Die Vogelwelt der Nadel- und Buchenwälder in den Karpaten
von Klaus Fabritius
Der Wald ist mehr als die Summe der Bäume. Er ist eine geschlossene
Lebensgemeinschaft. Jeder Waldtyp hat so auch seine charakteristische Vogelwelt.
Bekanntlich befinden sich die Nadelhölzer in unseren Bergen in Höhenlagen zwischen 1000
und 1600 m und die Buchenwälder in der Regel zwischen 600 und 1000 m. Die typischen
Vögel für die Gebirgswälder der Karpaten, wenn auch nicht die häufigsten, sind die
Raufußhühner, kennzeichnend für die Nadelwälder das bekannte Auerhuhn (Tetrao
urogallus), für die Buchenwälder das Haselhuhn (Tetrastes bonasia).
Die Nadelwälder sind in den Ostkarpaten weit verbreitet, an manchen Stellen gibt es schon
ab 800 m kompakte Waldungen, in den Südkarpaten ist ihre untere Grenze viel höher (etwa
bei 1200 m). In den Westkarpaten hingegen sind sie weniger verbreitet, da hier die Buche
größere Höhen erreicht. Stoßen die Nadelwälder an die Buchen, so haben wir erst einen
Mischwald. Der Wald lichtet sich, so kann sich am Boden auch eine mannigfaltigere
Vegetation ausbreiten.
Etwa 25 Prozent der in den Karpaten brütenden Vögel (40 Arten) sind typische Vertreter der
Gebirgswälder. Wir können drei Kategorien unterscheiden: Vögel, die sowohl in den Nadel-
als auch Buchenwäldern zu Hause sind, typische Vögel der Nadelwälder und solche der
Buchenwälder.
Aus der ersten Kategorie, also Vögel, die wir im Bereich der ganzen tausend Höhenmeter
(1600 – 600 m) antreffen, sollen folgende genannt werden: der Sperber (Accipiter nissus),
der Mäusebussard (Buteo buteo), der Habichtskauz (Strix uralensis), von den Spechten der
Schwarzspecht (Dryocopus martinus), der Weißrückenspecht (Dendrocopos leucotes), auch
mit einer für die Karpaten typischen Form, die Klappergrasmücke (Sylvia curruca), der
Zilpzalp (Phylloscopus collybita), der Zwergschnäpper (Ficedula parva), das Rotkehlchen
(Erithacus rubecula), die Misteldrossel (Turdus visivorus), der Zaunkönig (Troglodytes
troglodytes), der Bergfink (Fringilla montifringilla), eine in den Karpaten sporadisch brütende
Art, und der Eichelhäher (Garrulus glandarius). Entlang der Bäche, die die Wälder
durchqueren, treffen wir den Schwarzstorch (Ciconia nigra), den Flussuferläufer (Tringa
hypoleucos), die Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) und die Wasseramsel (Cinclus cinclus).
Natürlich muss diese Höhenbegrenzung nicht zu orthodox angesehen werden, einige der
Vogelarten sind auch unterhalb dieser Grenze anzutreffen. Denken wir nur an Sperber,
Mäusebussard, Rotkehlchen, Eichelhäher, um nur einige zu nennen.
Typisch für die Nadelwälder, außer dem kennzeichnenden Auerhuhn und Auerhahn sind der
Raufußkauz (Aegolius funereus), der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum), die kleinste
Eule unseres Gebietes, der in alten Spechthöhlen brütet und sowohl bei Tag wie in der
Nacht jagt. Auch das Birkhuhn (Lyrurus tetrix) gehört in die höher gelegenen Wälder der
Gebirge. Die Balz auf bestimmten Sammelplätzen in den frühen Morgenstunden zählt ganz
sicher zu den seltensten Erlebnissen. Zu den schon genannten Spechten kommt der
Dreizehenspecht (Picoides tridactylus alpinus) dazu, der einzige Specht bei uns, dessen
Männchen einen gelben Scheitel hat. Bekommen wir ihn nicht zu Gesicht, können wir ihn am
langsamen Trommeln von seinen Verwandten unterscheiden.
Ist die Alpenbraunelle ein typischer Vogel des Hochgebirges, so wohnt hier die
Heckenbraunelle (Prunella modularis). Beim flüchtigen Hinsehen kann sie mit unserem
Haussperling leicht verwechselt werden, dieser bleibt aber den Nadelwäldern fern. Zu den
kleinen lebhaften Vögeln gehören auch drei Meisenarten. An erster Stelle muss die
Tannenmeise (Parus ater) erwähnt werden, die anderen beiden sind die Haubenmeise
(Parus cristatus) und die Weidenmeise (Parus montanus) mit der schwarzköpfigen
siebenbürgischen Unterart (P. m. transsylvanicus). Die beiden Goldhähnchen – das
Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillus) und das Wintergoldhähnchen (Regulus
regulus) – sind die kleinsten Vögel Europas (von der dünnen Schnabelspitze bis zum Ende
der Schwanzfedern bleiben sie unter 10 cm). Der Zeisig (Carduelis spinus) und der
Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirosta) sind die Vertreter der Finken. Mit seinem gekreuzten
Schnabel klettert der Fichtenkreuzschnabel papageiartig an den Fichtenzapfen, deren
Samen die exklusive Nahrung dieser Singvögel ist. Da nicht alle Samen verzehrt werden,
tragen sie auch zur Aussaat der Nadelhölzer bei. Auch fallen so manche Zapfen auf den
Boden, so sorgen die Fichtenkreuzschnäbel, dass auch andere Lebewesen, die nicht so
hoch „klettern“ können, zu ihrer Nahrung kommen. Oft nomadisieren die Kreuzschnäbel.
Auch eine andere Kuriosität ist bei ihnen zu erwähnen, und zwar wurden sie auch in den
Wintermonaten brütend angetroffen.
In den Nadelwäldern zu Hause ist auch die Ringdrossel (Turdus torquatus), die der
allbekannten Amsel sehr ähnlich ist, durch den weißen Brustfleck von dieser aber leicht zu
unterscheiden. Der Name verrät schon, dass der Tannenhäher (Nucifrage caryocatactes)
auch in diese Wälder gehört. Er kann oft hüpfend am Erdboden beobachtet werden. Ein
Leckerbissen sind für ihn die Samen der in den Karpaten sehr seltenen Zirbelkiefer. Oft
versteckt er die „Zirbelnüsse“. Vergisst er, wo sie sind, wächst dort vielleicht in einigen
Jahren ein neuer Baum. Als letzter Geselle der Auerhühner soll noch der Kolkrabe (Corvus
corax), der größte schwarze Vogel unserer Breitengrade, erwähnt werden.
Der kennzeichnende Vogel für die Stufe der Mischwälder ist das schon erwähnte Haselhuhn,
der kleinste Vertreter unter den Raufußhühnern der Karpaten. Es bevorzugt unterholzreiche
Wälder, sonnige, warme Hänge in Bachnähe. In die Buchenwälder dringen verschiedene
Vögel ein, die nicht an bestimmte Höhen gebunden sind, oder solche, die für die tiefer
liegenden Wälder charakteristisch sind. Außer dem Haselhuhn können noch fünf typische
Vögel für diese Gebirgswälder genannt werden. Es sind: der Rotmilan (Milvus milvus), die
Waldschnepfe (Scolopax rusticola), die tagsüber kaum gesehen werden kann, da sie erst
wenn der erste Stern am Himmel zu sehen ist, aktiv wird, der Fitis (Phylloscopus trochilus),
von den Finken der unverkennbare Gimpel oder Dompfaff (Pyrrhula pyrrhula), welcher im
Winter auch manchmal in den Gärten anzutreffen ist, und der Girlitz (Serinus serinus). Der
Girlitz sieht dem Zeisig sehr ähnlich, ist aber etwas kleiner als dieser, hat einen viel kürzeren
Schnabel und das Männchen keinen schwarzen Oberkopf.
Wege durch die Wälder, mal breiter angelegt, mal nur ein Pfad, oft eine Schneise, aber
trotzdem abwechslungsreich – auch weil sie von Vögeln belebt sind. Abgesehen von einigen
Ausnahmen sind die Vögel keine Gipfelstürmer. Sie machen halt, wenn eine gewisse Höhe
erreicht ist.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 89, S. 101 – 107)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
102-ol | Haselhuhn |
102-or | Raufußkauz |
102-u | Auerhahn |
103-o | Wasseramsel |
103-ul | Weißrückenspecht |
103-ur | Bergfink |
106-o | Tannenhäher |
106-m | Waldschnepfe |
106-u | Gimpel |
107 | Gebirgsstelze |