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Edelsteine zieren die Blüten der Gebirgspflanzen

Die Bockkäfer der Karpaten

von Dr. Klaus Fabritius

Auf unseren Wanderungen begegnen wir oft einem Käfer. Eigentlich kein seltenes Ereignis, da unter der Insektenvielfalt die Käfer am artenreichsten sind. Jede zweite Insektenart ist ein Käfer. Die Bockkäfer, die ihren volkstümlichen Namen ihren kräftigen Fühlern verdanken, die sie in einer sehr charakteristischen, ziegenhornartigen Weise, nach vorne oder nach der Seite gebogen tragen, gehören zu den beeindruckendsten. Nicht nur ihrer Fühler wegen, sondern auch weil sie zu den größeren Arten gehören. Relativ wenig Bockkäfer sind kleiner als 1 cm; der Große Eichenbock, der sogar stattliche 6 cm misst, ist mit seinen fast 10 cm langen Fühlern beim Männchen einer der größten Käfer Europas. Schöne Zeichnungen und oft prächtige Farben sind seine Zierde.
Die Bockkäferfamilie zählt in der Welt rund 25.000 Arten. Der größte Teil kommt in den Tropen vor, in unserem Land kennt man 230 Arten. Die Zahl der mitteleuropäischen Arten ist mit 180 – 200 angegeben. Kein Wunder also, dass die Böcke sonnenliebende Tiere sind. Oft zieren sie wie Edelsteine die Blüten der Gebirgspflanzen, natürlich nicht aus ästhetischen Gründen, der Pollen ist die bevorzugte Nahrung für viele Arten. An zweiter Stelle stehen dann ausfließende Baum- oder Pflanzensäfte. Andere nehmen als erwachsene Käfer überhaupt keine Nahrung mehr auf. Fast alle Böcke gehören zu den guten Fliegern, nur die Erdböcke haben diese Fähigkeit verloren. Man kann sie bei Sonnenschein zwischen Gräsern wandern sehen.
Viele Bockkäfer besitzen ein Zirporgan zwischen dem zweiten und dritten Brustsegment. Durch die Reibung harter Chitinrillen wird ein ziemlich lauter Ton hervorgebracht. Einige Arten, wie der Moschusbock (Aromia moschata) besitzen auch eine wohlriechende Duftdrüse. Nähert sich aber ein Feind, kann dieser nach Rosen duftende Käfer aus dem Mund eine wasserhelle beißende Flüssigkeit bis auf 10 cm weit spritzen.
Wie alle Insekten haben auch die Böcke in ihrer Entwicklung verschiedene Lebensstadien (Käfer haben eine komplette Metamorphose, also ein Ei, Larven- und Puppenstadium, dann das vollentwickelte Insekt). Die Larven der weitaus meisten Bockkäfer fressen Holz. Einige Arten ziehen stattliche alte Bäume vor. So zum Beispiel die Larven des schon genannten Großen Eichenbocks (Cerambyx cerdo, auch unter dem Namen Riesenbock, Heldbock oder Spießbock bekannt). Die fingerdicken und fast 10 cm großen Maden durchbohren die Stämme der altersschwachen Riesen, die Bohrgänge sind mitunter einen Meter lang. Dass bei starkem Befall diese Bockkäferlarven das Lebensende der alten Eichen beschleunigen, ist klar. Die Schäden erreichen aber kaum die wirtschaftliche Schwelle, in Mitteleuropa wäre man sogar froh, hin und wieder eine Eiche zu opfern, nur um diese beeindruckenden Geschöpfe noch eigen nennen zu können. Solche Sorgen haben die Karpaten aber noch nicht heimgesucht.
Wie steht es eigentlich mit der Artendiversität der Böcke in den Karpaten? Es ist eigentlich keine Überraschung, dass etwa ein Viertel der in unserem Land vorkommenden Arten Gebirgsbewohner sind, das Vorhandensein der meisten Arten an Wälder gebunden ist. Es gibt sogar eine Blaubockart (Gaurotes excellens), die nur in den Karpaten vorkommt, ein etwa 1,5 cm langer Käfer mit wunderschön metallisch grün-blauen Flügeldecken, der sich, recht selten, auf den Blüten verschiedener Pflanzen im Retezat-Gebirge tummelt.
Alle in den Karpaten vorkommenden Arten können wir nicht erwähnen, in den folgenden Zeilen soll aber von einigen schönen Arten die Rede sein, die wir öfter antreffen und die auch durch ihre Größe auffallen.
Der weitaus schönste Bockkäfer der Gebirgslandschaft und überall in den Karpaten verbreitet ist der Alpenbock (Rosalia alpina). Der Kontrast zwischen den schwarzen Flecken und dem samtigen fliegerblauen Untergrund ist unter den Käfern eine einmalige Kombination. Der schlanke, 3 – 4 cm große Käfer ist in den Buchenwäldern am häufigsten, da seine Maden unter der Rinde von Buchenstubben leben, der Käfer selbst ist aber auch in größeren Höhen anzutreffen (bis 1500 m). Macht der Alpenbock einen zierlichen Eindruck, so wirkt sein Gegenstück, der Trauerbock (Morimus funereus) plump und kräftig. Sein chitinisierter Panzer ist stark und hart. Die vier schwarzen Punkte auf den grauen Flügeldecken machen diese 2 – 3 cm große Bockart unverkennbar. Zu den stattlichen Bockkäferarten gehören auch die drei Langhornböcke. Der Schneiderbock (Monochamus sartor) und der Schusterbock (Monochamus sutor) sind in den Nadelwäldern relativ häufig. Die kleinere und seltene dritte Art Monochamus saltuarius, eine typische Gebirgsart, bei uns im Retezat und Rodna-Gebirge anzutreffen, hat keinen volkstümlichen Namen.
Zu den mittelgroßen Arten gehören die bunten Halsböcke (Gattung Leptura) und die Schmalböcke (Gattung Strangalia). Beide Gattungen besuchen mit Vorliebe die in der Sonne stehenden Dolden, oft auch in größeren Mengen. Für die Schmalbockarten sind die gelben Flügeldecken mit den schwarzen Flecken und Zeichnungen charakteristisch. Die Halsböcke sind eher einfarbig grün (Leptura virens) oder rot (L. rubra). Etwas Glück müssen wir haben, den Purpur- oder Blutbock (Purpuricenus kaehleri), auch einen Blütenbesucher, anzutreffen. Er gehört in die tiefer gelegenen Waldgebiete. Bei diesen eng miteinander lebenden Blumenböcken wir der gleichartige Geschlechtspartner nach Betastung herausgefunden. Gibt es mehrere Bewerber, werden heftige Kämpfe zwischen den Männchen ausgetragen. Geringt wird mit den Fühlern, den Vorderbeinen, und manchmal werden auch die scharfen Zangen der Mundwerkzeuge eingesetzt. Sind die Kämpfe entschieden, folgt das Liebesspiel und dann die Eiablage.
Legen wir einen Ruhetag zwischen unseren Wanderungen ein, bieten sich öfter Gelegenheiten für solche unvergessliche Beobachtungen. Wir möchten gekürzt eine solche von R. Mell über das Verhalten des Roten Halsbocks bei der Eiablage wiedergegeben: „Ein Weibchen lief langsam von unten her um den alten Kieferpfahl einer Einfassungsplanke herum, zuweilen mit den Fühlern, meistens aber mit der langen, elastisch wie eine Spechtzunge herausschießenden und schmiegsamen Legeröhre tastend. Zuweilen drückte er die Spitze dieser auf den Stamm, scheinbar dessen Widerstand oder Beschaffenheit prüfend, dann schob er sie nach allen Richtungen in die Ritzen. Beunruhigt machte der Käfer ein bis zwei Runden um den 8 cm starken Stamm. Von neuem glitt die Legeröhre suchend über die Rinde. Eine Menge Spalten, die nach menschlichem Ermessen ganz prächtig zur Eiablage gepasst hätten, sagten ihm nicht zu. Endlich ein 8 mm langes, 4 mm breites, ganz dünnes Schüppchen, unten eine winzige Sprungfurche zeigend, schien ihm zu gefallen. Er schob die Legeröhre aufwärts in wiederholten drängenden und bohrenden Bewegungen. Nach 24 Sekunden zog er sie heraus. Unter der Schuppe lag ein Ei. Noch 3mal innerhalb einer Stunde brachte der Käfer ein Ei an, bald seitwärts, bald nach unten bohrend.“
Noch einmal über die Verbreitung der Bockkäferarten in den verschiedenen Gebirgszügen der Karpaten. Die weitaus größte Zahl treffen wir in den Südkarpaten an. Für die Fogarascher Berge kann, ohne vollständig zu sein, folgende Liste angeführt werden: Zwei Schrot- oder Zangenböcke (Rhagium bifasciatum, R. sycophanta), der Schwarzrandige Vierfleckbock (Pachyta lamed), zwei Kugelhalsböcke (Acmaeops pratensis, A. collaris), der Schnürhalsbock (Pidonia lurida), vier Halsböcke (Leptura unipunctata, L. rubra, L. virens, Judolia cerambyciformis), sechs Schmalböcke (Strangalia nigripes, S. aurulenta, S. quadrifasciata, S. maculata, S. melanura, S. septempunctata), der Moschusbock (Aromia moschata), der Widder- oder Zierbock (Clytus lama), der Walzenhalsbock (Phytoecia coerulescens) und die schon erwähnten Alpen-, Blut-, Eichen-, Trauer-, Schuster- und Schneiderbock.
Die Insektenwelt hat, wie man sieht, auch ihre schönen Seiten. Denn nicht alles, was krabbelt, muss auch lästig sein.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 90, S. 145 – 151)

Seite Bildunterschrift
 
146-o Purpurbock
146-u Rothalsbock
147 Alpenbock
150 Großer Eichenbock
151-o Moschusbock
151-u Trauerbock
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