von Stefan Schneider
Wenn man die Tauchstellen in den Höhlen Rumäniens der Schönheit ihres Namens nach einschätzen würde, so müsste man „Die blaue Quelle der Iza“ (Izvorul Albastru al Izei) an erster Stelle erwähnen. Sie liegt am Fuße des Rodna-Gebirges und ist einer der unzähligen Anziehungspunkte der Maramureş.
Vor mehr als zehn Jahren haben Geologiestudenten, Amateur-Höhlenforscher, Mitglieder
des Klausenburger Speläo-Klubs „Emil Racoviţă“ eine Stelle entdeckt, an der ein Bach in das
Innere des Rodna-Massivs verschwindet. Es folgten mehrere Erkundungsfahrten, während
denen der Wasserlauf einige tausend Meter zurückverfolgt wurde. Bei diesem komplexen
wissenschaftlichen Unternehmen wurden sowohl aktive als auch fossile Höhlenabschnitte
entdeckt, die heute den Namen „Die Höhle an der blauen Quelle der Iza“ tragen.
Die Klausenburger Studenten haben in den darauffolgenden Jahren unter der direkten
Anleitung der Forscher vom Speläologischen Institut Cluj-Napoca eine Reihe von
ausführlichen Studien über die einzigartige geologische und mineralogische Beschaffenheit
dieser Höhle durchgeführt.
Faszinierend und geheimnisvoll ist der Lauf des Baches, der in jahrtausendelanger Arbeit
diese Erscheinungen geschaffen hat. Nachdem der Bach im Hochgebirge entspringt, führt
sein Lauf durch Tannenwälder und endet am Fuße eines Hügels. Hier verlässt er die sonnige
Welt des Tages und beginnt seinen unterirdischen Weg. Er zwängt sich durch einen engen
Spalt zwischen dem kristallinen Gestein und dem Kalksteingebilde, wobei eine selten schöne
Landschaft entsteht: ein wildes Tal, wie man es im Retezat-Gebirge oder in den
Fogaraschern antrifft; das Einzigartige daran ist aber das Kalkstein-Dach. Es ist kalt hier und
feucht, Wasserfälle und Sturzfluten zeichnen die Landschaft seltener Kalksteingebilde.
Plötzlich, am Ende des unterirdischen Hauptgangs, ist das Wasser nicht mehr so stürmisch
und bildet einen See. Der träge dahinfließende Bach ist eigentlich eine ungewöhnliche
Erscheinung, dafür aber typisch für den Eingang einer unter Wasser liegenden Galerie.
Um das Geheimnis dieses Wasserlaufs zu enthüllen, haben Hydrologen Farbe
hineingeschüttet, die dann an einer einzigen Stelle wiedererschienen ist: „In der blauen
Quelle der Iza“, einer malerischen Landschaft, zauberhaft und sagenumwoben. Hier
entspringt die Iza, ein Fluss, der die Maramureş der Länge nach durchquert.
Am Fuße einer kleinen Kalksteinwand tritt der Bach zwischen den schlanken Tannen wieder
ans Tageslicht. Das Abenteuer des Flusses ist nun zu Ende. Zögernd, doch endlich haben
sich einige Taucher entschlossen, den Wasserlauf unter der Erde zu verfolgen, um sein
Geheimnis zu enthüllen. Im Laufe mehrerer Expeditionen hatten sie schließlich Erfolge zu
verzeichnen.
Es ist nicht gerade einfach, „In der blauen Quelle der Iza“ zu tauchen. Der Frühlingsregen
und vor allem die Schneeschmelze führen zu einer Vergrößerung der Wassermenge, die
Temperatur beträgt bloß 4° C und das Wasser ist infolge der aufgewirbelten
Sedimentpartikel äußerst trüb, so dass man kaum einen Meter weit sehen kann. Obwohl die
dicken Taucheranzüge warm halten, spüren wir in wenigen Minuten die Eiskälte. Am Fuße
eines Felsens sprudelt das Wasser zwischen Steinblöcken hervor. Nachdem wir einige
dieser Blöcke weggeschoben haben, können wir in die Tiefe eindringen. Der Gang wird
etwas breiter, aber nach etwa drei Metern stehen wir wieder vor einem Hindernis. Ein
waagerechter Steinblock lässt bloß einen 30 cm breiten Spalt frei. Mit den Pressluftflaschen
am Rücken und der ganzen Taucherausrüstung ist hier ein Durchkommen unmöglich. Wir
müssen umkehren. Die Taktik muss geändert werden.
Die Kollegen schütten draußen je einen Eimer warmes Wasser auf uns, danach bekommen
wir einen heißen Tee, der uns wieder aufmuntert. Das zweite Mal wollen wir mit den
Pressluftflaschen in der Hand untertauchen. Es scheint zwar schwer, diese vor sich
herzuschieben, aber es ist die einzige anwendbare Technik in einer solchen Lage. Wir
tauchen. Und es gelingt. Vor uns wird die Galerie breiter, das Wasser ist aber sehr trüb.
Mühsam tasten wir uns vorwärts. Die Höhlendecke scheint höher zu werden.
plötzlich sehen wir die silberweiße Oberfläche. Wir sind gut durch den Siphon gekommen.
Ein tosender Lärm umgibt uns. Wahrscheinlich ist irgendwo in der Nähe ein Wasserfall. Wir
steigen aus dem Wasser und unsere erste Sorge ist, die Leitschnur gut zu befestigen. Ohne
sie würden wir den Weg zurück ans tageslicht nie wieder finden können. Wir lassen die jetzt
unnötig gewordene Taucherausrüstung zurück und dringen weiter in den unterirdischen
Gang, durch welchen der stürmische Bach fließt.
Wir haben dieses einmalige Gefühl schon oft erlebt, durch eine Galerie zu gehen, die noch
von niemandem betreten worden ist. Aber jedes Mal ist dieses Gefühl der Entdeckung vom
gleichen Zauber erfüllt.
Auch hier scheint die Natur ganz verwildert. Riesige Steinblöcke, Sturzfluten und Wasserfälle
erschweren uns das Vordringen. An einigen Stellen erscheinen Seitengänge, auf deren
Erforschung wir vorläufig verzichten. Der Weg führt einige hundert Meter weiter, um dann
plötzlich im Spiegel eines Sees zu verschwinden. Für die Erforschung des eingangs
erwähnten Siphons sind wir nicht vorbereitet. Kälte und Müdigkeit treiben uns zurück. Mit
einem wehmütigen Blick verabschieden wir uns.
Der Weg nach oben scheint bedeutend leichter. Draußen warten unsere Kollegen mit
heißem Tee auf uns. Wir werden mit Fragen überschüttet: Wie ist der Siphon? Wie lang?
Wie breit? Wie ist die Höhle? Wie viel Meter sind es bis zum nächsten Siphon? So geht das
unaufhörlich weiter...
Beim Lagerfeuer werden neue Pläne geschmiedet. Eines ist sicher: Wir werden bald
zurückkehren, um die Höhle in ihrem vollen Umfang zu erforschen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 88, S. 185 – 187)