Sommerwanderung durch die „Karasch-Severiner Alpen“
von Eduard Hegyesi
Es muss nicht immer das Fogarascher Gebirge oder das Bucegi-Massiv sein. Auch das Banater Bergland hat seine Reize. Wir hatten es während der Sommerferien zwei Wochen lang durchwandert und dabei erlebnisreiche und erholsame Urlaubstage verbracht. Nun standen wir wieder in Karansebesch, dem Ausgangspunkt unseres Ausflugs, hatten noch vier Urlaubstage vor uns und überlegten: Die Heimreise antreten oder ein anderes Wanderziel in der nächsten Umgebung anpeilen. Eventuell ins Ţarcu- und Godeanu-Massiv, unter Kennern auch „Karasch-Severiner Alpen“ genannt. Rasch wurde die Wanderkarte hervorgeholt, und schon nach einigen Minuten stand es fest: Auf zum Ţarcu. Die Zeit reicht aus!
Wir verlassen Karansebesch in Richtung Borlova, dem eigentlichen Ausgangspunkt unserer
dreitägigen Bergwanderung. Die Gemeinde liegt am Fuße des Muntele Mic, einem der
Etappenziele vor dem Anstieg auf Cuntu und Ţarcu. Von einem einheimischen Bergführer
erfahren wir, dass es zwei Weg-Varianten zum Muntele Mic gibt: Die erste dauert 3 – 4
Stunden (Markierung rotes Band), führt einen Bach entlang über die Anhöhen Culmea
Ursului, Cucuiul lui Mateş, durchs Rugului-Tal und endlosen Serpentinen auf den Kamm und
schließlich zur Poiana Voinii, von wo es nur noch 45 Minuten Wanderung bis zur Schutzhütte
sind.
Wir wählen die 2. Variante. Sie soll schöner sein. Anfangs folgen wir dem Weg zur Talstation
des Sessellifts (man kann auch mit Kabeltransportmittel auf den Muntele Mic). Auf Asphalt
geht es den Sebeşul Mare (zuerst am linken, dann am rechten Ufer) aufwärts durch eine
bezaubernde Waldlandschaft. Hinter der Baumschule des Forstdistrikts folgt wieder eine
Brücke, oberhalb der zwei Bäche zusammenfließen (Pârâul Soarelui und Cuntul-Bach).
Dann mündet die Straße in einen Parkplatz vor der Sessellift-Talstation. Für uns kommt das
Kabeltransportmittel nicht in Frage. Wir wollen wandern, die Landschaft genießen.
Schließlich sind es bloß 3 Stunden bis zur Schutzhütte. Zügig schreiten wir bergan, den
Bach entlang und darauf 20 – 30 Minuten auf einem Forstweg. Dann folgt eine scharfe
Linkskurve. Wer nicht auf den Muntele Mic will, kann hier abzweigen und zum Cuntu und
zum Ţarcu wandern. Der Pfad ist ziemlich ausgetreten, geht zuerst an einer aufgelassenen,
später an einer bewohnten Sennhütte vorbei und trifft auf den Karrenweg, der vom Muntele
Mic kommt und zur Cuntu-Zuflucht führt.
Wieder auf dem Forstweg. Der Weg schlängelt sich in Serpentinen durch Wiesen und
Mischwald bergan. Nachdem der Forstweg auf den Karrenweg zum Cuntu trifft, geht es
sanfter bergan. Auf dem Kamm kann man das Sonnental und den Ţarcu bewundern und in
der Ferne den Sessellift ausmachen. Bald stoßen wir auf die Markierung Rotes Band, die
durch einen Buchenwald führt und den Weg zwischen Muntele Mic und Cuntu weist. Aus
dem Wald heraus erblicken wir einen kleinen Sattel mit einer Sennhütte und geradeaus die
Hochweide. Der Forstweg steigt jetzt steiler an, erklimmt den letzten Kamm und dann stehen
auch schon die Schutzhütten des Muntele Mic vor uns. Hier wird übernachtet.
Da wir am nächsten Tag zum Cuntu und Ţarcu und zu den Gletscherseen in der Căldarea
Oboroacelor aufsteigen wollen, uns eine anstrengende 10- bis 11stündige Wanderung
bevorsteht, heißt es rechtzeitig in die Federn.
In den frühesten Morgenstunden brechen wir auf. Vorher befolgen wir aber den Rat des
Hüttenwarts und decken uns mit ausreichendem Trinkwasser ein. Die Trasse führt auf dem
am Vortag beschrittenen Weg zurück (Markierung rotes Band) bis zur Stelle, wo sich die
Wanderpfade scheiden. (Parallel mit dem roten Band verläuft auch die Markierung blaues
Band, die später nach Poiana Mărului führt) 2 bis 2 ½ Stunden sind es bis zur Cuntu-Hütte.
Wir befinden uns auf der Wasserscheide des Sebeşul Mare und der Olteana, dem
Kammweg zwischen Muntele Mic und Ţarcu. Nachdem wir schon die tags zuvor gesehenen
Schafställe hinter uns lassen, tritt eine rundliche Anhöhe, der Jigora (1467 m), in
Erscheinung, die rechts umgangen wird. Es geht am Rande eines Buchenwaldes entlang
und nach einem etwas steilen Abstieg direkt gegen Süden der Seroni-Spitze zu (1399 m).
Dann wenden wir uns, dem Pfad folgend, gegen Südwesten und steigen sanft die Hänge des
Cuntu an. Teils durch Wald, teils über Wiesen geht’s zügig vorwärts bis zur Wetterwarte
(1440 m) und zur Cuntu-Hütte. An der Quelle und dem kleinen See wird ausgiebig gerastet
und gegessen und der zweistündige Anstieg zum Ţarcu, der sich majestätisch vor uns
erhebt, vorbereitet.
Frohen Mutes wandern wir auf dem markierten Pfad (es ist der kürzere Weg), folgen also der
Westroute – linker Hand das tief eingeschnittene Olteana-Tal und die malerischen
Gletschervertiefungen unterhalb des Ţarcu. Plötzlich, am Rande einer solchen steil
abfallenden Vertiefung, gabelt sich unser markierter Pfad. Beide Wege sind mit rotem Band
markiert und treffen sich in der Şaua Plaiului, dem Almsattel, wieder. Nun muss man sich
entscheiden: bergan über den Gipfel, oder zu den Gletscherkesseln und von dort wieder zum
Sattel. Vorzuziehen ist die erste Variante, der wir auch folgen. Die Kessel bleiben links
zurück. Noch ein Blick auf die Wetterwarte unter dem Ţarcu und dann stehen wir auf dem
2186 m hohen Gipfel.
Es war eine anstrengende Tour. Doch der Ausblick auf die majestätische Bergwelt lässt bald
alle Strapazen vergessen: Im Nordwesten der Muntele Mic, im Norden die Brusturele-Spitze
(2102 m), gegen Nordosten der Căleanu (2190 m) und gegen Osten das Godeanu-Massiv
mit (von links nach rechts) Gugu (2290 m), Moraru (2284 m) und Godeanu (2230 m). Dann
schweift der Blick gen Süden ins Temesch-Tal, und bei klarer Sicht kann man auch das
Semenik-Gebirge erspähen. Unvergesslich, weil einmalig, der Blick hinunter in die Căldarea
Oboroacelor mit dem Gletschersee des Ţarcu, der von steilen Wänden und aus dem Geröll
herausragenden Felsen umgeben ist.
Die Zeit drängt, wir müssen allmählich den Rückweg antreten. Die Markierung auf dem
Kamm ist an vereinzelten Felsen zu erkennen. Wir durchqueren den Sattel unter der Ţarcu-
Spitze, lassen die Bodea-Anhöhe zurück und treffen bald im Almsattel auf die andere
Markierung. Sie führt über den Baicu (2119 m), die Şaua Iepei (1721 m) zu Gura Apei, wo
ein großes Wasserkraftwerk bald Energie liefern wird (siehe auch „Komm mit '85“) und nach
Gura Zlata. Wir folgen dem markierten Pfad (Rückwärtsrichtung) durch den Gletscherkessel.
(Wenn man nicht in Zeitnot und noch bei Kräften ist, kann man auch den Căleanu besteigen;
er ist, obwohl ohne Pfad und Markierung, in einer Dreiviertelstunde erreichbar.) Es geht
immer tiefer in den Kessel hinunter, an einem Felsen, den Frost und Hitze bis in seine Basis
gespalten haben, vorbei bis in den Kesselgrund. Wer Lust hat, kann nach links einen
Abstecher zum Ţarcu-Gletschersee machen. Der Anstieg aus dem Kessel geht an
wildzerklüfteten Felsen und teils überhängenden Felswänden entlang. Dann queren wir eine
Terrasse, einen kleinen Bach und sind bald oben, wo wir unschwer den Weg wiederfinden,
auf dem wir hergewandert sind.
Für den dritten und letzten Tag in den „Karasch-Severiner Alpen“ stehen zwei Varianten zur
Wahl. Sie sind zeitlich mit der Stunde der Heimreise verbunden. Entschließt man sich für den
Sessellift, um wieder nach Borlova zu gelangen, kann als Variante A noch eine Wanderung
zum Muntele-Mic-Gipfel unternommen werden. An- und Abstieg dauern keine drei Stunden.
Der Weg führt an einer Holzkirche vorbei, dann in Richtung Kreuz, und bald steht man auf
dem Gipfel. Er ist eine schöne Aussichtswarte auf den Semenik und die Gozna, sowie auf
das Poiana-Ruscăi-Gebirge und in die Poiana-Mărului-Senke. Aus bewaldeten Hügeln ragt
der Ţarcu hervor.
In die Schutzhütte zurückgekehrt, werden die Rucksäcke gesattelt und per Sessellift die
Heimreise angetreten. Wer aber noch einen Nachmittag zur Verfügung hat, kann den
Wandertag auf der Variante B fortsetzen und nach Poiana Mărului absteigen. (Markierung
blaues Band, Wegdauer 3 – 4 Stunden.)
Von der Schutzhütte biegt man links ab und steigt leicht bergan. Der Pfad verliert sich oft
zwischen den Gräsern der üppigen Wiese (die Markierung ist zuverlässig) und führt
nordöstlich auf einen breiten flachen Höhenzug, der bald leicht abzusteigen beginnt. Links
bleibt der Muntele Mic zurück, rechts erscheint das Scorilo-Tal. Bald stehen wir vor einer
felsigen Anhöhe, die von Wacholdergebüsch und zaghaften Jungtannen bewachsen ist. Es
ist die Piatra Scorilei (1716 m), von wo gegen Nordosten die touristischen Anlagen von
Poiana Mărului ausmachbar sind. Der Markierung nach geht’s jetzt nach rechts und durch
eine Fichtenschonung abwärts in die Poiana Borobaţiei. Hier bietet sich eine schöne
Aussicht auf den Ţarcu und die Piatra Scorilei. Nach kurzer Rast geht es weiter sanft bergab
an der Westseite der Erhebung entlang in einen Wald. Der Pfad führt etwa 50 m unter dem
Kamm entlang und umgeht zahlreiche Felsblöcke bis zur Cioaca lui Băloi (1106 m). In
scharfen Serpentinen geht’s dann abwärts, am rechten Hang des Scorilo-Tals in einen
Forstweg, der beim Hotel Scorilo von Poiana Mărului endet. Von hier kann man nach Oţelu
Roşu oder Karansebesch gelangen, oder in die Gegenrichtung, nach Haţeg, dem Tor zum
Retezat.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 170 – 174)
Seite | Bildunterschrift |
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170 | Winteridyll unterm Semenik. |
173 | Kartenskizze |