Sommerreise nach Bad Geoagiu
von Hans Liebhardt
Wir hatten es gern, über den Hohlweg oder sonst auf eine Art auf den Hügel zu steigen, im
frühen Sommer, wenn noch die Akazien blühten oder die hellroten Heckenrosen, und einen
Blick zu werfen auf die Ortschaft im Talkessel: Bad Geoagiu, mit den Bassins des Freibads –
und die sind doch tatsächlich das wichtigste –, den hellen Würfeln der Kurhotels aus Glas
und Beton vor den Waldbäumen, den Häusern und Gärten der Einheimischen. Wenn wir
dann ein Stück weitergingen, tat sich die wellige Landschaft hier am Fuße des
Siebenbürgischen Erzgebirges auf, geprägt durch ein mildes Klima, mit den Anwesen auf der
einen und anderen Höhe, den Äckern für Hafer, Mais oder Kartoffeln, ab und zu eine
weidende Schafherde oder ein paar Kühe. Als Blickfang immer wieder ein Baum, den man
von weitem bewundern oder unter dem man sich niederlassen konnte, das Ganze aber als
Beginn eines Sommers, in dem noch alles möglich war.
Ich habe den Weg nach Geoagiu über Adolf Meschendörfer gefunden, obwohl es in ein Bad
natürlich auch einfachere Wege gibt, als über die Literatur. Als ich im Frühjahr 1957 den
Altmeister in seinem Kronstädter Haus besuchte – es steht auf einer Anhöhe gegenüber der
Zinne –, musste er mir allerdings mehrmals erklären, dass das „Schlangenbad“ in seinem
Roman „Der Büffelbrunnen“ (Erstausgabe 1935) eben Bad Geoagiu sei, auf vulkanischem
Boden gelegen, mit dem wärmsten Heilwasser, das man sich denken kann, mit Nussbäumen
und Kastanien wie im Süden.
Später habe ich mich dann ausführlich mit dem „Büffelbrunnen“ beschäftigt, denn außer
Geoagiu kommt darin auch Costineşti an der Schwarzmeerküste vor. Hier sollen bloß ein,
zwei Sätze aus einer Beschreibung des „Schlangenbads“ angeführt werden: „Am Morgen
spannte der Wirt selbst eine blinde Mähre vor sein Wägelchen, um dem Fremden das Bad
zu zeigen... Sie polterten über die Holzbrücke des breit daherrauschenden Flusses und
knarrten dann die prächtige Kunststraße bergauf, deren mächtige Windungen sich in einem
Gewirr von Schluchten verloren. Bei jeder Biegung tauchten neue Bergkuppen auf, bedeckt
mit alten Nussbäumen, die wild, in ganzen Wäldern die Abhänge hinauf und hinab besetzt
hielten, mit abgeernteten Kukuruzfeldern und verstreuten Gehöften, die aus rotem Weinlaub
herausschauten...“
Als ich dann ein Jahr später mit meinem Bruder zum ersten Mal die „Kunststraße“
hinaufkeuchte – mein Bruder arbeitete damals in Hunedoara, ich hatte ihn besucht, und was
lag näher, als einen Ausflug nach einem attraktiven Ort, also nach Geoagiu zu machen? –
war uns nicht nach Romanen zumute. Mit dem Zug waren wir zwar auf dem Bahnhof
Geoagiu angelangt, aber der Weg durch die Miereschau und über die Miereschbrücke, dann
durch das endlos lange und reiche Dorf Geoagiu unten im Tal – hier gibt es auch eine
bekannte Forschungsstation für Nussbäume, was uns im Moment aber nicht gerade
interessierte –, schließlich die Serpentinen oder Abkürzungen hinauf ins eigentliche Bad –
das alles konnte zu Fuß schon eine Geduldsprobe sein. Junge Leute haben jedoch einen
anderen Schwung als umständliche Sommerfrischler, sie finden sogar eine Unterkunft, ohne
viel zu suchen. Für uns war das die Villa, die zu jener Zeit dem Staatsgut Großpold gehörte,
wir schliefen unter einer Decke und in der Früh brachte uns der Koch warme Milch und
frisches Brot. Im Bad aber gab es in jenem Spätherbst so wenige Besucher, dass der
Wasserspiegel der Bassins fast so klar war wie der siebenbürgische Himmel.
In früheren Jahrhunderten sind bloß noble Leute ins Bad gefahren, die Einheimischen
allerdings haben die guten Quellen schon immer genutzt. Hier nun ein Zeugnis über Bad
Geoagiu aus dem 17. Jahrhundert, es steht in der „Dreifachen Schwedischen
Gesandtschaftsreise nach Siebenbürgen, der Ukraine und Constantinopel“, die Conrad
Jakob Hiltebrandt in den Jahren 1656 – 1658 unternahm, und über die er später nach
Tagebucheintragungen auch ein Reisebuch geschrieben hat:
„Es war auch deren Herren Abgesandten ein heilsames warmes Bad in der Nähe
recommandiret, dahin sie auch mit des Fürsten Beliebung, der sie mit seinem eigenen
Wagen und Pferden dahin führen ließ, reiseten, hieß Goig (Geoagiu Băi), 2 ½ Meil von
Weißenburg. Unser Commisarius ritt auch mit, wir lagen unterwegs Nacht zu Wintz... Unser
Koch war auch an Ort geschicket. Das Wasser kam aus einem Berge in einer Heiden, war
leidlich warm; es war ein schlecht Haus dabei, darin unterschiedliche Cämmerlein waren, in
welchen man aber nichts fand; an den Wänden stunden viele Namen gekrizelt. Da das
Wasser herabschoss, war oben ein enger Steinfels, doch dass zween gegeneinander sitzen
konnten, unten war ein viereckig großer Raum, darin man schwimmen könnte, schier bis an
den Hals tief Wasser. Dahinen unser Commisarius öfters sprang und ploderte...“ (Womit
gewiss eine Art plätschern gemeint ist.)
Badereisen aus den Städten wurden früher so unternommen, dass man den großen
Reisewagen vollpackte, sogar die Strohsäcke und Steppdecken nahm man mit, das
Kochgeschirr und alle möglichen Lebensmittel, die Kinder und das Hausgesinde wurden
verladen, und das war dann wohl die wichtigste Angelegenheit des Sommers. Die weitere
Entwicklung dieser Freizeitgewohnheiten hängt dann hier wie überall mit dem Ausbau des
Eisenbahnnetzes zusammen, das Ende des vorigen Jahrhunderts bei uns insbesondere
durch Dr. Carl Wolff und die Hermannstädter Sparkassa betrieben wurde. Jedenfalls ergab
sich auch für die Sommerfrischler bald die Möglichkeit, im Burzenland, in Schäßburg und
Mediasch – auf der anderen Seite in Fogarasch – oder schließlich in der Zibinsgegend in den
Zug zu steigen, in Richtung Winz zu fahren und Bad Geoagiu zu erreichen. Dadurch bestand
– zumindest technisch gesehen – eine Voraussetzung für die Erweiterung der Reise- und
Urlaubsgewohnheiten breiterer Kreise der Bevölkerung.
Die Brooser sind schon immer über den Berg nach Bad Geoagiu gewandert, das Städtchen
liegt zwar 12 km entfernt, es gibt aber, wie gesagt, auch eine Abkürzung. So war es auch
eine Brooser Gesellschaft, die 1935 im Bad das kleine Becken baute und 1939 das große
mit dem Sprungturm. In den letzten Jahren wurde die Anlage natürlich wieder erweitert, u. a.
durch das dritte Becken, das mit den olympischen Ausmaßen. Die meisten Funde aus der
Römerzeit wurden bei den Grabungen von 1939 gemacht, denn die Thermae Germisara –
so hieß das Bad – waren schon damals bekannt und beliebt. Man fand Ziegelsteine,
Münzen, die alte Einfassung einer Quelle, eine Statue des Äskulap und der Hygeea, etwa
aus dem Jahr 161 u. Z., der damalige Gouverneur von Dazien hatte sie als Dank für seine
Heilung aufstellen lassen.
„Geoagiu, magisches Klangspiel aus fünf Vokalen, magischer Ort, wo man auf den
Steinplatten der Römerstraße spazieren geht, wo wir noch in Fels gehauene Wannen sahen,
wer weiß, aus Kaiser Hadrians Zeit, später leider überbaut, wo an einer Biegung der
Dorfstraße das lustige Häuschen stand, für Sommerwochen mit Freude gemietet...“ So
beginnt Ursula Bedners, die Schäßburger Dichterin, ihre Geschichte über Bad Geoagiu, der
Text steht in ihrem Buch „Hinter sieben Bergen“ (Kriterion Verlag Bukarest 1986) und Ursula
Bedners zählt seit vielen Jahren zu den treuesten Geoagiu-Urlaubern.
Ich weiß allerdings nicht mehr, wie viele Häuser oder Häuschen wir gemietet haben, wenn
wir mit dem Trabant in den Kurort einbogen und mitten auf dem Platz vor dem Pelzgeschäft
hielten. Einmal war es eine Stube in dem langgestreckten Haus mit der Holzveranda, auf der
wir den besten Gemüsesalat zubereitet haben. Ein andermal war es ein Zimmer mit dem
Blick in den Garten, jedenfalls musste immer ein Stall in der Nähe sein, weil Hedwig dort die
frisch gemolkene Milch holen wollte. In einem anderen Jahr waren wir auf einen Berg
hinaufgefahren, in ein Haus, das die Autotouristen unerklärlicher Weise mieden, erst am
Ende kamen wir darauf, warum: Als wir abfahren wollten, hatte es geregnet, und der Trabant
musste – unter Mithilfe von manchem Bauersmann – wie ein Schlitten den lehmigen Weg
heruntergelassen werden.
Hedwigs Eltern hatten es lieber, im Hotel zu wohnen. Dieses kleine Hotel, das von der
Genossenschaft verwaltet wird, steht am Anfang des Parks mit seinen alten Alleen, dem See
und dem Bächlein, das hier durchfließt, es kam mir immer vor, als hörte ich darin die
Promenadenmusik spielen, rührend und ein bisschen traurig, wie aus einer anderen Zeit.
Jedenfalls war es nicht leicht, im Hotel ein Zimmer zu besorgen.
Diese Angelegenheit hat sich inzwischen gründlich geändert: Bei der Einfahrt zum Kurort
wurde das moderne Hotel „Diana“ – u. a. mit eigenem Schwimmbecken im Haus – errichtet,
es gibt den bestens ausgestatteten Kurkomplex „Germisara“, an einem der Berghänge die
ausgedehnten Kurbauten, die dem Landesverband der LPG gehören und vor denen gerade
auch der Autobus hält, eine eigene nette Anlage des Amtes für Jugendtourismus, mit den
Sport- und Freizeiteinrichtungen, die jungen Leuten Spaß machen, noch immer genügend
Villen, die vom Reisebüro verwaltet werden, Campinghäuschen wurden aufgestellt und die
Möglichkeiten fürs Zelten verbessert.
Für uns hatten wir bis zuletzt eine Gelegenheit gefunden, die beides unter einen Hut brachte:
Auch den Hotelkomfort, den man letzten Endes doch nicht missen möchte, und auch die
Naturnähe im Hof und Garten, die Hedwig so liebte. Das war die Villa gleich rechts bei der
Einfahrt, die ziemlich jungen Dorfleuten gehörte und wo wir das ganze obere Stockwerk
mieten konnten, mit Badezimmer und Küche, so dass Platz für alles war. Bloß das Hinauf-
oder Hinunterschleppen der Koffer dauerte jedes Mal fast eine Stunde. Wenn der Mensch
dann aber nachmittags auf der Terrasse saß, unten den Wasserfall rauschen hörte oder auf
der anderen Seite das Geschehen auf der Straße in Augenschein nahm – denn warum sitzt
man sonst überhaupt auf der Terrasse? – war das bisschen Mühe schon längst vergessen.
Ich halte es für eine Unart, wenn Leute in einem Bad faulenzen und dabei auf dieses Bad
schimpfen und ein anderes loben. Sagen wir die Männer und Weiber, die sich im kleinen
Bassin beim Einfluss des Thermalwassers drängen und nach Möglichkeit immer auf einen
besseren Platz vorrücken. Da taucht schon manchmal ein Übergescheiter auf, der sagt,
Felixbad sei unvergleichlich nobler, auch das Wasser sei dort viel wärmer, auch der Apollo-
Strand etwas ganz anderes, als dieser Tümpel. Natürlich habe auch ich Felixbad mit seinen
einmaligen Seerosen und dem gut eingerichteten Apollo-Strand gern – insbesondere wegen
dem bestens funktionierenden Winterbetrieb –, aber Geoagiu ist eben Geoagiu. Und die 31
Grad, mit denen das Heilwasser ins Becken rinnt, sind für meine Begriffe auch Wärme
genug.
Ins Freibad kommen alle. Das sind auch die Leute, die sich in den Kurkomplexen behandeln
lassen, denn wer will schließlich den ganzen Tag Patient sein? Es gibt Kuren gegen
Rheuma, gegen sonstige Erkrankungen des Bewegungsapparats und des peripheren
Nervensystems, gegen Posttraumatische Leiden, Frauenkrankheiten, endokrine (Drüsen)
Leiden; durch Trinkkuren – eine der Quellen sprudelt allen sichtbar beim Parkeingang –
können auch Ernährungsstörungen geheilt werden. Die mezzothermalen Quellen von
Geoagiu sind radioaktiv und kohlensäurehaltig, durchsetzt mit Magnesium, Lithium, Mangan,
Kalzium, Stickstoff- und Schwefelsalzen. Doch wer denkt an all das, wenn er im kleinen
Bassin mit den Kindern oder älteren Weibern plätschert oder in einem der zwei großen
Becken nach Herzenslust schwimmt?
Hedwig kam auch aus einem anderen Grund gern nach Geoagiu, und zwar weil man hier –
wie sie sagte – einen so guten Auslauf hat. Dabei meinte sie die Möglichkeit für
Spaziergänge, für Wanderungen in alle Himmelsrichtungen, die jedem offen stehen, ohne
dass sich die Sommerfrischler gegenseitig auf die Hühneraugen treten. Am liebsten machten
wir gegen Abend den Spaziergang auf die Römerstraße, es ist nicht weit, Luise als ältere
und erfahrene Person ließ sich bei den letzten Häusern auch immer in ein Gespräch mit ein,
zwei Bäuerinnen ein, kommentierte dann das Wachsen der Föhrenbäumchen in der
Baumschule, horchte auf die Geräusche der Säge im Marmorbruch unten, und schließlich
machte die Gesellschaft fürs erste beim Ententeich halt. Das ist ein Hochmoor, alle
Vogelarten, hauptsächlich Schwalben und natürlich Wildenten, versammeln sich hier. Auf
einem Steglein kann man bis zum Waldesrand vordringen, um die Quelle zu entdecken, die
diesen Teich mit seinem Riedgras und Fassbinderrohr speist. Die zweite Etappe führte dann
ein Stück auf der Römerstraße weiter – meist unter vollbehangenen Zwetschkenbäumen –,
es war beruhigend, auf diesem Weg zu gehen.
Luise war der Meinung, dass man das Auto deshalb bei der Hand habe, um auch weitere
Ausflüge zu machen. So sind wir einmal von Geoagiu aus nach Sarmizegetusa gefahren, die
Dakerburg inmitten der großmächtigen Brooser Berge, immer die Forststraße und den
Wasserlauf entlang, vom Bächlein bis auf den Bergkegel waren dann etwa 500 Meter zu Fuß
zu bewältigen, streckenweise über Bretterstiegen. Oben führte der Weg unter Buchen zu der
Anlage mit den Sanktuaren, man stand dann wie vor einer Entdeckung: das Wissen der
Daker über die Einteilung des Jahres und des Firmaments.
Ein andermal haben wir einen Ausflug in die Gemeinde Aurel Vlaciu unternommen – man
biegt bloß von der Landstraße in die Miereschau ein –, hier in Benzenz wurde 1882 der
Pionier des rumänischen Flugwesens Aurel Vlaciu geboren. Wir gingen natürlich ins
Gedenkhaus, das in einer Reihe mit allen anderen Bauernhöfen steht, wir betrachteten auch
lange das Foto mit den Burschen in heller rumänischer Volkstracht um den Flugapparat, die
dem Piloten bei einem Aufstieg auf dem Benzenzer Hattert behilflich sind.
In einem anderen Jahr schließlich hatten wir uns – wieder von Geoagiu aus – eine Rundreise
durchs Siebenbürgische Erzgebirge vorgenommen, über die neuen Asphaltstraßen, die hier
überall gebaut wurden. Wir fuhren hinter Deva hinein, immer unter Buchen oder mit dem
Blick auf Almwiesen, kamen in die Nähe von Abrud und kehrten – die ganze Strecke den
Ampoiul-Bach neben uns – zunächst nach Alba Iulia zurück. Hier in Weißenburg hatte sich
der Dichter Martin Opiz 1622 für zwei Jahre als Professor am Gymnasium niedergelassen.
Er hatte es gern, das Tal des Ampoiul-Bachs bis nach Zlatna hinauf zu wandern, er schrieb
darüber sein Gedicht „Zlatna oder von der Ruhe des Gemüthes“. Diese „Ruhe des
Gemüthes“ aber kann auch für und noch ein Erlebnis oder Ziel sein.
Eisenbahn: Bahnhof Geoagiu oder Orăştie (Züge aus Richtung Bukarest, Braşov, Arad),
Busverbindung in den Badeort.
Auto: Europastraße E 64 (aus Richtung Sibiu oder Simeria), Abzweigung 6 km von Orăştie
nach Geoagiu Băi.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 88, S. 62 – 70)
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64 | In der Mitte des Kurorts befindet sich das Freibad, die wichtigste Einrichtung. Hier ein Blick auf das kleine und zugleich älteste der drei Becken. |
65 | Das Hotel „Diana“, gleich bei der Einfahrt in den Kurort gelegen, wurde zu einem Kennzeichen für den modernen Kurbetrieb in diesem beliebten und traditionsreichen Badeort. |
67 | Der Landesverband der LPG hat in Bad Geoagiu eine eigene Kuranlage errichtet. Der von Direktor Martin Fröhlich verwaltete Komplex gehört zu den besten Einrichtungen dieser Art. |