Auch älteren Semestern zu empfehlen
von Hans-Jürgen Müllerott (Arnstadt)
Aus dem Retezat kommend, begann für uns bei Livezeni, einem Ortsteil von Petroşani, der
Aufstieg ins Parâng-Gebirge. Herrliche Almen an dessen Fuß luden förmlich zum ersten
Biwak ein.
Nach einer angenehmen, hochsommerlich warmen Vorgebirgsnacht verfolgten wir bei
strahlendem Sonnenschein den von Livezeni kommenden Weg, der an einer kleinen Alm
endete. Ein schmaler, aber reißender Bach führte uns weiter durch einen sumpfigen
Laubwald zu der über der Baumgrenze gelegenen Baude, Cabana Rusu. Diese prächtige
Herberge, von einer kleinen Streusiedlung umgeben, ist der guten landestypischen Speisen
wegen jedem zu empfehlen.
Eine etwas kühlere Nacht bei den Cabanele IEFS unter dem Parângul Mic (2074 m) leitete
unsere viertägige Tour, über den in Wolken und aufsteigendem Nebel gebetteten
Hauptkamm des Massivs, nach Malaia ein. Der Dunst wurde nur von Minuten von der Sonne
durchbrochen und schenkte uns dann einen kurzen faszinierenden Blick in die Gipfel- und
Seenwelt. Nach Nordosten fällt das Gebirge meist steil ab, auf der Südseite reichen die mit
Geröllfeldern durchsetzten Grasdecken bis zum Grat. In einer solchen Landschaft sind
Maultiere und Pferde das einzige Transportmittel der Hirten, die mit ihren Schafen bis zu den
Gipfeln der Berge ziehen. Als höchste und namensgebende Erhebung ist der im Zentralteil
gelegene Parângul Mare zu nennen (2519 m).
Sein Hang erlaubte uns bei fallendem Nebel am frühen Nachmittag nur ein Biwak mit
ziemlicher Neigung. Bei unveränderten Wetterverhältnissen, einer Sicht von 5 bis 6 Metern
überschritten wir seinen Gipfel und gelangten allmählich wieder in tiefere Regionen. Hier
schien die Sonne, herrschte klarste Sicht. Aber der Kamm und die Spitzen der Giganten
blieben eingehüllt und ragten nur für Augenblicke aus den Wolken. Die Tageswanderung
führte uns zu unserem letzten Gebirgscamp auf den trockenen Wiesen des Passes zwischen
Mohorul (2337 m) und Iezer (2157 m), an dessen Nordhang uns 10 Minuten abwärts ein
frischer Quell erfreute.
Am darauffolgenden Tag blickten wir von den Höhen oberhalb der Latoriţaquellen ein letztes
Mal zurück in die Berge. Östlich gegenüber überquerte die Straße Sebeş – Novaci in vielen
Serpentinen die Höhen Căşăriei und Urdele.
Nun öffnet sich im Osten ein wasserreiches, fruchtbares und z. T. auch steppenartiges Tal.
Unzählig viele schmale Bäche, die über oder unter der Grasnarbe dahinsickern, finden
hinunter und bilden schließlich die Latoriţa. Für Schafe und Rinder eine paradiesische
Sommerweide. Die felsigen Nordhänge des Tales sind mit Krüppelkiefern bewachsen. Im
Süden reichen die mit Geröllen durchsetzten Grasmatten bis zum Kamm. Flussabwärts
passierten wir abseits der feuchten Niederungen, aber in Wassernähe eine Reihe von
Viehkralen.
Mit einem Wasserfall endete das Grasland, und der Nadelwald begann, an seinem Rand der
erste Almhof. Die Wanderung durchs Unterholz, vorbei an einer Reihe immer schönerer
Wasserfälle, über unberührte, aus dem Dunkel des Waldes plötzlich auftauchende
Waldwiesen, führte uns heraus aus dem Gebirge in ein kleines Dorf.
Schmucke goldgelbe, blaue und weiße Häuser mit roten Dächern, überwuchert von
Stangenbohnen, Mais, Tomaten, Paprika und Wein standen uns gegenüber.
Am Rande des Dorfes hatten zwei Köhlerfamilien ihre Meiler aufgebaut. Das gespaltene
Holz war von ihnen horizontal übereinandergeschichtet (liegende Meiler) bzw. senkrecht
nebeneinander in halbkugelförmiger Gestalt (stehender Meiler) aufgestellt worden. Dann
bedeckten sie das Holz mit feinen feuchten Holzabfällen und angefeuchteter Kohlenlösche
und entzündeten die Meiler. Am Fuß blieben Zuglöcher. Wenn das Feuer hier nach einigen
Tagen durchbricht, sind sie gar.
Die Tagreise führte uns vorbei an kleinen Streusiedlungen in das freundliche Malaia und
schließlich per Bahn durch das Olt-Tal auf den Töpfermarkt nach Sibiu/Hermannstadt, den
Endpunkt unserer Reise und der Stätte des wehmütigen Abschieds vom Karpatenland für ein
weiteres Jahr.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 88, S. 162 – 166)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
163 | Nicht immer findet man geeignete Zeltplätze. Manchmal muss man sich auch mit einem Berghang begnügen. |
164 | Hirten mit ihren Packpferden auf dem Weg zur Sennhütte. |
165 | Über Berg und Tal zum Wanderziel. |