home - Komm mit - 1979 - Unvergessliche Râmeţi-Klamm
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Zu Besuch in Rumänien

Unvergessliche Râmeţi-Klamm

von Elke Küchler – Dresden

Es war nach zwei unruhigen Reisenächten der erste Morgen wieder auf rumänischem Boden. Es war ein Prachtmorgen und versprach ein richtiges Râmeţi-Klamm-Wetter zu werden.
Diese Klamm war, auf Anregung des „Komm mit 76“, die Ursache unseres Abstechers in das Westgebirge. Am Ufer des Geoagiu, keine 10 Minuten oberhalb des Râmeţi-Klosters, standen unsere kleinen Zelte. Wir ließen uns zum Frühstück nieder in Erwartung eines Hochgenusses in Form einer harten, gut ausgereiften Salamiwurst, dem Glanzstück unseres Reiseproviants. Nur – wo war sie hin? Dort unter dem Zeltdach, wo die große Proviantdose über Nacht gelegen hatte, war gähnende Leere. Sie lag nicht im Zelt und auch nicht im Rucksack.
Gisela wollte am frühen Morgen einen Hund um die Zelte schleichen gesehen haben, sollte er die große Dose...? Wir durchstreiften das Gelände und fanden das Corpus Delicti. Von scharfen Zähnen aufgeknackt lag sie im Grase, die Plastedose, blitzsauber ausgeleckt. Dafür aber einen Schritt weiter zwei ohne Erfolg bearbeitete Wurstkonserven, und im Gestrüpp hing ein Papierfetzen, der die einst so begehrte Wurst umhüllte. Für einen Hund allein ist es eine Meisterleistung gewesen, unsere Wurst, den Käse, den Speck und das Papier zu verspeisen, das musste ihm schwer im Magen liegen.
Auf dem Weg nach der Klamm durch die Gehöfte Valea Mânăstirii wurde jeder Hund streng gemustert. Und siehe da, einer war sehr verdächtig, erstens, weil er nicht bellte, zweitens, weil er faul im Grase lag und selbst unsere wütenden Schimpfreden nur mit einem trägen Drehen des Kopfes beantwortete.
Da wir nicht enträtseln konnten, ob er noch im Nachgenusse schwelgte, oder ob ihn vielleicht der Magen drückte, wandten wir uns dem Klammweg zu, und bald war der Räuber vergessen.
Steile Felswände ragten plötzlich zu beiden Seiten des Flusses auf, der sein Bett ständig veränderte. Stille, träge dahin fließende Abschnitte wechselten ab mit wild schäumenden, Wasserfälle ergossen sich in klare tiefe Becken, die zum Bade lockten. Wer lässt sich nicht gern einen Wasserfall über die Schultern fließen oder wer schwimmt nicht gern vor solch einer phantastischen Felsenkulisse. Schuhe und Strümpfe im Rucksack, so wanderten wir watend weiter durchs Wasser, ständig neue Wunder erblickend. Durch den Triumphbogen kommt man zur engsten Stelle der Schlucht. Schnell werden Rucksäcke und Fotoapparate vorsichtig am Rande balancierend durch die Enge gebracht, dann lassen wir uns in den Fluten zurücktreiben. Senkrecht steigen die Felsen zu beiden Seiten aus dem Wasser, hoch über uns ein schmaler Streifen blauen Himmels, Sonnenkringel tanzen an der Wand der Schlucht. Wie im Traum waten wir durch die Klamm. Doch allmählich weitet sich das Tal, Bäume säumen wieder die Ufer, eine Brücke und menschliche Stimmen bringen uns zurück in die Wirklichkeit. Und schon wartet die nächste Etappe auf uns, der Rückweg am Abhang.
Steil geht es hinauf, fast bis zu den in der Sonne blinkenden Kalkfelsen. Man muss schon etwas schwindelfrei sein auf diesem Pfad. Steile Grashänge querend, Felsschluchten, teils mit Seil gesichert, durchkletternd, geht es zurück. Heiß brennt die Sonne auf den ausgedörrten Hang, wir sehnen uns zurück in die kühle Klamm, die nun tief unter uns liegt. Da fällt der Pfad steil ab im Zickzack hinunter zum Klammausgang. Schon blinkt das Wasser, ruft zum Bade, da bricht der Weg jäh ab, am Drahtseil müssen wir die letzten 10 Meter hinabhangeln. Warnrufe des Ersten: „Vorsicht, das Seil ist ausgefranst!“
Und dann liegen wir wieder in einem klaren Wasserbecken, lassen uns vom Wasserfall berieseln und möchten nie mehr fortgehen. Doch der Urlaub fängt erst an, der Retezat ruft.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 79, S. 189 – 190)

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190 Die Râmeţi-Klamm.
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