von Helmut Fabritius
Die Route stand schon lange fest: Über die Urleaspitze zur Curmătura Mogoşului, den
Kamm ostwärts, an der Dara vorbei, über die Curmătura Zârnei zur Curmătura Brătilei, dann
nach Süden über die Wasserscheide zwischen Dâmboviţa und Râul Doamnei und
schließlich aus der Curmătura Oticului hinauf zum Vf. Roşu ins Iezer-Păpuşa-Massiv. Bei
gutem Wetter war die Kammwanderung ostwärts über Bătrâna uns Păpuşa geplant, bei
Schlechtwetter der Weg über den Iezer zur Voina-Hütte. Dazwischen die
Abstiegsmöglichkeit von der Bătrâna über den Plaiul lui Pătru, ab Voina den Stausee
entlang, dann durch Lereşti und Câmpulung und von dort heimwärts.
Alle sind pünktlich am Bahnhof, Karin und Helmut, Uli und Frank. In Făgăraş steigen wir aus
und müssen feststellen, dass der Bus nach Breaza schon fort ist. Kurz entschlossen fahren
wir zum Sâmbăta-Komplex. In den Morgenstunden geht es hinauf in den Felskessel
unterhalb des großen Fensters, wo wir zelten. Die Nacht ist sternenklar und verspricht einen
schönen Herbsttag. Ein Blick aus dem Zelt am Morgen belehrt uns eines besseren: Der
Himmel ist wolkenbehangen, und als wir aufbrechen, beginnt es zu regnen. Oben am Kamm
empfängt uns Nebel und kalter Wind. Der Regen wird immer heftiger, die Sicht zusehends
schlechter, wir können gerade noch einen Blick hinunter zum Urlea-See erhaschen.
Durchnässt und gefroren erreichen wir Stunden später die Curmătura Zârnei.
An ein Weitergehen ist nicht mehr zu denken. In der Biwakschachtel suchen wir ein
trockenes Plätzchen. Bald surrt der Benzinkocher, und eine heiße Suppe wärmt uns wieder
auf. Vor dem Schlafengehen dichten wir noch schnell unsere Unterkunft ab, denn oben treibt
der Wind den Regen hinein. Die ganze Nacht zerrt der Wind an der Biwakschachtel, es
schüttet wie aus Bächen. Die Überraschung des nächsten Morgens – Schnee. Die Stege
und Markierungen sind nicht mehr erkennbar und im dichten Nebel ist nicht einmal die
nächste Markierungsstange zu sehen.
Zwei Tage und zwei Nächte warten wir in den Schlafsäcken, dass Schnee und Sturm
nachlassen. Vergebens. Das Wetter wird immer schlechter, also entschließen wir uns zum
Abstieg. Zur Urlea-Hütte besteht kaum Aussicht durchzukommen – kein Weg, keine Sicht,
und das Plateau beim Mogoşu liegt noch 200 m höher, also noch mehr Schnee. Der
Kammweg fällt von vornherein weg. Die einzige Möglichkeit: nach Süden in den Zârnea-
Kessel abzusteigen. Dort liegt weiter unten eine Sennhütte, und von dort muss auch ein Weg
ins Tal führen. Der Weg in den Kessel ist steil und beschwerlich, wir rutschen auf dem
Schnee, der Wind bläst unerbittlich.
Endlich unten im Kessel; wir haben das schwerste hinter uns. Die Sicht ist schon besser und
auch der Wind nicht mehr so heftig. Bald ist auch der ersehnte Pfad da. Es regnet
unaufhörlich. Nach etwa drei Stunden Wanderung im Zârnea-Tal abwärts erreichen wir bei
Gura Brătilei ein Forstarbeiterhaus. Am Ofen trocknen wir unsere Kleidung und genießen die
wohltuende Wärme. Bis zur nächsten Ortschaft, Slatina im Râul-Doamnei-Tal, sind noch 30
km Forststraße. Wir haben Glück, ein Holzlaster nimmt uns mit. Angenehm ist die Fahrt
nicht.
Die Schafherden haben das Gebirge fluchtartig verlassen und verstopfen immer wieder die
Straße. Dann steckt der Laster nach einem Ausweichmanöver bis zur Achse im weichen
Grund. Der Fahrer löst die Drahtseile von der Ladung, bindet sie an Bäume und mit der
Seilwinde zieht er den tonnenschweren Lkw heraus.
Von Slatina bringt uns am frühen Morgen ein Bus nach Piteşti (60 km) und mit der
Eisenbahn geht es heimwärts.
Wer mehr Glück mit dem Wetter hat als wir dieses Mal und ins Iezer-Păpuşa-Massiv will, hier
ganz kurz der Weg: Făgăraş – Breaza mit dem Bus. Der Aufstieg zur Urlea-Hütte (1500 m)
dauert 3 ½ - 4 Stunden. Über die Urleaspitze (2475 m) auf den Kamm zur Curmătura
Mogoşului (2350 m) sind es weitere 4 – 4 ½ Wegstunden, und etwa 1 ½ - 2 Stunden dauert
die Wanderung über die Curmătura Zârnei zur Curmătura Brătilei (2122 m). Eine kürzere
Variante ist von der Urlea-Hütte ohne Urleagipfel zur Curmătura Zârnei (1923 m) in 3 ½
Stunden. Hier verlässt man den Hauptkamm und wendet sich nach Süden zur Curmătura
Brătilei, Mezea (2125 m), Oticu, Curmătura Oticului (1860 m), Vf. Roşu (2469 m). Die
Wanderung dauert 7 – 9 Stunden bei einem Höhenunterschied von 650 m. Gezeltet werden
sollte bei der Curmătura Oticului, um dann ausgeruht zum Vf. Roşu aufzusteigen.
Unvergesslich schön ist der Anblick der Colţii Cremenei in der Morgensonne. Für den Iezer-
Păpuşa-Kamm mit Abstieg zur Voina-Hütte benötigt man 2 Tage. Der beste Zeltplatz ist
unter der Bătrâna bei der Quelle „Izvorul din Plaiu“. Von der Păpuşa, dem letzten Gipfel des
Kamms, hat man einen wundervollen Ausblick auf den Königstein! Abstieg über den
Grădişteanu-Sattel und Cuca-Hütte. Ein anderer Abstieg, ohne den Păpuşa-Gipfel, ist jener
vom Zeltplatz bei der Quelle über den Plaiul-lui-Pătru-Rücken hinunter zur Voina-Hütte. Die
steinerne Notunterkunft am Iezer-See bietet kaum Schutz, und wer vom Vf. Roşu gleich zur
Voina-Hütte will, muss direkt bis ins Tal absteigen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 90, S. 71 – 77)
Seite | Bildunterschrift |
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72 – 73 | Kartenskizze |
74 | Auf dem Kamm empfängt uns Nebel und kalter Wind. Auch der Regen wird immer heftiger. |
75 | Das Iezer-Păpuşa-Gebirge ist kaum noch zu erkennen. |
76-o | In Schlafsäcken warten wir in der Biwakschachtel auf besseres Wetter. |
76-u | Die „Bombe“, die Biwakschachtel in der Curmătura Zârnei. |