Zu Besuch in Rumänien
von Elke Küchler – Dresden
Es war nach zwei unruhigen Reisenächten der erste Morgen wieder auf rumänischem
Boden. Es war ein Prachtmorgen und versprach ein richtiges Râmeţi-Klamm-Wetter zu
werden.
Diese Klamm war, auf Anregung des
„Komm mit 76“,
die Ursache unseres Abstechers in das
Westgebirge. Am Ufer des Geoagiu, keine 10 Minuten oberhalb des Râmeţi-Klosters,
standen unsere kleinen Zelte. Wir ließen uns zum Frühstück nieder in Erwartung eines
Hochgenusses in Form einer harten, gut ausgereiften Salamiwurst, dem Glanzstück unseres
Reiseproviants. Nur – wo war sie hin? Dort unter dem Zeltdach, wo die große Proviantdose
über Nacht gelegen hatte, war gähnende Leere. Sie lag nicht im Zelt und auch nicht im
Rucksack.
Gisela wollte am frühen Morgen einen Hund um die Zelte schleichen gesehen haben, sollte
er die große Dose...? Wir durchstreiften das Gelände und fanden das Corpus Delicti. Von
scharfen Zähnen aufgeknackt lag sie im Grase, die Plastedose, blitzsauber ausgeleckt.
Dafür aber einen Schritt weiter zwei ohne Erfolg bearbeitete Wurstkonserven, und im
Gestrüpp hing ein Papierfetzen, der die einst so begehrte Wurst umhüllte. Für einen Hund
allein ist es eine Meisterleistung gewesen, unsere Wurst, den Käse, den Speck und das
Papier zu verspeisen, das musste ihm schwer im Magen liegen.
Auf dem Weg nach der Klamm durch die Gehöfte Valea Mânăstirii wurde jeder Hund streng
gemustert. Und siehe da, einer war sehr verdächtig, erstens, weil er nicht bellte, zweitens,
weil er faul im Grase lag und selbst unsere wütenden Schimpfreden nur mit einem trägen
Drehen des Kopfes beantwortete.
Da wir nicht enträtseln konnten, ob er noch im Nachgenusse schwelgte, oder ob ihn vielleicht
der Magen drückte, wandten wir uns dem Klammweg zu, und bald war der Räuber
vergessen.
Steile Felswände ragten plötzlich zu beiden Seiten des Flusses auf, der sein Bett ständig
veränderte. Stille, träge dahin fließende Abschnitte wechselten ab mit wild schäumenden,
Wasserfälle ergossen sich in klare tiefe Becken, die zum Bade lockten. Wer lässt sich nicht
gern einen Wasserfall über die Schultern fließen oder wer schwimmt nicht gern vor solch
einer phantastischen Felsenkulisse. Schuhe und Strümpfe im Rucksack, so wanderten wir
watend weiter durchs Wasser, ständig neue Wunder erblickend. Durch den Triumphbogen
kommt man zur engsten Stelle der Schlucht. Schnell werden Rucksäcke und Fotoapparate
vorsichtig am Rande balancierend durch die Enge gebracht, dann lassen wir uns in den
Fluten zurücktreiben. Senkrecht steigen die Felsen zu beiden Seiten aus dem Wasser, hoch
über uns ein schmaler Streifen blauen Himmels, Sonnenkringel tanzen an der Wand der
Schlucht. Wie im Traum waten wir durch die Klamm. Doch allmählich weitet sich das Tal,
Bäume säumen wieder die Ufer, eine Brücke und menschliche Stimmen bringen uns zurück
in die Wirklichkeit. Und schon wartet die nächste Etappe auf uns, der Rückweg am Abhang.
Steil geht es hinauf, fast bis zu den in der Sonne blinkenden Kalkfelsen. Man muss schon
etwas schwindelfrei sein auf diesem Pfad. Steile Grashänge querend, Felsschluchten, teils
mit Seil gesichert, durchkletternd, geht es zurück. Heiß brennt die Sonne auf den
ausgedörrten Hang, wir sehnen uns zurück in die kühle Klamm, die nun tief unter uns liegt.
Da fällt der Pfad steil ab im Zickzack hinunter zum Klammausgang. Schon blinkt das
Wasser, ruft zum Bade, da bricht der Weg jäh ab, am Drahtseil müssen wir die letzten 10
Meter hinabhangeln. Warnrufe des Ersten: „Vorsicht, das Seil ist ausgefranst!“
Und dann liegen wir wieder in einem klaren Wasserbecken, lassen uns vom Wasserfall
berieseln und möchten nie mehr fortgehen. Doch der Urlaub fängt erst an, der Retezat ruft.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 79, S. 189 – 190)
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190 | Die Râmeţi-Klamm. |