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Mit Schlafhemd und Insektenpulver

von Georg Hromadka

Am 13. März 1892 konstituierte sich im Ratssaal des Temesvarer Stadthauses der Banater Karpatenverein. Im Gründungsjahr zählte der Verein 217 Mitglieder. Rund ein Viertel der Mitglieder waren Orawitzaer. Ein Jahr darauf gehörten schon 338 Personen dem BKV an. Der Verein entfaltete eine rege Tätigkeit. Er baute Wege, errichtete Aussichtstürme, machte Höhlen und Grotten zugänglich, veranstaltete regelmäßig Ausflüge ins Banater Bergland. Wenn der Verein in der kurzen Zeit seines Bestands nicht mehr getan hätte, als 1895 den „Wegweiser“ herauszugeben, wäre das schon eine schöne Leistung. Mit staunenerregender Gründlichkeit und Anschaulichkeit werden im „Wegweiser“ des BKV die hauptsächlichen touristischen Routen im Gebiet der Klissura (Donauenge), im Karstgebiet um Orawitza, Saska, Steierdorf-Anina und Reschitza, im Gebiet des Semenik, der Poiana Ruscăi und im Karpatenmassiv Țarcu beschrieben. Dem „wegweisenden“ Teil sind „allgemeine Fingerzeige für die Touristen“ vorangestellt. Ein Kapitel der „Fingerzeige“ ist den Gesundheitsmaßregeln, dem Gepäck und der „Reisezurüstung“ des Ausflüglers gewidmet.
Dem Touristen wird geraten, nur wenig Gepäck mit sich zu nehmen (besonders bei Fußreisen), denn „dasselbe macht das Reisen um vieles kostspieliger, und außerdem ist es höchst unangenehm, ja widerwärtig, fortwährend auf dasselbe achtzuhaben oder sich damit abzuschleppen“.
Für eine kürzere Tour (vier bis fünf Tage), heißt es, brauche man „zwei bis drei Paar Wäsche“ und für jeden Tag ein Paar Strümpfe. Man benötige starke Schuhe, einen Filzhut, einen nicht allzu leichten Anzug und einen wärmeren Überzieher. „In seinen Rucksack gebe man ein Waschbesteck, eine wohlversehene Taschenapotheke mit einer Gebrauchsanweisung, ein Schlafhemd, die noch ungebrauchte Wäsche und ein Paar leichte Schuhe. Man führe noch mit sich: ein Trinkgefäß, ein starkes, mit einem Pfropfenzieher versehenes Messer, ein Fernrohr, Insektenpulver, einen Bergstock für felsige Touren, einen leichten, aber starken Spazierstock für andere Touren, der oben eine Krümmung hat und am unteren Ende mit einem eisernen Nagel versehen ist, einen kleinen Kompass, Feuerzeug, Landkarten und das gegenwärtige Büchlein; endlich auch etwas zum Beißen (Brot, Speck, kalten Braten) und einige Schluck Branntwein.“
Ungläubig schütteln wir den Kopf, wenn wir gleich anschließend lesen: „Dies alles geht in einen Rucksack, welchen wir bei Fußtouren leicht mittragen können.“
Weiter heißt es in den „Fingerzeigen“: „Für eine längere Reise braucht man natürlich mehr Wäsche. Sollte man im Freien lagern, so braucht man nachts einen Pelz oder eine Kotze (grober ärmelloser Umhang) zum Unterbett, desgleichen zur Bedeckung; man setze überdies eine warmhaltende Mütze auf.“ Es wird geraten, Geschirr, Töpfe und Esswaren zum Kochen mitzuführen. Auch Wein oder Branntwein solle man bei sich haben. „Ohne Silvorium (Pflaumenschnaps) oder Kognak sei man nie“, lautet der Rat, mit dem man auch als moderner Tourist einverstanden sein kann...
Bei längeren Ausflügen wurden damals weit häufiger als heute Saumtiere benutzt: die kräftigen „Munte-Pferdchen“ des Banater Berglands. Darauf bezieht sich die Mahnung, ja nicht zu vergessen, „starke Schnüre mitzunehmen, mit denen man das Gepäck am Sattel befestigt“. Da man auf einer längeren Reise damit rechnen musste, auch im Freien zu übernachten (Schutzhütten gab es ja weder auf dem Semenik noch auf der Poiana Ruscăi, vom Muntele Mic und dem Țarcu-Godeanu-Massiv gar nicht zu reden), riet man dem angehenden Bergsteiger, außer dem Rucksack einen Koffer mitzunehmen: für den „Vorrat an Kleidungsstücken und Wäsche, aus dem wir uns zu jeder Tour neu versehen.“
Für Felstouren werden starke Nageschuhe anempfohlen („doch nicht schwer und keineswegs neu“). Im Mittelgebirge hingegen gebrauche man („wofern der Boden nicht felsig ist“) bequeme, ausgetretene, starksohlige leichte Schuhe. Für Felstouren sind noch vorgesehen: eine Lederkniehose, Kniestrümpfe, ein leichterer und ein wärmerer Lodenrock. Es wird auf rasch wechselnde Temperaturen aufmerksam gemacht. Vor Leichtsinn wird gewarnt.
Und die Kopfbedeckung? Auf keinen Fall trage man einen leichten Hut oder einen Strohhut. Das Argument: „Der Hirte trägt seine Schafmütze auch im Juli...“
„Wer seine Hand sorgfältig pflegt“ (!), wird Handschuhe mitnehmen. Aber: „...man trachte, womöglich alle freistehenden Teile des Körpers zu bedecken, denn der Sonnenstich ist höchst unangenehm... Man schützt sich gegen denselben mittels eines breitkrempigen Hutes und eines linnenen Halstuches, des sogenannten Nackentuches.“
Was würde unser BKV-Autor sagen, wenn er heute lebte und auf einer Hochtour den krebsroten, nur mit einem Slip bekleideten Männlein und den ebenso feuerroten Weiblein im Badedress begegnete, die unter der Last des „Affen“ ächzen, sich aber sonst herzlich wenig darum kümmern, ob die „Sonne scheitelrecht auf die Felshänge fällt“ oder nicht?

Beim Bergsteigen soll man schweigen und nicht rauchen. Man atme, besonders bei kaltem Winde durch die Nase. Es ist ja eine allgemein geltende Regel: „Geschlossener Mund erhält gesund.“ Man beachte auch eine zweite goldene Regel: „Bergauf sachte, abwärts achte, gradaus trachte.“

Wegweiser des Banater Karpatenvereins (1895)

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S.190 – 191)

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