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Plötzlich brach die Nacht ein

von Peter Funke (Dippoldiswalde)

Eine Karpaten-Bergtour bei Winterausklang hat uns immer gereizt, zumal wir die Landschaft auch einmal in dieser Jahreszeit bewundern wollten. Also brachen wir im März auf. Wanderziel war das Bucegi-Gebirge, weil auch leichter erreichbar.
Der Fußweg von Buşteni durch die Jepilorschlucht zur Caraiman-Hütte war zwar verlockend, aber unter winterlichen Bedingungen und ohne entsprechende Ausrüstung nicht ratsam. Mit der Kabinenbahn ging’s in Bergeshöhe. In der Caraiman-Hütte war leider keine Übernachtung möglich, und so stapften wir weiter bis zur Piatra-Arsă-Hütte. Dort herrschte zwar mächtig viel Trubel, aber wir kamen noch unter.
Am nächsten Tag Nebel und Schnee. Nichts konnte uns jedoch abhalten, die Wanderung nach Peştera zu unternehmen! Gegen Mittag lichteten sich die Wolken, sogar die Sonne wagte sich etwas heraus – wir genossen eine herrliche Aussicht. Ursprünglich wollten wir die nächste Nacht in der Babele-Hütte verbringen. Dort angekommen, lernten wir bei einem heißen Tee eine rumänische Bergführerin kennen, die noch an diesem Tag zur Wetterwarte auf dem Omu wollte und geneigt war, uns mitzunehmen. Wir waren sofort Feuer und Flamme, auch deshalb, weil uns versichert wurde, noch vor Einbruch der Dunkelheit das Ziel zu erreichen.
Bis zum Dunkelwerden klappte noch alles bestens, wir kamen gut voran. Mit dem Einbrechen der Nacht und der zunehmenden Windstärke jedoch, schwand unser ganzes Hoffen, die Omu-Station überhaupt zu erreichen. Die Situation spitzte sich immer mehr zu. Die Wintermarkierung war schwer auszumachen, wir kamen immer langsamer voran. Ein Glück für uns war, dass wir eine Taschenlampe bei uns hatten. Dann plötzlich tauchte aus einem Nichts ein dunkles Gebilde auf: die Omu-Schutzhütte, fast bis zum Dach eingeschneit. Daneben die Wetterwarte, wo wir übernachten konnten. Wir labten uns an dem heißen Tee und waren froh, dass alles noch so gut abgelaufen war.
Schneesturm am nächsten Morgen. An einen Weitermarsch war vorerst nicht zu denken. Gegen Mittag riss für Sekunden die Wolkendecke auf, ab und zu lachte auch die Sonne. Nach kurzer Lagebesprechung beschlossen wir schließlich, doch zur Mălăieşti-Hütte abzusteigen. Zerrte der Wind auf dem Omu noch an unseren Sachen, wurde es im Mălăieşti-Tal wesentlich ruhiger, aber auch gefährlicher. Vor allem einige waghalsige Querungen wurden zur Kraftprobe. In der Mălăieşti-Hütte erfuhren wir dann, dass es eine völlig ungefährliche Wintervariante vom Omu ins Mălăieşti-Tal gibt. Bei der nächsten Tour werden wir diesen Tipp beherzigen.
Die Mălăieşti-Hütte ist eine Idylle für sich: herrlich im Tal gelegen, wird dem Wanderer ein Blick zu den phantastischen Steilwänden gewährt. Der nächste Tag zeigte sich im besten Licht: Sonnenschein und blauer Himmel. Aus diesem Grund, und wir hatten auch noch Zeit, blieben wir noch einen Tag. Dann hieß es Abschied nehmen von den Bucegi-Bergen. An der Diham-Hütte vorbei, ging’s schnurstracks nach Predeal, von wo unser Zug abfuhr.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 90, S. 86 – 87)

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