home - Komm mit - 1988 - Wegweiser in fünf Richtungen
jedes Wort alle Wörter Suchwort markieren
drucken

Wegweiser in fünf Richtungen

Poiana Mărului – Ausgangspunkt für Bergwanderungen zum Muntele Mic, auf den Ţarcu, zu den Banater Meeraugen Iezere, zu den Quellen der Cerna und zu einer Tour hinüber ins Retezat

von Dipl. Ing. Mircea Pătrăşescu

Per Zug bis Karansebesch und von da mit dem Bus bis hinauf nach Poiana Mărului – Banater Rucksacktouristen reisen immer öfter auf diesem Weg an und nehmen den Luftkurort in 650 Meter Seehöhe zum Ausgangspunkt für Bergtouren. Das hat sich allmählich herumgesprochen, seit es das Asphaltband nach Poiana Mărului und dort das große Berghotel „Scorilo“ gibt.
Allerdings hatte auch die Anreise mit der kleinen Waldbahn einst ihren besonderen Reiz, ältere Berghasen wissen das; doch so manchen wird das gelegentliche ewiglange Warten auf den Schmalspurzug in alptraumhafter Erinnerung sein. War man dann aber oben, so war man bereits für jedwede Mühe entlohnt. Und das war schon vor hundert Jahren so, will man einem alten Reiseführer durchs Banat Glauben schenken. Der lobt zwar die Vorzüge und Schönheiten vieler Sehenswerter Orte, fügt aber hinzu: „Doch wir sind überzeugt, dass Pojana Mörul mehr wert ist als alle anderen.“
Das ist viel gesagt, und gemeint war die herrliche Lage, eine Senke in der Banater Bergwelt, gemeint war auch die gastfreundliche Aufnahme und Unterbringung und manches andere mehr. Und manches davon lässt sich sehr wohl auch auf den Luftkurort von heute beziehen. Wir wollen uns hier aber in erster Linie einem anderen Vorzug widmen, nämlich seiner idealen Lage als Ausgangspunkt zu Wanderungen in fünf Richtungen hin: zum Bergkomplex Muntele Mic, hinauf auf den Ţarcu und Gugu, dann zu den nahegelegenen Meeraugen Iezere, die wir im Komm mit '87 beschrieben haben, dann ins wunderschöne Quellgebiet der Cerna und schließlich zur längsten aber vielleicht schönsten Tour – hinüber ins Retezat-Gebirge.
Und doch, wir wollen den Luftkurort selbst nicht ganz außer acht lassen, und wir möchten unsere Leser auf die Komm-mit-Ausgabe von vor genau zehn Jahren verweisen, in der Franz Engelmann Poiana Mărului als eine Perle des Banater Tourismus vorgestellt hat: „Ohne dem Semenik und seinen ‚Satelliten’, dem Bersautal, Steierdorf, Orawitza und dem ganzen Banater Karst mit seinen Schluchten und Höhlen den Rang streitig machen zu wollen, muss man sagen, es hat es in sich, dieses kleine Poiana Mărului, rund sechshundertfünfzig Meter hoch mitten in der schönsten Senke des Banater Hochgebirges gelegen“. Es hat es in sich – das ist ein Wort eines guten Bergkenners.
Man kann hier also einige geruhsame Tage verbringen, das Tal der Bistra Mărului bietet viele schöne Plätze und Reiseziele, in einer knappen halben Stunde kann man in jede Himmelsrichtung hin auf eine Höhe gelangen und den Fernblick genießen. Und nicht zuletzt hat ja auch der „Scorilo“-Touristenkomplex mit seinem Schwimmbecken so einiges zu bieten. Wer aber kein erprobter Bergwanderer ist, kann sich durch kleine Ausflüge in die nahe Umgebung – etwa zu den Iezere-Seen – auf einen längeren Marsch einstimmen und trimmen. Auf einige Trassen soll hier hingewiesen werden; wir möchten jedoch gleich im Voraus sagen, dass die längeren ohne Wanderkarte nicht angegangen werden sollen.

Zum Muntele Mic und auf den Ţarcu

Brechen wir also auf zu unserer ersten Tour, auf den Muntele Mic, dem herrlichen Wanderziel im Sommer und Skiparadies der Banater im Winter und das weit bis in das Frühjahr hinein. Der leichteste Anstieg von Poiana Mărului aus führt durch das Tal des Baches Sucu – Olteana, eines linken Zuflusses der Bistra Mărului. Etwa fünf Stunden Weg sind zu gewärtigen. Auf der Forststraße geht es zunächst vorbei am Jagdhaus, das Sucu-Tal ist hier eng. Nach einer knappen Stunde sind wir an den Staus und kleinen Wasserfällen des Baches mitten im Wald. Nach einem weiteren etwa drei Kilometer langen Wegstück gelangen wir an einen großen und meist ergiebigen Himbeerplatz, gut zu wissen vor allem für jene, die mit Kindern unterwegs sind und hier eine kleine „süße“ Rast einlegen wollen. Aber auch Sportangler können hier auf ihre Rechnung kommen, im Bach gibt es Forellen.
Macht man einen kleinen Abstecher zu den nahen Schäferhütten, so kann man die süße „urdă“ oder frischen Käse probieren und sich auch für den Weg eindecken. Wieder nach rund vier Kilometern Forstweg durchs Sucu- und dann durchs Vâlsan-Tal sind wir bereits auf tausend Meter Höhe gelangt, und bis zu den Schutzhütten des Muntele Mic in 1500 Meter Höhe gelangt man im leichten Anstieg durch den Wald.
Oben auf der Hochebene am Waldrand angelangt, biegen wir rechts ein und sind in einer Stunde bei den Schutzhütten. Biegt man am Scheideweg aber links ab, so gelangt man nach etwa drei Stunden gutem Marsch zu den Wetterstationen auf dem Ţarcu (2186 m) oder auf dem Cuntu (1440 m). Ist man mit einer größeren Gruppe unterwegs, so kommt man ohne Zelte nicht aus, da die Wetterstationen auch im Notfall nur wenige aufnehmen können.
Ein zweiter, kürzerer Anstieg auf den Muntele Mic führt von Poiana Mărului aus auf der Straße durchs Tal des Scorilo-Baches. Wer gut per Fuß ist und den schwierigeren Waldpfad nicht scheut, schafft die Trasse in knapp drei Stunden. Ein dritter Weg aber – wahrscheinlich der schönste – führt über die Culmea Băboi zwischen Sucu- und Scorilo-Bach. Am Waldrand oben sind Sennhütten, und ein kurzes Wegstück weiter gelangen wir zum Scorilo-Felsen, dem legendären Sitz des Dakergottes Zamolxes. Dieser wunderschöne Abschnitt der Trasse kann auch als ein selbststehendes Reiseziel jedem angeraten werden, der seinen Urlaubssitz für einige Zeit in Poiana Mărului gewählt hat.

Hinüber in den Retezat

Von Poiana Mărului aus gibt es drei Trassen, die hinüber ins Nachbargebirge, ins Retezat-Massiv führen, genauer: zum Stausee Gura Apei, der seinerseits als Ausgangspunkt zu mehreren Retezat-Touren genommen werden kann. Die drei Wege begegnen sich schließlich auf der Şeaua Iepei, wo auch eine vierte Variante einmündet, nämlich die Route vom Muntele Mic aus über Cuntu, Ţarcu, Căleanu (2190 m), Mătania (2160 m) und Baicu (2119 m). Von der Şeaua Iepei geht es dann über das „Grenzland“ zwischen dem Banater Gebirge und dem Retezat, das ist die so ungewöhnliche Landschaft des Râul Şes, und dann den Corciova-Bach hinunter zum Stausee Gura Apei.

Die drei Poiana Mărului – Şeaua Iepei-Varianten:

1. Entlang den Forellenzuchtbecken am Ortsausgang geht es drei Kilometer den alten Waldbahndamm durchs Bistra-Tal entlang. Nach weiteren drei Kilometern sind wir an der Einmündung des Bloju-Baches; von da an folgen wir der Forststraße und nach etwa sechs Kilometern gelangen wir an die Waldgrenze. Die zwölf Kilometer vom Ausgangspunkt bis hierher sind in drei, vier Stunden zu bewältigen. (Gelegentlich kommt ein Fahrzeug vorbei, und man tut gut daran aufzusteigen, will man noch bei Tageslicht mühelos zum Stausee im Retezat gelangen.) Die Forststraße führt bis etwa in 1300 Meter Höhe, und in einer halben oder dreiviertel Stunde sind wir oben auf dem „Stutensattel“, der Şeaua Iepei.

2. Hat eine Gruppe ein Pferd oder einen Esel als Gepäckträger gemietet, so empfiehlt sich eine andere Anstiegsvariante: von Poiana Mărului aus der anderen Trasse der ehemaligen Waldbahn entlang durchs Peceneaga-Tal. Auf dem Wegabschnitt bis zur ersten Schäferhütte – etwa zwei Stunden – gibt es bloß zwei steile Stellen. Im Gebiet unter dem Bloju-Gipfel (2165 m) ist es angeraten, uns ruhig zu verhalten, denn mit einigem Glück könnten wir hier schon mal einen Auerhahn zu Gesicht und vor die Linse bekommen. Vom Bloju kann man einen kurzen Abstecher zum Vârful Pietrei (2190 m) und zum Nichişul-See machen. Wieder zurück, steigen wir zur Şeaua Iepei ab, in etwa zwei Stunden sind wir dort. Dieser Abschnitt bietet einen schönen Ausblick auf die Bergkulisse im Quellgebiet der Bistra, auf die Nedeia (1939 m) und den Parângul (2007 m).

3. Ein dritter Weg führt vom Südostausgang des Luftkurortes am Quellbrunnen vorbei und stracks nach Süden über die Poiana Nedeii, wo es mehrere Schäferhütten gibt, und dann zum Nedeia-Berg (1937 m) oder unterhalb dieses Berges entlang in östlicher Richtung zum Baicu und von da zu Şeaua Iepei.

Für alle drei Anstiegsvarianten wie auch für die, die vom Muntele Mic über den Ţarcu bis zu dieser Stelle gekommen sind, gilt: sich nicht ohne Zelt auf den Weg machen und nicht später als vier Stunden vor Einbruch der Dunkelheit den Abstieg von der Şeaua Iepei zum Râul Şes – mit dem Ziel Gura Apei im Auge – anzutreten, denn stellenweise ist der Pfad nur schwer sichtbar, bei Dunkelheit aber mit Sicherheit nicht mehr auszumachen. Der beste Weg führt am linken Ufer des Corciova-Baches entlang zum Stausee. Wer von diesem Endziel der Trassen aus dann keine Retezat-Tour mehr unternehmen will, steigt in nördlicher Richtung nach Gura Zlata ab.

Ins Cerna-Tal

Will man von Poiana Mărului ins herrliche Quellgebiet der Cerna gelangen, so stehen zwei Wege – zwei lange Wege – zur Wahl: Über den Muntele Mic, Ţarcu und Godeanu hinüber ins Cerna-Tal oder aber man wählt eine der vorhin beschriebenen Trassen nach Gura Apei im Retezat und tritt von dort eine Nord-Süd-Überquerung an: über den Borăscu (2167 m), zwischen dem Vârful Galben (2194 m) und dem Sturul (214? m) und dann das Girdomanul-Tal hinunter zu den Cerna-Quellen. Von da gelangt man talabwärts zum Cerna-Stau, dann in die malerische Gorcoaia-Klamm, und dann sind es nur noch 35 Kilometer bis Herkulesbad.
Beide Wege erfordern ein Minimum von drei Tagen, ohne Zeltausrüstung aber sind sie nicht zu schaffen. Sie zählen jedenfalls zum schönsten, was das Banater Hochgebirge – im Besonderen aber die mit dem angrenzenden Westteil des Retezat gekoppelte Trasse – zu bieten hat. Es sind Wege, die nur selten begangen werden, insbesondere der Abschnitt zwischen dem Ţarcu und dem Godeanu ist sozusagen von Touristen unbegangenes Land, obschon es zum alten Hirtenweg in den Karpaten zählt. Hier trifft man die Sennhütten der Schafhirten aus drei geografischen Räumen an: aus dem Banat, aus dem Hatzeger Land und aus Oltenien, und bei jedem finden sich kulinarische Köstlichkeiten anderer Art. Es ist das Land der tausende Jahre alten Transhumanz und es ist ein Land der Begegnung der Hirten aus entfernten Gegenden. Für manchen Wanderer könnte es ein Land der Entdeckungen werden. Und es wäre nicht das einzige in den Gegenden, die hier in äußerster Knappheit skizziert wurden.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 88, S. 157 – 161)

Seite Bildunterschrift
 
159-ol Eine der schönen alten Holzhütten auf dem Muntele Mic.
159-or Allen Ansprüchen des Komforts versucht der „Scorilo“-Komplex zu genügen.
nach oben nach oben