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Riffe, Muscheln und geheimnisvolle Höhlen

von Marcian Bleahu

Der Schneckenberg (Apuseni-Gebirge)

Diesmal führt uns der Weg ins Herz des Apuseni-Gebirges (Siebenbürgisches Erzgebirge), ins schöne Arieş-Tal. Wir fahren flussaufwärts, kommen nach Câmpeni, wo der Große und der Kleine Arieş zusammenfließen, und folgen dem Kleinen Arieş etwa 10 km weit. Wer nicht motorisiert ist, kommt von Turda per Zug bis Câmpeni und setzt den Weg mit dem Bus oder zu Fuß fort.
Am Ende der Ortschaft Vidra, ungefähr da, wo das letzte Haus links steht, überqueren wir einen von rechts steil kommenden Seitenbach. Und da steht auch ein Hinweisschild, das uns auf die geologische Sehenswürdigkeit aufmerksam macht: Naturschutzgebiet „Dealul cu Melci“ (Schneckenberg). Der Name sagt schon alles, denn wenn wir uns nähern, stellen wir fest, dass der ganze rechte Hang der Landstraße jenseits des Tales praktisch nur aus aneinander gekitteten Schnecken besteht, unheimlich viele Schnecken in wildem Durcheinander. Diejenigen, die an der Oberfläche liegen, sind zum Teil abgeschabt, so dass nun perfekte Querschnitte durch ihre Spiralen sichtbar sind, die sich weiß aus dem grauen Grundgestein abheben. Gut erhaltene Schnecken lassen sich aus der Gesteinsmasse lösen und sehen aus wie längliche, 5 – 15 cm lange Fässchen. Wie es sich in der vornehmen Welt der Fossilien nun mal gehört, haben alle diese einstigen Tiere ihre lateinische Benennung: Acteonella gigantea, A. lamarcki, A. conica. Zwischen den unzähligen Schnecken kann man hier und da auch Muscheln entdecken, wie z. B. die leicht längliche Modiolus oder die trapezförmige Arca, die kleine und rundliche Astarte oder die fein gerippte und ovale Crasatella. Alle diese Tiere haben vor etwa 75 Mio. Jahren in einem warmen Meer gelebt, in guter Gemeinschaft, die sich auf gegenseitige Hilfe gegenüber dem Ansturm der Wellen und Meeresstürme gründete, indem sie den kollektiven Widerstand all ihrer Gehäuse in einer Riffgemeinschaft nutzten. Derartige Riffe vom Ende der Sekundär-Ära haben auch einen Namen: „Gosaufazies“, nach dem Namen der Ortschaft aus den Ostalpen, wo diese Riffe erstmals erforscht wurden. Das Acteonella-Riff bei Vidra ist etwas ganz Besonderes, dank der unendlich großen Zahl gut erhaltener Lebewesen.
Und – da wir nun schon mal hier sind – wollen wir auch ans andere Flussufer hinüber, wo ein beeindruckender, 10 m hoher Wasserfall aus einer von unten nicht sichtbaren Karstquelle entspringt. Aber dass es sich um ein Karstphänomen handelt, beweist der große Kalkgehalt des Wassers; dieser Kalk setzt sich, einem schwammigen Amalgam ähnlich, ab und überzieht Gras und Blätter. Es bildet sich ein leichtes, weißes Gestein, der kalkhaltige Tuff. Auch so lässt sich ehemaliges Leben konservieren, nicht nur durch die Verwandlung der Gehäuse in Kalk, wie im Falle der Riffe, sondern auch durch Verkrustung.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 90, S. 94 – 95)

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93 Der Schneckenberg, ein wahres Wunder der Natur.
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