Banater Bergwanderungen zu Urgroßvaters Zeiten
von Franz Engelmann
Jetzt, da Sie, lieber Leser, die neue Ausgabe unseres Reisebuches in der Hand haben, sind
Sie vielleicht versucht, mal in den Bücherschrank zu greifen und sich „Nummer eins“, also
„Komm mit 1970“ herauszuangeln. Dort finden Sie dann auf Seite 190 einen Beitrag über
den 1892 in Temeswar gegründeten „Banater Karpatenverein“ und den drei Jahre später von
diesem Verband herausgegebenen „Wegweiser“. Es ist ein ergötzliches Lesen, welche
„Fingerzeige“ damals dem Bergwanderer für das Verhalten während seiner Touren und für
die notwendige „Reisezurüstung“ gegeben wird. Der Titel der kleinen Betrachtung sagt
eigentlich schon genug: „Mit Schlafhemd und Insektenpulver“!
Wenn sich aber damals der Autor ausschließlich auf dieses zweifellos interessante und wie
gesagt vor allem ergötzliche Kapitel dieses ersten umfassenden Banater Reiseführers
beschränkte, so haben wir diesmal für Sie ein paar Abschnitte „herausgelesen“, die sich auf
die zwei heute bekanntesten und beliebtesten Wintersport- und Bergwandergebiete, den
Semenik und den Muntele Mic, beziehen. Das heißt, auf den Muntele Mic recht wenig, denn
der war für den Verfasser des Reisebuchs noch eine ziemlich unbedeutende Größe, dafür
aber... doch davon später.
Wir glauben, Ihnen auch diesmal wieder ergötzlichen Lesestoff zu bieten. Ergötzlich vor
allem schon durch die Art, wie der Autor bemüht war, die natürlich damals wie heute fast
durchwegs rumänische Toponymie (geografische Namensgebung) des Banater Berglands
unter Zuhilfenahme der verschiedensten orthographischen Formen für die der rumänischen
Sprache nicht Mächtigen lesbar zu machen, und dabei oft recht ulkig daneben hieb. Denn –
wer würde schon in „Valyuga“ das heute so bekannte „Văliug“, in „Mörul“ aber „Mărul“ (als
Ortsname) vermuten oder etwa das Wort „Szárkó“ so lesen, wie es tatsächlich heißt –
„Ţarcu“ nämlich.
Interessanter wohl ist das Stückchen Banater Geschichte, das uns hier vermittelt wird. Nicht
nur die Art, wie man hier zu Urgroßvaters Zeiten reiste und wanderte, als es weder
Asphaltstraßen noch Sessellifte gab, ebenso wenig wie gastliche Schutzhütten oder
Berghotels, wird vor uns lebendig, sondern wir erfahren auch allerhand über die Wirtschaft
und über die Lebensweise der Menschen des Banater Berglands vor fast neunzig Jahren.
Also zuerst der Ausflug auf den „Munte Szemenik“: In gemächlichem Aufstieg erreicht man
den „ersten Rastort der Höhe Prislop. Hier ist das Maschinenhaus der Drahtseilbahn“, für
den Holztransport allerdings, nicht für die Beförderung von Menschen. Und bald erreicht man
Gărâna, das damals noch nicht im Entferntesten davon träumte, einmal Luftkurort zu werden
und noch ausschließlich Bergbauern- und Waldarbeiterdorf war: „Im Tale unterhalb
Wolfsberg ist die Ladestation der Drahtseilbahn. Hierher münden die Holzkanäle von den
umgebenden Höhen. Das herabstürzende Wasser wirft die herabgeführten Scheite in ein
wirres Durcheinander. Hier gibt es auch eine Menge Kohlenbrennerein...“
Nach beiläufig zwei Stunden gelangte man dann „auf den vielgenannten Munte, dessen
vornehmste Spitze, der Munte vorzugweise, der Szemenik ist“. Auf der zwei Meter höheren
„Pietra Gozna... die eine prächtige Aussicht bietet“, hält man Mittagsrast und trinkt zu den
„mitgebrachten Esswaren“ von dem „...eiskalten Wasser des sogenannten Adlerbades. Dies
befindet sich in einem Tal des Pietra Nedej, welcher Berg die dritte Spitze des Munte ist. Das
Wasser des Adlerbades zeigt auch im Hochsommer nie eine höhere Temperatur als 6,8 ° R“.
Dem Adlerbad schreiben die „rumänischen Bewohner der nahen und fernen Dörfer“
wunderbare Heilkraft zu: „Sie sagen, man müsse siebenmal darin untertauchen, dass das
Wasser seine Heilkraft entwickeln könne. Auf diesen Höhen weht immer ein scharfer Wind,
der sehr oft orkanartig wird; doch hindert das das gläubige Volk nicht, es badet 7 Mal und
nach jedem Bade wärmt es sich mit großen Pelzen.“
Der Abstieg erfolgt über die „Klause“: „Nach beiläufig einer Stunde haben wir die Klause
erreicht, welche ein großes Wasserbecken ist, das das zur Schwemme nötige Wasser
enthält... Erstaunt sieht man die ungehäuere Kraft des Wassers bei der Eröffnung der
Schleusen. Wie ein gewaltiger Wasserfall braust die Wassermasse reißend hinab, hebt das
Holz vorerst einer Flaumfeder gleich in die Höhe, reißt dann die Haufen auseinander und
führt die einzelnen Scheite pfeilschnell zu Hunderttausenden in die Tiefe hinab.“ Geblieben
ist davon bis heute die „Villa Klaus“, die damals schon als funkelnagelneues Haus dastand.
Dafür aber befinden sich im Lauf der Bersau heute gleich drei gewaltige „Klausen“, die hinter
ihren mächtigen Betonmauern das Vieltausendfache dessen stauen, was damals als
„mächtige Wasserfälle“ bezeichnet wurde.
Weiter gelangte man zu der kleinen Siedlung „Josefstal“ – sie liegt heute auf dem Seegrund,
knapp unterhalb des gegenwärtigen Schutzhütten- und Berghotelkomplexes Crivaia – und
konnte sich im Gasthaus „Zum letzten Groschen“ laben, wenn man es nicht vorzog, gleich
bis zum damaligen Franzdorf – „Die Rumänen nennen den Flecken Valyuga“ – zu gehen, wo
einem dreistimmiger Gesang entgegenschallt: „Die Burschen und Mädchen des Dorfes
gehen Arm in Arm in breiten Reihen die Gassen auf und ab und singen deutsche und
rumänische Weisen.“
Und nun auf in die „Banater Alpen“, das Ţarcu-Massiv. Gemäß der Beschreibung des
„Wegweisers“ müssen sie buchstäblich der Inbegriff des Hochgebirges sein, denn „...selbst
auf den der Sonne ausgesetzten Seiten gibt es oft noch im Juli Schnee“ – was zwar stimmen
mag, jedoch so, wie es hier im Kontext steht, geradezu furchteinflößend übertrieben
erscheint. Dementsprechend sind auch die Ausflugsvorbereitungen, die in heutiger Sicht fast
an eine Himalaya-Expedition erinnern: „Bei gesellschaftlichen Ausflügen sind auf einen
Touristen ein Reitpferd, ein Saumtier und ein Führer zu rechnen“ (!). Die Führer dingt man
sich in „Mörul“ (Mărul) und empfohlen wird vor allem der alte Todor, der „Alpenkönig“, der
allerdings nur rumänisch spreche, während Michael Joanescu – wir dürfen annehmen, dass
er Mihai Ionescu hieß – auch deutsch sprach. Von hier geht’s per Wagen nach „Pojana
Mörul“ – Poiana Mărului –, dem eigentlichen Aufstiegsort. Karansebesch schien
diesbezüglich noch keine besondere Bedeutung zuzukommen, denn nur nebenbei wird
bemerkt, dass der Ţarcu auch von dort aus zu erreichen ist.
Im Übrigen werden ganz andere, heute kaum begangene Wege empfohlen, etwa über die
„Pojana Nedeja ins Tal Korcsova“, das „Sukutal“ oder der „Aufstieg auf den Zanoga“. Nur
nebenbei und als letztes wird auch der Aufstieg auf den „Munte Micu“ – an der „Petra
Scorila“ vorbei – empfohlen: „Die Gegend bietet jedoch nichts Besonderes...“
Und zum Schluss noch zwei kleine Leseproben. Im Abschnitt über den Aufstieg auf den Nedeia-Kamm heißt es: „Auf den weniger abschüssigen (Almwiesen) sind Stinas, aus welche uns wütiges Hundegebell entgegenschallt. Den uns entgegenrennenden Hund können die Hirten kaum zurückhalten. Unsere Führer und wir selber kommen ihnen mit Steinwürfen zuhülfe. Ringsumher weiden zahlreiche Schafherden. Die Hirten grüßen recht manierlich, antworten bereitwillig auf unsere Fragen und weisen uns zurecht (!?)... Diese armen Leute hüten während der ganzen Jahreszeit um den Dinglohn von 20 – 22 fl. und Kleidung die Schafe und Pferde auf dem Gebirge und trotzen den Unbilden der Witterung... Ende Juni 1894 erfror ein Hirte während eines Schneesturmes.“ Und schließlich die Aussicht vom „Szárkó“, dem „Schneeberg par excellenze““: „...Östlich liegt der Munte Gugu, ostnördlich der Branul, nordöstlich der Verfu Nevoja, Verfu Paicu und Verfu Petri. Hinter diesem erscheint in der Ferne der Retyezat... Von Westen schlängelt sich die Orsovaer Landstraße... heran. In der Nähe sehen wir Borlova, Karansebes... In weiter Ferne endlich erscheint die Szemenikgruppe...“
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 80, S. 178 – 182)
Seite | Bildunterschrift |
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179 | Hochwald auf dem Weg zum Muntele Mic. |
181 | Poiana Mărului – heute. |