Wandern zu den nahezu unbekannten Gletscherseen an der Bistra, knapp vor dem Eisernen Tor Siebenbürgens
von Mircea Pătrăşescu
Auch gute Kenner des Banater Berglandes, ja selbst eingefleischte Bergwanderer zucken oft nur mit der Schulter, fragt man sie nach den „Iezerele Bistrei“. Gletscherseen im Banat? Noch nie was von diesen Meeraugen gehört! Ein Stück Bergwelt, unbekannt, unbegangen, dem Hochgebirge ebenbürtig an Schönheit, dem benachbarten Retezat etwa, den man von oben, vom Vârful Pietrii – noch auf Banater Boden –, als beeindruckende Bergkulisse vor sich hat. Wildzerklüftet die Landschaft, Gämsen – und dann die Meeraugen!
Allerdings zehn Stunden Marsch auf Schusters Rappen kostet dieser Anblick, der sich nur
wenigen Wanderern bislang eröffnet hat, so abseits liegt dieser Raum im Ţarcu-Gebirge, hart
an der Grenze des Banats; unser Ausgangsort Bucova ist nur wenige Kilometer vom
Eisernen Tor Siebenbürgens entfernt. Im „Preis“ sind jedoch auch die ungezählten übrigen
Wanderfreuden inbegriffen, die jeder kennt, der noch auf Wanderstiefel, Rucksack und Zelt
schwört oder ein Übernachten im Heu einer Scheune oder in einer Sennhütte als Erlebnis
empfindet. Vornehmlich jenen sei dieser Wandertipp gegeben.
Der „Preis“ aber kann noch erheblich gesenkt werden – und jetzt wende ich mich an jene
Gruppe von Bergfreunden, die rascher ans Ziel gelangen wollen –, und zwar, wenn man
bequem nach Poiana Mărului reist, dort im neuen hochmodernen Berghotel mit allem
Komfort übernachtet und dann ausgeruht einen Spaziergang zu den Gletscherseen machen
will. Drei Stunden Weg sind es bis hin, ein Tagesausflug also, der sich auch mit kleineren
Kindern unternehmen lässt.
Für die Geher schlagen wir aber den Anmarsch ab Bucova vor. 145 Autokilometer von
Temeswar, 45 von Karansebesch entfernt liegt dieser Ort. Wer mit dem Zug anreist, muss in
Băuţari – der Endstation – aussteigen und erst mal fünf Kilometer bis Bucova zurücklegen.
Übers Wochenende ist die Tour zu den Gletscherseen allerdings auf diese Weise – d.h.
ohne Wagen – nur schwer zu schaffen, zwei volle Tage aber reichen schon aus, und drei –
das wäre ideal.
Zweckdienliche Hinweise über den Weg hinauf zu den Seen sind von den Bewohnern in
Bucova zu erhalten, am besten aber lässt man sich im Forsthaus, zwei Kilometer vom Dorf
entfernt, wo der Lupului-Bach in die Bistra Bucovei mündet, beraten. Zwei Trassen gibt es:
die eine – die schönere sagen wir – führt durchs Tal des Lupului-Baches, die zweite entlang
der Bistra. Die zweite ist etwas bequemer zu schaffen, für die erste sind Gummistiefel
anzuraten, da der Bach mehrmals durchquert werden muss.
ZUR TRASSE NUMMER EINS: Von Bucova zum Forsthaus, wo der Anstieg auf eine Pfad
entlang des Lupului-Baches beginnt. Nach einer guten Stunde führt er vom Tal aus links
hinauf zu den Sennhütten auf dem Gropanu. Bereits nach einer Viertelstunde sind wir an der
ersten Schäferhütte, nach einer Stunde an der zweiten, knapp unter dem Gipfel des Gropan,
1672 Meter hoch. In der Nähe gibt es auch eine geräumige Hütte der Landwirtschaftlichen
Versuchstation Lowrin, und wer spät am Abend und ohne Zelt ankommt, bleibt nicht draußen
vor der Tür.
Der Anstieg über den Gropanu lohnt sich allein schon der Aussicht wegen, die man von hier
aus hat, doch vielleicht auch schon des Schafkäses wegen, der hier direkt an der „Quelle“ zu
haben ist. Vom Gropanu folgt der Pfad der Höhenlinie, er führt durch junge
Nadelholzpflanzungen; doch nach einer Stunde – wir befinden uns auf der Lolaia-Höhe
(1850 m) – ist der Weg von Latschen und Wacholderbüschen überwuchert, und wir steigen
besser ins Bistra-Tal zum Forsthaus hinab. Das ist auch der Berührungspunkt unseres
Weges mit der TRASSE NUMMER ZWEI, die vom Försterhaus unten bei Bucova immer den
Pferdewagenweg die Bistra entlang heraufführt, Dauer: drei bis vier Stunden je nach der
Gangart. Sie ist leichter zu bewältigen, doch die grandiose Berglandschaft, die wir vom
Gropanu gesehen haben, die fällt da weg – alles hat seinen Preis!
Das Forsthaus bietet Unterkunftsmöglichkeiten, wenn’s sein muss denn bis zu den Seen
sind es noch etwa fünf Stunden. (Wer also in Bucova übernachtet hat und am Abend wieder
im Dorf sein will, muss sich spätestens fünf Uhr früh auf die Socken machen.) Ein Kilometer
vom Forsthaus entfernt gelangen wir an den alten Marmorsteinbruch, dessen Sägen einst
vom Wasser der Bistra betrieben wurden, der kleine Staudamm ist immer noch zu sehen.
Auf einem schmalen Pfad der Versorgungspferde geht es zwei knappe Stunden lang bergan
bis zur letzten Hütte auf unserem Weg, der Baracke der Waldpflanzer-Brigade. Von hier an
weiter heißt die Gegend schon „Iezer“. Das Wegstück bis hinauf zu den Meeraugen erfordert
genauestes Hinsehen! Nach einigen hundert Meter nämlich gibt es den Pfad nicht mehr – wir
befinden uns bereits in dem Stück Banater Bergwelt, das bislang sozusagen unberührt blieb.
Wir halten uns links den Hang entlang, im Tal gibt es kein Durchkommen mehr, kleine
Wasserfälle und andere Hindernisse versperren den Weg. Wir umgehen oben am
Bergrücken das Waldstück, das einem Brand zum Opfer gefallen ist, und nach einer Stunde
Weg verlassen wir die Nadelholzzone und gelangen wieder ins Reich der Latschen und der
Wacholderbüsche. Wir umgehen die „grünen Wände“ immer links. Dann kommen große
Felsmassen in Sicht, und wenn man sich still verhält, kann man auch Gruppen von Gämsen
beobachten.
Fast unvermutet rasch sind wir auf dem Südkamm angelangt, und: Vor uns eröffnet sich ein
Bergwunder, eine Landschaft, wie sie wohl keiner im Banater Bergland vermutet! Ein
riesiges Gletschertal liegt vor uns wie ein Amphitheater, und mittendrin der erste, der große
See – Iezerul Mare. Und nach nur wenigen Minuten Weg der zweite, der kleinere
Gletschersee. Nur wenige Menschen haben diese Landschaft gesehen, das zeigen schon
die Mühen, einen Weg hin zu finden, an.
Unweit der Seen ist der Pietrii-Gipfel (2192 m), er scheidet drei Quellgebiete: das der Bistra
Bucovei, entlang der wir gekommen sind, das des Pietrele Baches, der hinüber in Richtung
Retezat fließt und in den Râul Mare mündet, und das der Bistra Mărului, deren Quellbäche
Peceneaga und Poiana Mărului hier entspringen. Blickt man vom Vârful Pietrii nach Osten,
so hat man die beeindruckenden Bergwände des Retezat im Blickfeld, im Süden aber,
jenseits des Râu Şes, den Gugu mit seinen 2291 Metern.
Wollen wir zu unserem Ausgangsort Bucova zurück, wo wir den Wagen abgestellt haben, so
folgen wir dem Herweg oder ab dem Forsthaus im Bistra-Tal der anderen Trasse. Wir
können aber in drei Stunden, immer dem Peceneaga-Bach folgend, drüben im Berghotel
Poiana Mărului sein, und von dort dann in Ruhe die Heimreise antreten.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 56 – 60)
Seite | Bildunterschrift |
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56 | Nur wenigen Menschen begegneten wir. Im Bild: Forstarbeiter mit ihren Pferden. |
58 | Eine Landschaft wie im Retezat – Im Vordergrund einer der beiden Gletscherseen im Quellgebiet der Bistra. |
59 | Kartenskizze |
60 | Das Forsthaus im Bistra-Tal. |