Unsere Bleibe für eine Woche im Slowakischen Paradies ist die Pension „Ranč“ in Podlesok. Die Unterkunft ist nicht nur eine sehr gute Adresse für Wanderer, auch Familien mit kleinen Kindern sind hier gern gesehen. Die Zimmer sind schön, das Essen schmeckte uns sehr gut, der Blick auf die drei Tatras ist überwältigend und von hier sind alle Schluchten im Nordteil des Nationalparks Slovenský raj erwanderbar.
Ein Blick aus dem Schlafzimmerfenster treibt auch den größten Morgenmuffel aus dem Bett. Unter strahlend blauem Himmel reihen sich von links nach rechts die Westliche Tatra, die Hohe Tatra und die Beler Tatra am Horizont auf.
Doch nicht wegen des höchsten Teils der Karpaten sind wir gekommen, uns interessieren die Schluchten des Slowakischen Paradieses.
Unser erstes Ziel nennt sich Prielom Hornádu - der Hernaddurchbruch.
In Hrdlo Hornádu, der Hornád-Verengung (528 m hoch), beginnt der 9 km lange Durchbruch des Flusses durch den Kalksein des Slowakischen Paradieses. (Foto: H. Riedel)
Nach ruhigen, gemütlichen Plätzen zum Pausieren müssen wir nicht lang suchen. Nur manchmal hätten die Slowaken schon etwas mehr auf Komfort bei den Sitzgelegenheiten achten können ;-)
Die schwierigsten Abschnitte des Hornád-Durchbruchs sind nur mit Hilfe von Steighilfen und Ketten begehbar.
Die technischen Hilfsmittel wie Leitern, Stufen und Stege dienen aber auch dem Schutz empfindlicher Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Trampelpfade durch Wanderer werden so vermieden.
Vom Hornád-Durchbruch lohnt sich ein Abstecher nach Kláštorisko durch die wilde Schlucht Kláštorská roklina (Klosterschlucht) mit ihren vielen Wasserfällen. Die kurze steile Klosterschlucht überwindet auf nur 1,5 km 224 Höhenmeter.
Zurück im Hornád-Durchbruch, geht es über die Hängebrücke Lanová lávka auf der Nordseite weiter.
Seit Herbst 1974 ist der gesamte Hornád-Durchbruch begehbar. Auf dem sogenanten „Pfad des Bergrettungsdienstes“ (chodník Horskej služby) wurden 7 Metallbrücken und -stege, 140 Trittstufen, 333 m Ketten und 70 m Holzstege verbaut.
Am Zusammenfluss des Hornád-Flusses und des Bachs Biely potok erhebt sich das Felsmassiv Tomášovský výhľad (Tomsdorfer Aussicht). Das 200 m lange und bis zu 32 m hohe Kalkmassiv ist der meistbesuchte Aussichtsfelsen im Nationalpark Slowakisches Paradies. (Foto: H. Riedel)
Der senkrechte teils überhängende Felsen ist der einzige Kletterfelsen im Nationalpark. Von hier sieht man hinunter in den Hornád-Durchbruch, zur gegenüberliegenden Čertova sihoť („Des Teufels Weiler“) bis hin zur Hohen Tatra.
Versteckt hinter Baumwipfeln liegen ein Stück weiter östlich zwei weitere Felsformationen - Ihla („Die Nadel“) und Kazateľnica („Die Kanzel“).
Die sonnigen Südhänge des Ihrík bilden die wärmste Region des Slowakischen Paradieses. Hier leben eine Reihe seltener und vom Aussterben bedrohter Pflanzen- und Tierarten.
Pulsatilla slavica - Slawische Kuhschelle heißt die Blume, von den Einheimischen auch Slowakische Anemone genannt. Es ist die Symbolpflanze des Nationalparks Slowakisches Paradies. Nur hier an den Südhängen des Ihrík-Massivs zwischen den Kalkfelsen über dem Hornád-Fluss wächst die Pflanze.
Zu den interessantesten Karsterscheinungen gehören Höhlen und Schächte. Mehr als 400 Höhlen und Schächte gibt es im Slowakischen Paradies, einige davon auch im Hornád-Durchbruch. Ein 24 m tiefer Schacht ist die Gackova diera (Schachtloch) in der Ihrík-Region. Der Schacht endet als Loch in der Felswand über dem Hornád.
Am nächsten Tag nehmen wir uns die am häufigsten besuchte Schlucht im Slowakischen Paradies vor - Suchá Belá (Trockene Weißwasserschlucht). Die Schlucht erhielt diesen Namen, da das Wasser in ihrem oberen Teil oft unterirdisch fließt.
Die erste Komplettdurchquerung der knapp 4 km langen Schlucht erfolgte 1910. 409 Höhenmeter werden in der Schlucht überwunden.
Die erste Schluchtenwanderung bis zu den Wasserfällen Misové vodopády erfolgte bereits im Jahre 1900. Seit 1957 gibt es technische Hilfsmittel, um eine sichere Durchquerung der Schlucht zu gewährleisten.
Die Misové vodopády (Schüsselwasserfälle) sind mit 29,5 m die höchsten in der Schlucht.
Oberhalb der Schüsselwasserfälle rücken die Felsen dichter zusammen. Roklina - Kluft wird der Abschnitt genannt.
Noch hat sich der Winter aus der Schlucht nicht komplett zurückgezogen. Eisreste kleben an den Felswänden.
Bei Nässe ist auf den „Hühnerleitern“ Vorsicht geboten.
Den Rückweg wählen wir durch die Schlucht Malý Kyseľ (Kleiner Kißel). Auf 3,5 km überwindet man in der Schlucht 371 Höhenmeter.
Im August 1907 wurde die Kyseľ-Schlucht zum ersten Mal auf ihrer ganzen Länge durchquert. Heute gehört sie aufgrund der seltenen Tiere und Pflanzen, die hier leben, zum Naturreservat Kyseľ.
Senkrecht geht es am Malý vodopád (Kleiner Wasserfall) hinunter.
Oberhalb des Karolinyho vodopád (Karolinyi-Wasserfall), dem Treffpunkt der Schluchten Malý Kyseľ und Veľký Kyseľ, rauscht das Wasser durch die Kyseľ-Schlucht zu Tal. Leider ist die Schlucht nur noch bis an den oberen Rand des Obrovský vodopád (Riesenwasserfall) begehbar. Aus Sicherheitsgründen wurde der untere Teil bis zur Mündung nach einem Waldbrand, der u.a. die Steighilfen zerstörte, im Jahre 1976 für Wanderer gesperrt.
Die Schlucht Veľký Sokol (Große Falkenschlucht) ist die längste und wildeste Schlucht im Slowakischen Paradies. Wir wählten sie an unserem 3. Wandertag.
Wir treffen auf den ersten großen Wasserfall in der Schlucht, den 8,5 m hohen Wasserfall Malý vodopád (Kleiner Wasserfall).
Im Gegensatz zu dem kurz darauf folgenden Wasserfall Veľký vodopád (Großer Wasserfall) ist der Kleine 1,5 m höher.
1956 wurden von Mitgliedern der Bergwacht Stahlleitern angebracht, die die alten Holzleitern von früher ersetzten.
Wie kleine Hängegletscher fallen Eisreste an den Felswänden hinunter. Im Winter sind die gefrorenen Wasserfälle ein beliebtes Revier für Eiskletterer.
Die Schlucht wird zusehends wilder und enger. (Foto: H. Riedel)
Den letzten Schluchtabschnitt bildet die Klamm Róthova roklina (Martin-Roth-Klamm). Sie wurde nach dem Erstbegeher Martin Roth benannt, der die Schlucht im August 1898 durchquerte.
Nur einen Monat nach der Erstbegehung fertigte der Kunstfotograf V. Forberger die ersten Fotos aus einer Schlucht im Slowakischen Paradies an. Auch diese Schlucht steht unter strengem Naturschutz.
Auf 6 km überwinden wir eine Höhe von 289 m.
Fast alle Schluchten sind nur in einer Richtung begehbar, sonst würden sich an den Engstellen wie Leitern oder Tritte Staus bilden und so die Sicherheit der Wanderer gefährden.
Da wir die Einzigen in der Schlucht waren und unsere Pensionswirtin uns die Tour so empfahl, wagten wir einen Abstieg in die Schlucht Veľký Kyseľ (Großer Kißel).
Unser nächstes Ziel, die Schlucht Roklina Piecky (Kleine Öfenklamm) führt über das Bergdorf Píla.
Auch wenn das Dorf insgesamt einen eher touristischen Eindruck hinterlässt, gibt es doch auch ein paar hübsche Holzhäuser zu sehen.
Die Roklina Piecky liegt zwischen den Schluchten Suchá Belá und Veľký Sokol und wurde vom Piľanka-Bach geschaffen, der hier den Wasserfall Veľký vodopád (Großer Wasserfall, 13 m) bildet.
Über Leitern und Trittstufen geht es den 8 m hohen Wasserfall Terasový vodopád (Terrassenwasserfall) hinauf. Die 4 km lange Schlucht wurde erst 1911 von Alexander Mervay erstbegangen.
Insgesamt müssen wir einen Höhenunterschied von 378 m überwinden. (Foto: H. Riedel)
Unsere tägliche Zuflucht - die chata Kláštorisko auf der gleichnamigen Hochebene, 744 m hoch gelegen.
Wir genehmigen uns eine Krautsuppe und ein Goldfasanenbier, bevor es zurück nach Podlesok geht.
Von den Zipsern „Zufluchtsstein“ genannt, bot die Hochebene den Bewohnern der Zips im Mittelalter Schutz vor den einfallenden Mongolen. Als Dank wurde 1305 eine Kartause gebaut. An das Kloster erinnern heute noch Ruinen.
Vom Hang der Čertova sihoť schaut man hinunter auf die Zipser Ebene bis zu den Bergen der Hohen Tatra.
Zurück nach Podlesok gehen wir wieder hoch über dem Hornád-Durchbruch.
Auf dem Weg zu unserer letzten Schlucht geht es ein Stück durch das Tal des Baches Biely potok (Tomsdorfer Weißwasserbach).
Die Schlucht Sokolia dolina (Falkental) ist die steilste Schlucht im Slowakischen Paradies. Auf nur 2,5 km müssen 430 Höhenmeter überwunden werden. Der erste Wasserfall, Skalný vodopád misst nur 3,5 m.
Doch im Wasserfall Závojový vodopád (Schleierwasserfall) stürzt das Wasser 75 m in die Tiefe. Es ist der höchste Wasserfall im Slowakischen Paradies.
Ein Schild am Schluchteingang mahnt zu „erhöhene Vorsicht“.
... vielleicht wegen der vertrauenserweckenden Kettensicherungen am Schleierwasserfall?
Der Schleierwasserfall wurde 1979 - 1981 mit einem 80 m hohen System aus Leitern, Brücken und Trittstufen begehbar gemacht.
Am 15,5 m hohen Vyšný vodopád geht es noch mal über „Hühnerleitern“, dann haben wir die Schlucht bald durchstiegen. (Foto: H. Riedel)