Ausflug in eines der schönsten Karstgebiete Rumäniens
von Lia Gross
Scărişoara-Eisgrotte, Cetăţile Ponorului, Galbena-Canon, Eishöhle Focul Viu – wer kennt sie
nicht, hat noch nie von ihnen gehört? Es sind Attraktionen ersten Ranges, sozusagen das
Aushängeschild der Bihor-Berge, einem der schönsten Karstgebiete unseres Landes.
Dennoch sollte man nicht allein ihretwegen hierherkommen.
Wer diese Gegend durchwandert, wird zwischen den landschaftlichen Höhepunkten immer
wieder auf kleinere, unscheinbare und dennoch interessante, weil eben nur im Karst
vorkommende Phänomene stoßen: Man wird staunend vor einer Karstquelle stehen, die so
gar nichts von einer Quelle an sich hat, weil eigentlich ein regelrechter Bach aus dem Fels
entspringt, der etwas weiter gurgelnd in der Tiefe verschwindet, unterirdisch weiter fließt, um
dann wieder ans Tageslicht zu treten. Canons, Höhlen und Grotten – von den kleinsten bis zu
großen und ganz großen – bekommt man immer wieder zu sehen. In die Höhlen kann und
soll man nicht allzu tief eindringen. Das ist Sache der Höhlenforscher. Dasselbe gilt für
Dolinen (Karsttrichter) und senkrechte Schächte, die einige bis Dutzende Meter tief sein
können.
Abgesehen von diesen Karstspezialitäten kommt der Wanderfreund hier voll und ganz auf
seine Rechnung. Wiesen und Wälder, Hügel und Berge, Quellen und Flüsse sowie weit über
die Berghänge verstreute Motzensiedlungen erwecken den Eindruck einer ewig sich
gleichbleibenden, lieblichen, Ruhe ausströmenden Landschaft, in der heute wie vor tausend
Jahren die Wasser plätschern, die Wälder rauschen, das Vieh weidet, die Motzen das Holz
zu kunstvoll verzierten Gebrauchsgegenständen verarbeiten und die Schalmeien der
Motzenmädchen weit über Berg und Tal ertönen.
Idealer Ausgangspunkt zu den Schätzen der Bihor-Berge ist Padiş – das Touristenparadies
im Herzen der Westkarpaten. Die alte Hütte (1280 m hoch gelegen), die schon längst nicht
mehr entsprach, wurde umgebaut, ferner wurden Camping-Häuschen aufgestellt, so dass
etwa 100 Touristen hier Unterkunft und ein warmes Essen vorfinden. Wer es vorzieht, im
eigenen Zelt zu hausen, findet auf der riesigen Wiese rund um die Hütte genügend Platz
dafür. In den Sommermonaten und vor allem an den Wochenenden wimmelt es hier von
Ausflüglern wie bei einem Volksfest.
A. – Über Stâna de Vale: Aus dem Tal der schnellen Kreisch (Crişul Repede; Eisenbahnlinie
Cluj-Napoca – Oradea; Haltestelle Stâna de Vale).
Fahrweg bis Remeţi (13 km) und weiter Forstweg bis Stâna de Vale (32 km).
Autobusverbindung. Hütte Stâna de Vale – Padiş-Hütte, Markierung: rotes Band, Wegdauer:
6 Stunden.
B. – Über Scărişoara: Aus dem Arieş-Tal (DN 75 Turda – Câmpeni – Lunca und weiter DN 76 Lunca – Oradea; Haltestelle Gârda de Sus). Fußweg zur Scărişoara-Hütte, Markierung: rotes Kreuz, Wegdauer 2 Stunden. Scărişoara-Hütte – Padiş-Hütte. Markierung: blaues Band, Wegdauer: 6 – 7 Stunden.
C. – Direkt Padiş, ebenfalls aus dem Arieş-Tal (Haltestelle Arieşeni). Erst Forstweg (Cobliş- Tal), dann Fußweg zur Padiş-Hütte, Markierung: rotes Dreieck, Wegdauer: 7 – 8 Stunden.
D. – Für Autofahrer gibt es zwei Anfahrtsmöglichkeiten: a) Oradea – Beiuş – Sudrigiu (DN 76, 70 km) – Pietroasa – Padiş (36 km, relativ guter Fahrweg); b) Cluj-Napoca – Huedin (E 15, 50 km) – Călata – Padiş (50 km, Landweg).
Dass Padiş ein touristischer Knotenpunkt ist, merkt man an den zahlreichen hier
zusammenlaufenden Markierungen. Außerdem gibt’s noch einige unmarkierte Pfade, wie
z.B. den auf die 1446 m hohe, in nächster Nähe der Hütte gelegene Spitze Biserica Moţului.
Ein anderer kurzer Ausflug wäre der zur Höhle Şura Boghii (eine Stunde weit weg vom
Forsthaus Padiş). Da es sich auch hier um einen nicht markierten Pfad handelt, wäre es
geraten, sich nur in Begleitung eines Wegkundigen aufzumachen. Dasselbe gilt für den
Rundgang durch die Barsa-Senke (3 Stunden), der u.a. an der Peştera Neagră (Schwarzen
Höhle), am kleinen Lacul Negru (Schwarzen See) an der Eishöhle von Barsa, an
Quelltöpfen, Wasserschwinden und zahlreichen Dolinen vorbeiführt. Der Weg von der Hütte
bis zur Senke ist mit rotem Band markiert und dauert eine Stunde.
Zum Karstplateau Lumea Pierdută (Verlorene Welt). Markierung: gelbes Kreuz, Wegdauer: 2
½ Stunden. Hier trifft man weder Mensch noch Tier. Die große Stille lässt einen in der Tat
sich verlassen und verloren fühlen. Der Wald wirkt unheimlich düster. Und mitten drin öffnen
zwei Riesenschächte ihre Schlünde: der Gemănata-Schacht (20 m Durchmesser, 60 m tief)
und der Avenul Negru (der Schwarze Schacht; 40/30 m Durchmesser – oval –, 108 m tief).
Zu den Cetăţile Ponorului (Dolinenburgen – siehe Komm mit 1970). Markierung: blauer
Punkt, Wegdauer: 6 – 7 Stunden für den gesamten Rundkurs. Unterwegs kommen wir am
Izbucul Ponor (Karstquelle von Ponor) und an der Poiana Ponor vorbei, einer Senke, die sich
in wasserreichen Zeiten in einen temporären See verwandelt. Die Cetăţile Ponorului selbst –
drei riesengroße Dolinen, beeindruckend und erdrückend zugleich durch ihre Ausmaße,
durch das Gewaltige einer unbezähmbaren Natur, durch das Einmalige, das sie darstellen.
Ob man sie nun von oben betrachtet oder bis auf ihren Grund absteigt und durch die
verschiedenen Höhlenöffnungen auch den Untergrund erforscht – es ist überall dasselbe:
überwältigend! Der Eindruck des Außerordentlichen, einer wilden, chaotischen Landschaft,
die von ungeheuren Naturkräften modelliert wurde, bleibt Erinnerung.
Zum Galbena-Canon. Markierung: gelber Punkt, Wegdauer: 10 Stunden für den gesamten
Rundkurs. Da der Canon in derselben Richtung mit den Cetăţile Ponorului liegt, nur etwas
weiter, gehen die Markierungen dieser beiden Trassen ein gutes Stück gemeinsam.
Touristen, die sehr gut zu Fuß sind, oder solche, denen nur wenige Tage zur Verfügung
stehen und die dennoch möglichst viel sehen wollen, können beide Ausflugsziele am selben
Tag bewältigen (man muss für den zusätzlichen Rundgang durch die Cetăţile Ponorului mit
etwa 2 Stunden rechnen). Auf unserem weiteren Weg können wir den Schacht von Borţig
besichtigen (25 m tief; die drittgrößte Eishöhle unseres Landes, dann den Izbucul Galbenei,
der eigentlich dasselbe Wasser ist, das in den Cetăţile Ponorului in der Tiefe verschwindet,
unterirdisch weiter fließt und hier erst wieder ans Tageslicht kommt. Er präsentiert sich als
ein 6 – 8 m großer See am Fuße einer Kalksteinwand, dessen Abfluss sich tosend und
rauschend in den Galbena-Canon ergießt, dem wir zustreben. Nun wird’s wild-romantisch:
bis zu 300 m hohe glatte Felswände, Höhlen, Kaskaden und Arkaden, der Weg führt erst
einmal unten in Wassernähe, und zurück am anderen Ufer oben herum. Es ist eine schwere
Tour, aber das, was wir hier zu sehen bekommen, ist jede Anstrengung wert. Der Rückweg
führt über die Poiana Florilor zur Piatra Galbenă (1234 m). Dann folgt die Besichtigung der
zweitgrößten Eishöhle unseres Landes (nach der von Scărişoara), Focul Viu. Eine lange,
aber durchaus lohnende Tour.
Zur Cetatea Rădesii und zum Quellgebiet des Warmen Someş. Markierung: rotes Band (in
Richtung Stâna de Vale). Wegdauer bis zum Beginn des Rundkurses: 1 ¼ Stunden; kleiner
Rundkurs: Markierung: roter Punkt, Wegdauer: etwa 2 Stunden: großer Rundkurs:
Markierung: ebenfalls roter Punkt, Wegdauer: etwa 5 Stunden.
Der kleine Rundkurs umfasst nur die Cetatea Rădesii, eine Höhle mit Ein- und Ausgang,
einen Felstunnel sozusagen, gewunden und unregelmäßig, den das Wasser erst
ausgewaschen, nachher modelliert hat. Ehe man zum Eingang kommt, geht man ein
Wässerchen entlang, das interessanterweise in einem steinernen Bett, genauer: in einem
steinernen Kanal fließt, den es sich selbst gegraben und geglättet hat und in dem weder
Sandablagerungen noch Kieselsteine zu sehen sind. Es ist der Warme Someş. Und plötzlich
steht man vor einem imposanten Portal, in dem unser Wasser verschwindet. Ein
Höhlenerlebnis besonderer Art erwartet uns, falls – und das ist wichtig! – nicht gerade
Hochwasser herrscht. Der Weg durch die Höhle geht über Felsterrassen, durchs Bachbett,
über Leitern und Stege, durch große Säle und schmale Gänge. Kaminartige Öffnungen in
den Saaldecken (vier in dem einen Saal, eine im anderen), durch die das Licht in Bündeln
einfällt wie durch die hohen Fenster einer Kathedrale, sorgen dafür, dass die Düsternis nie
zur Finsternis wird und man nicht nur den Weg sieht, sondern auch die chaotisch
herumliegenden Felsblöcke. Das letzte Stück ist ein schmaler Gang, der sich, unmerklich
fast, zu einem Canon öffnet, eng, lang, feucht und düster. Und dann steht man plötzlich
wieder in Licht und warmer Sonne, auf einer kleinen freundlichen Wiese 212 Meter Höhle 47
Meter Canon liegen hinter uns. Der Rückweg führt nun oben herum. Beeindruckend der
Canon und der Höhlenausgang von oben gesehen. Die Öffnungen, die innen spärlich Licht
spenden, präsentieren sich von außen als trichterförmige Schächte. Beim Eingangsportal
kommen wir wieder ans Wasser, womit der Kreis geschlossen ist.
Der große Rundkurs führt von der oben erwähnten Wiese weiter talab. Die nun folgenden
Objektive sind bei weitem nicht so beeindruckend wie die Cetatea Rădesii, aber immerhin
sehenswert. Zuerst gelangen wir an den Belvedere genannten Aussichtspunkt, 1342 m hoch
gelegen. Unter uns eine mehr als 150 m senkrecht abfallende Felswand. Tief unten im Tal
schlängelt sich der Someş durch seine Klamm. Am jenseitigen Ufer die Cuciulata (1475 m)
mit ihren senkrechten Felsabstürzen und weit dahinter das Vlădeasa-Massiv. Der Weg führt
nun allmählich bergab bis zum Wasser. Hier ist der Endpunkt eines Forstwegs, der von Ic
Ponor kommt. Der Rückweg am linken Ufer führt uns zur Honu-Höhle und weiter zu einem
Aussichtspunkt, von wo man den tosenden Moloch-Wasserfall am gegenüberliegenden Ufer
bewundern kann. Hier befindet sich auch die Moloch-Höhle. Unter den steilen Wänden der
Cuciulata geht’s nun entlang, zurück zur Rădeasa-Wiese. (Von hier führt ein direkter Weg
nach Stâna de Vale.) Der Weg über die Höhle bildet den Abschluss auch des großen
Rundkurses.
Das waren Sehenswürdigkeiten rund um Padiş. Aber die Westkarpaten sind unvergleichlich
größer und reicher an Naturschönheiten.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 50 – 55)
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51 | So präsentiert sich das Karstplateau von Padiş für den von Stâna de Vale Kommenden. Im Hintergrund die „Biserica Moţului“. |
52 | Schönes Motzenland: die Streusiedlung Cobliş. |
54 | Das Eingangsportal der „Cetatea Rădesii“. |