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Erlebnisreiche Râmeţi-Klamm

Einladung zu einer unvergesslichen Wanderung in die Westkarpaten

von Toni Livinschi

Zeugen intensiver geologischer Prozesse in grauer Vorzeit und zugleich Gegenden von wildromantischer Schönheit sind in den Westkarpaten die zahlreichen Klammen. Eine davon, die Râmeţi-Klamm, wollen wir den Wanderfreunden besonders ans Herz legen. Sie liegt wohl ein wenig abseits der großen Wanderwege in den Westkarpaten, sollte aber keinesfalls links liegengelassen werden.
Wir haben diese mehr als 3 Kilometer lange Klamm zweimal durchwandert, einmal von Westen her, an einem Oktobernachmittag, das zweite Mal in entgegengesetzter Richtung, an einem sonnendurchfluteten Augusttag. Beide Male waren wir erfüllt von der Erhabenheit dieser Klamm, in der man den Hauch der Ewigkeit zu spüren vermeint und das menschliche Dasein andere Ausmaße annimmt.
Die Râmeţi-Klamm liegt im südöstlichen Teil der Westkarpaten, genauer: im Trascău- Gebirge, und durch sie fließt der Geoagiu. Man kann von verschiedenen Seiten an die Klamm herankommen: - aus Abrud auf der Nationalstraße 74 in Richtung Zlatna, Alba Iulia; nach 5 Kilometer zweigt eine Landstraße ab, die zur Ortschaft Râmeţi führt (60 km); - aus Teiuş, 12 Kilometer bis Geoagiu de Sus (Busverbindung), dann weiter, etwa 8 Kilometer auf einem vorläufig sehr schlechten Fahrweg, bis zum Kloster Râmeţi; - aus Aiud mit dem Autobus (etwa 25 km) bis in die Ortschaft Râmeţi. Letztere Variante haben wir auch gewählt. Es ist ein sehr schöner Weg, Serpentinen, die durch dichten und düsteren Laubwald allmählich bergauf führen. Nach etwa 11 Kilometer Fahrt sehen wir auf einer großen Wiese in 550 Meter Höhe die Sloboda-Hütte, ein einladender Erholungsort. Weiter geht’s immer bergauf. Plötzlich bleibt der Wald hinter uns und eine herrliche Aussicht bietet sich großzügig unseren Augen dar.
Aus Râmeţi führt ein nicht allzu steiler, aber steiniger Hang bergab zum Kloster gleichen Namens. In etwa dreiviertel Stunde ist man da. Gleich daneben liegt auch die Râmeţi-Hütte. Sie hat vier Schlafräume und Büfett. Eine neue, größere Hütte ist in Bau.
Das Kloster ist ein historisches Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert. In seinem Museum beherbergt es Dokumente, welche vom dramatischen Befreiungskampf der Iobagen berichten, die von Horia angeführt wurden. Es ist eine raue und dennoch schöne Umgebung. Der Geoagiu führt sein klares Wasser zu Tal, und bachaufwärts sieht man einen engen Durchbruch: Es ist die Mânăstirii-Klamm. Es ist so schön und so ruhig hier – ein idealer Ort zur Erholung, zum Ausruhen.
Aber gehen wir weiter! Ist man einmal durch diesen großartigen Einschnitt durch, folgt ein kurzer schwieriger Abschnitt, dann jedoch ein breiter, schattiger Pfad, rechts das Wasser und links sanfte Hänge, auf denen malerisch hingelagert kleine einladende Häuschen liegen wie bunte Tupfen auf grünem Samt: die Siedlung Valea Mânăstirii. Man ist so sehr ins Schauen versunken, dass man gar nicht merkt, wie der Pfad allmählich verschwindet. Nun wird’s problematisch. Es ist nicht jedermanns Sache, ohne Weg und Steg, durch dick und dünn, auf Steinen und durchs Wasser zu wandern. Wer also nicht abenteuerlustig veranlagt ist, bleibt lieber hier und begnügt sich damit, die wilde und doch so schöne Natur zu bewundern, die den Eingang zu einer beeindruckenden Klamm bildet.
Wir jedenfalls gehen weiter. Erst meint man, es trockenen Fußes zu schaffen. Man schreitet auf Steinen, die aus dem Wasser herausragen, hangelt sich hie und da an einem willkommenen Kabel weiter... aber alles bleibt Illusion. Das Wasser brodelt und schäumt immer mehr. Ein riesiger Felsbrocken scheint den Eingang in die Klamm zu bewachen. Die senkrechten Felswände nähern sich einander so sehr, dass man den Eindruck hat, durch einen engen Gang hindurch zu müssen. Kein trockenes Fleckchen mehr, kein Ufer, keine Steine, die einem weiterhelfen könnten. Wer die Râmeţi-Klamm so erleben will, wie sie wirklich ist, wild, rau, phantastisch, muss sich überwinden und durchs kristallklare, aber eiskalte Wasser waten, auf rutschigen, wackeligen, spitzen Steinen, barfuss, die Hosen hochgekrempelt. Aber es zahlt sich aus! Wir gehen gegen den Strom und haben Bilder von wilder Schönheit vor Augen, eines interessanter und verlockender als das andere. Immer weiter dringen wir vor in diese Welt des dramatischen Ringens des Wassers mit dem Fels. Da – ein riesiges Portal, wie von Meisterhand geformt. Wir gehen unter diesem Portal durch wie Helden unter einem Triumphbogen...
In den steilen Wänden gähnen Grotten und Höhlen dunkel und schauerlich. Über uns nur ein schmaler Streifen Himmel, dessen Bläue sich im Wasser widerspiegelt oder von den weißen Felsen reflektiert wird. Allmählich wird es heller, die Felswände treten zurück, hinter einer Biegung taucht der Wächter des Ausgangs auf, ein beachtlicher Felsbrocken. Wir sind durch. Unsere Wanderung ist zu Ende.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 76, S. 139 – 143)

Seite Bildunterschrift
 
139 Das große Portal beim Eingang in die Klamm.
140 Inmitten einer lieblichen Landschaft, die wohltuende Ruhe atmet, inmitten von bewaldeten oder almenbedeckten Hügeln und Bergen finden wir die grandiosesten Karstphänomene wie tiefe Schluchten, enge Klammen, schaurige Höhlen, Dolinen und Schächte – Kontraste, denen wir in den Westkarpaten immer wieder begegnen.
142 Voller Überraschungen ist die Klamm. Hier einer der engsten Abschnitte.
143 Wer durch die Klamm will, muss den Weg durchs Wasser in Kauf nehmen.
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