von Karin Liebner (Plauen)
Erstes Reiseziel ist die Bärenhöhle bei Chişcău. Für den Autofahrer bequem erreichbar. Die
Höhle wurde erst 1975 entdeckt und ist für Besucher ein einmaliges Erlebnis. In der ersten
Galerie, der Schlafstätte des vor 15.000 Jahren ausgestorbenen Höhlenbären, liegen die
Skelettreste. Dann tut sich einem eine Wunderwelt auf, es geht durch die an
Tropfsteingebilden reichen Galerien. In keiner Höhle vorher sah ich solch eine Vielfalt an
Formen der Stalagmiten und Stalaktiten.
Auf einem Schotterweg geht es später talaufwärts. Irgendwo in dieser schönen
Steinlandschaft, die von dichtem Nadel- und Laubwald überragt wird, schlagen wir unser Zelt
am grasbewachsenen Ufer eines Gebirgsbaches auf. In der Nähe grast eine Stute mit ihrem
Fohlen. Bevor der Abend hereinbricht, noch ein kurzer Spaziergang. Welch ein Anblick,
diese Landschaft im Schein der untergehenden Sonne! Ein Bauer treibt seine Schafe hinab
ins Dorf. Von weit oben, über die Wiesen, klingt das Geräusch einer Sense herab. Begleitet
von der Geräuschkulisse des Gebirgsbaches begeben wir uns zur Ruhe.
Der heutige Tag gehört der Eishöhle Scărişoara. Der Weg verläuft ansteigend durch eine
wilde schluchtartige Karstlandschaft. Der Wald bleibt zurück. Auf einer Wiese eingezäunt,
steht ein typisches Bergbauernhaus. Ich fotografiere, eine Frau kommt herüber. Nach der
Begrüßung wechseln wir einige Worte. Meist werde ich gefragt, ob ich nur mit meiner
Tochter unterwegs bin, dann eine herzliche Verabschiedung, ein Zurückwinken und weiter
geht es bergan. Die Landschaft hier oben ist für den Autofahrer fast unzugänglich und vom
Massentourismus noch unerschlossene Bergregion, eine der wenigen noch. An den
Berghängen die Häuser der Motzen. Davor große Holzstapel. Abseits mähen Bergbauern die
Wiese, ich fotografiere, lachend rufen sie etwas herüber und heben die Sensen hoch zum
Gruß.
Inmitten eines Waldes erreichen wir den Abstieg zur Höhle. Auf feuchten Eisenstufen steigen
wir etwa 50 m tief in einen fast senkrechten Kamin zum Eingang der Höhle. Auf der etwa 20
m starken Eismasse befindet sich ein Holzsteg mit Geländer zum Begehen der Höhle. Die
Eisfläche beträgt 50.000 m³. Die 5 m hohen Eisblöcke und Eissäulen sind in 3700jähriger
Zeit entstanden. Der Anblick ist überwältigend.
Den Abstieg ins Tal unternehmen wir am frühen Morgen. Die heraufziehenden Nebel geben
dieser Landschaft einen besonderen Reiz. Hinzu kommt die wundervolle Stille, diese
Abgeschiedenheit und doch keine Einsamkeit. Hier raucht in der Kühle des Morgens ein
Schornstein, irgendwo schlägt ein Hund an, und dann wird die Stille unterbrochen durch das
Rufen der Vögel. Nicht mit Worten und nicht im Foto ist diese wundervolle
Landschaftsstimmung wiederzugeben.
Unser Wagen rollt auf der E 79 durch die bezaubernde Landschaft des Siebenbürgischen Erzgebirges. Hin und wieder unterbrechen wir die Reise für ein Foto: mal ein mit Heu hochbeladenes Ochsengespann, mal sich in kleinen schlammigen Tümpeln suhlende Büffel. Schließlich erreichen wir die Haţegsenke, besichtigen die archäologischen Funde in Sarmizegetusa, machen einen Tagesausflug in den Slivuţ-Wald, einen Naturpark mit dem Wisent-Reservat.
Unser nächstes Ziel liegt im Vâlcan-Gebirge. Es war unsere erste Begegnung mit diesem Landstrich und recht erlebnisreich die Zeit des Campings in den Wäldern nahe dem Tismanakloster – ein Volksfest fand statt. Es war ein Sonntagmorgen. Menschen kamen aus den nahen oder fernen Ortschaften, mit dem Auto, Pferdegespannen oder Reisebus. Die Pferde geschmückt, die Menschen in Trachten, im Festgewand. Besonders bei älteren Frauen fielen die gold- und silberbestickte Kleidung und die bunten Kopftücher auf. Die einen pilgerten hinauf zum Kloster, die anderen schlugen im Wald das Zelt auf. Großfamilien breiteten zwischen Bäumen große weiße Tücher aus. Beim gemeinsamen Essen, Trinken und Erzählen, Gesang und Tanz vergingen die Stunden. Bei Sonnenuntergang flammten hier und da kleine Lagerfeuer auf. Trotz der vielen Menschen, die hier lagerten, herrschte eine romantische Stimmung.
Weitere Stationen unserer Rumänien-Sommerreise waren das Alttal, Curtea de Argeş, die Transfogarascher Hochstraße, eine Fogarascher-Bergtour und Sibiu. Darauf hieß es: heimwärts!
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 90, S. 198 – 200)
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199 | Die Bärenhöhle – ein überwältigender Anblick. |