Hauptgipfel der Piatra Cetii (1233 m) ist steil und anstrengend. Oben angekommen, hatten unsere Körper sämtlichen Alkohol schon wieder abgebaut. Auch hier blühten Narzissen und ein Naturschacht (Avenul din Piatra Cetii) fällt fast 70 m senkrecht in die Tiefe. Der Abstieg vom Gipfel schien dem Naturschacht nachzueifern – steil, steiler, am steilsten. Zwischen Kalkgeröll blühten dunkelviolette Lilien. Doch auch der steilste Abstieg hat irgendwann ein Ende, weiter ging es durch lichten Mischwald stetig leicht bergab. Einige der Bäume ähnelten Tolkiens Ents im „Herrn der Ringe“.
Wir wollten bis zum Dorf Cetea. Der Weg auf dem wir liefen, wurde auf meinem GPS als Straße geführt. Nun, mit viel Phantasie oder Alkohol im Kopf war es auch eine Straße. Als sich der Wald lichtete strahlten uns weiße Felsen in der Nachmittagssonne an. Sie gehörten der Cheile Cetii und am Fuß der Schlucht fanden wir einen hübschen Biwakplatz. Ein Problem, es gab kaum Trinkwasser, nur eine spärlich tröpfelnde Quelle am Wegesrand. Aber in Anne erwachte die Handwerkerin, mit einem Segment meines Kamerastativs baute sie eine kleine Rohrleitung aus der bald ein kleiner Wasserstrahl plätscherte.
Ein Wegweiser mit der Aufschrift „Băile Romane“ (römisches Bad) zeigte auf den Pfad der sich am Bach entlang stromauf schlängelte. Ein paar Minuten nur und wir standen vor einem Wasserfall, der sich aus einer Felsspalte ergoss. Im Wasserfall führte eine Metalleiter hinauf, die am Ende von einem Stahlseil abgelöst wurde – eine Art Klettersteig für Schluchtengeher.
Das Wasser hatte einen wannenartigen Gumpen in den Fels gewaschen – eine Naturbadewanne. Und was tut man in einer Badewanne? Auch wenn wir keine Römer waren, wir genossen gleich mal ein Bad vor dem Abendessen.
Morgen würden wir das Trascău-Gebirge verlassen unser abschließender Wellnessaufenthalt wartete. Zur Feier des Tages gab es die Reste unserer Wandernahrung oder vornehmer ausgedrückt, ein Mehrgangmenü bestehend aus: Kaffee, Nudelsuppe mit getrockneten und gefundenen Zwiebeln, Marokkopfanne mit Ingwer und Olivenöl sowie Pfefferminztee.
Anne nahm noch einmal ein Bad in der Cetii-Schlucht, dann verließen wir die Berge. Die Sonne brannte wieder und über den Bergen türmten sich Gewitterwolken auf. Bis zum Dorf war es nicht weit. Das Angebot in den Läden war dürftig. Um 13 Uhr sollte ein Bus nach Alba Iulia (Karlsburg) fahren, doch so lange wollten wir nicht warten.
Kurz hinter Cetea hielt ein Opa, 82 Jahre alt, mit einem vierjährigen Auto. Mit rumänischer Folklore aus dem Radio brachte er uns bis Galda de Jos. Vom Bahnhof des Nachbardorfes Coșlariu Nou könnten wir mit der Bahn fahren, außerdem gab es im Ort einen Mini Market und ein Restaurant.
Auch in Galda war uns das Tramperglück hold, auf dem Weg zum Bahnhof hielt ein Typ der bis Alba Iulia fuhr. Aus den Gewitterwolken hatte sich eine handfeste dunkelblaue Schlechtwetterfront entwickelt, auf die wir nun geradewegs zufuhren. Unser Fahrer war etwas irritiert, da wir nicht genau wussten, wo er uns absetzten sollte. Schließlich brachte er uns ins kulturelle Zentrum von Alba Iulia, die „Cetate“ (Burg). Kaum standen wir draußen, fielen schon die ersten Regentropfen und Blitze zuckten über den städtischen Kulturbauten. In der Hoffnung es würde nur ein kurzer Gewitterschauer, hockten wir uns unter dem Dach des Nationalmuseums auf eine Bank. Doch aus dem Gewitter entwickelte sich Dauerregen, wir gingen zum Bahnhof. Ein Zug nach Orăștie fuhr in zwei Stunden, immerhin gab es ein paar Meter weiter unten ein Schnellrestaurant.
Schnell war unser Zug dagegen nicht. Der Regionalzug nach Deva kam zwar pünktlich, bummelte aber 1 ½ Stunden bis Orăștie. Wir hätten schon eine Station früher aussteigen können, an der Halta Geoagiu. Leider hatten wir es zu spät bemerkt. Der Bahnhof Orăștie war an Trostlosigkeit kaum noch zu überbieten. (Na ja, vielleicht noch von Copșa Mică.)
Das Gebäude wurde nur noch vom Putz gehalten. In einem Baucontainer, der als Kneipe diente, hockten die Kampftrinker bei ihren Halben und auf dem Vorplatz verdeckten die Regenpfützen zumindest die Schlaglöcher. Ein Stadtbus fuhr früher mal von hier ins Zentrum, heute fuhr gar nichts. Nicht mal die Taxifahrer auf der Straße hielten an. Wir machten uns im Regen zu Fuß auf in Richtung Stadt, ich hoffte dort ein Taxi zu bekommen, dass uns nach Geoagiu Băi bringen würde.
Anne hatte eine bessere Idee, als eine Tankstelle in Sicht kam. „Die können uns doch ein Taxi rufen.“ Die Dame in der Tankstelle rief tatsächlich drei verschiedene Nummern an. Wir sollten 5 Minuten warten, dann würde ein Taxi kommen. Etwa 15 Minuten später standen wir zwischen dem Hotel Diana (3 Sterne) und Germisara (4 Sterne) im Thermalbad Geoagiu Băi. Beide Bauten rochen noch nach Sozialismus, wir wählten 4 Sterne. Das Doppelzimmer kostete 210 Lei (rund 47 EUR) da wir noch Vorsaison hatten. Das wichtigste Kriterium bevor wir buchten: gab es ein Thermalbad im Haus? Es gab eins!
Den angenehmen Teil des Tages legten wir auf den Nachmittag. Nach einem ordentlichen Frühstück hieß es sich erst mal bewegen. Ein Schild mit der Aufschrift „Grota Haiducilor“ (Räuberhöhle) machte uns neugierig. Die Realität war jedoch ernüchternd, nur ein kleines Loch im Fels, in dem sich kein Räuber für längere Zeit wohl fühlen dürfte. Querfeldein durch den Wald ging es zurück ins Dorf und nach einem Kaffee zur nächsten Attraktion dem Clocota-Wasserfall. Der Wasserfall erinnerte ein wenig an den Șipote-Wasserfall auf unserer Wanderung im Bedeleu-Massiv. Auch hier sprudelte das Wasser über Travertin-Terrassen den Hang hinunter. Ich machte ein paar Fotos und überlegte, ob es eine Möglichkeit gäbe auf die andere Seite des Wasserfalls zu gelangen. Rechts neben dem Wasserfall führte ein schmaler Pfad steil den Hang hinauf. Wir probierten es. Doch der Pfad hatte es in sich. Unsere Trekkingstöcke lagen im Hotelzimmer und ohne Stock schafften wir es schier nicht den Hang hinauf. Ein kurzer Holzknüppel half ein wenig den halsbrecherischen Abhang zu erklimmen, um sich anschließend im Garten eines Privatgrundstücks wiederzufinden. Mein schlechtes Gewissen meldete sich, doch Anne wollte auf keinen Fall den Hang wieder runterklettern. Sie kletterte über den Zaun in den Vorgarten und weil die Eingangstüre verschlossen war, von da über den nächsten Zaun auf die Straße. Ich folgte ihr hastig, immer in der Hoffnung wir würden in Sicherheit sein bevor der Hofhund anschlug. Meine Hose hatte an diesem Vormittag mehr abbekommen als auf der gesamten Tour vorher. Nachdem wir den Hausfriedensbruch heil überstanden hatten, war nun wirklich Wellness angesagt.
Das Wasser im Becken war warm, laut Info 34 bis 36 °C. Es enthielt Bikarbonat, Kalzium, Magnesium und war radioaktiv. Hm? Es half angeblich gegen alles Mögliche, nur durfte man nicht länger als 40 Minuten drin bleiben. Der Wasserstrahl aus den Düsen in der Beckenwand massierte den Buckel. Wir blieben länger, immerhin kostete es nix :-)
Mit dem Wetter hatten wir auch am nächsten Tag Glück. Vormittags bei Sonnenschein einen ausgedehnten Waldspaziergang, nachmittags bei Regen Wellness. Die Tour neigte sich ihrem Ende entgegen, morgen würde uns Răzvan abholen und wir werden zusammen nach Deva fahren. Dort dann das übliche Programm: auf dem Markt Tomaten, Brot und Schafskäse kaufen, im Kiosk Bier und Mineralwasser. Und ich bekam 5 Bildbände als Belegexemplare von der National Geographic Romania über den Retezat-Nationalpark. KGB (Können, Glück und Beziehungen) hatten mir dazu verholfen :-) Auch Deva hatte sich verändert, die Burg wurde restauriert, es gibt gepflegte Grünanlagen und Radwege! Das Grizzly-Restaurant gegenüber vom Bahnhof ist wirklich zu empfehlen. Anne, meiner Wanderpartnerin gefiel die Wanderwellness-Tour sehr und ich hoffe es war nicht die letzte gemeinsame Wanderung in den Karpaten. Unser Nachtzug nach Wien kam pünktlich.
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