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Wer hat die schönsten Teller?

Jedes Jahr im Juni: Töpfermarkt in Horezu

von Helga Höfer

Der „Hahn von Horezu“ ist kein Wetterhahn, o nein – aber er ist mindestens genau so stolz wie sein entfernter Verwandter, wie sein Artgenosse aus Zinkblech, auch wenn er nicht von so hoch oben auf uns Menschen herabschauen kann, sondern seine Pracht auf irdenen Tellern und Schüsseln entfaltet. Ich bin aber versucht, ihn einen Schönwetter-Hahn oder einen Gute-Laune-Hahn zu nennen: denn so oft ich in den letzten Jahren am jeweils ersten Wochenende des Monats Juni den traditionellen Töpfermarkt von Horezu (Kreis Vâlcea) besucht habe, war sommerlich schönes Wetter in dieser freundlichen Gegend Nordolteniens. Jedes Mal – so auch bei der 16. Auflage vom 31. Mai / 1. Juni 1986 – gab es zwar zwischendurch „zur Erfrischung“ einen kurzen Regenschauer, doch danach schienen die bunten Hähne noch schöner von den Tellern zu strahlen, schien die Kauflust der Besucher noch größer zu sein.
So oft ich einen Töpfermarkt besuche, muss ich an das Märchen vom König Drosselbart denken, an die hochmütige Prinzessin, die – Sie wissen sicher, wie es dazu kam – auf dem Marktplatz Töpferwaren feilhalten musste „...und die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gern ihre Ware ab und bezahlten, was sie forderte: Ja, viele gaben ihr das Geld und ließen ihr die Töpfe noch dazu...“ Nun, das ist zu märchenhaft, um in Horezu wahr zu sein: denn wer hier einen der wunderschönen Teller von den Meistern aus Horezu, Korund, Vlădeşti, Rădăuţi, Miercurea Ciuc oder Marginea – um nur die bekanntesten Keramikzentren des Landes zu nennen – erworben hat, lässt ihn keineswegs zurück, sondern hütet ihn wie einen kleinen Schatz... Apropos Märchen: zum Unterschied von dem ebenfalls bekannten Hermannstädter Töpfermarkt, der alljährlich im Rahmen des „Cibiniums“ – gewöhnlich im September – vor der bunten Altstadtkulisse des Kleinen Rings abgehalten wird, findet die Veranstaltung in Horezu in einem nahe der Stadt gelegenen Wäldchen statt; die dort befindlichen Campinghäuschen werden von je einer Töpferfamilie bezogen, der Mann schlägt Nägel in die Holzwand, die Frau hängt Teller und Krüge auf – und fertig ist das schönste Knusperhäuschen! Doch dann wird es ernst: Teller, Teller an der Wand – wer hat wohl den schönsten im ganzen Land? Eine aus anspruchsvollen Fachleuten zusammengesetzte Jury muss die vielbegehrten Preise vergeben. Denn „Horezu“ ist reines Vergnügen nur für die vielen Besucher; die Töpfermeister stellen sich mit ihren Erzeugnissen einem Wettbewerb (innerhalb des Landesfestivals „Cântarea României“), bei dem von der Jury hohe Maßstäbe angelegt werden. Ganz kurz gesagt: (Volks-)Kunst ja, Kitsch nein! Die Töpfermeister sollen überlieferte Formen, Farben, Muster pflegen, ohne sie einfach zu kopieren, ihre Teller und Töpfe sollen Tradition mit Originalität verbinden, Schönheit mit Funktionalität. Doch was sich jetzt vielleicht theoretisch-trocken anhört und schwierig zu machen scheint, ist für die Töpfermeister – für die meisten, für die guten von ihnen – nur eine Selbstverständlichkeit!
„So haben wir es von den Alten gelernt“ – diesen einfachen, unprätentiösen Satz hört man von Eufrosina und Victor Vicşoreanu und von Ioana und Dumitru Mischiu, von Maria und Mihai Biscu oder von Maria und Gheorghe Iorga – alle aus Horezu – ebenso wie von Dumitru Şchiopu aus Vlădeşti/Olt oder von den Ciungulescus und Răducanus aus Oboga, wie auch von Ilyés Vésti Mihaly und Balász Albert, von Todor Jozsef oder Szasz Dominic – alle aus Korund. Horezu, das berühmte oltenische, und Korund, das berühmte siebenbürgische Töpferzentrum, beherrschten letztes Jahr den Markt und den Wettbewerb, bei dem – Juroren sind oft weise Leute! – je ein Großer Preis an Eufrosina Vicşoreanu und an Ilyés Vésti Mihaly ging.
Einen Ersten Preis erhielten die jungen Hermannstädter Künstler Bianca Beu und Rudi Schmückle, die mit dem Rucksack nach Horezu gekommen waren und darum nicht so viele Werke und vor allem Sachen kleinen und kleinsten Umfangs mitgebracht und liebevoll ausgestellt hatten: Broschen, Figurinen, Kacheln, Wandschmuck (die witzig-schönen Uhus, Puppen und Hirten). Und obwohl ihr „Häuschen“ – wie auch das der Klara Turocsi aus Baia Mare – etwas abseits vom Hauptweg lag, fanden die echten, die wahren Keramik-Fans mühelos den Weg zu ihnen. Nun kann und will ich nicht die Arbeiten Schmückles mit den Arbeiten der oltenischen oder ungarischen Töpfer vergleichen. Das Schöne an diesem Töpfermarkt ist ja gerade, dass Töpfer unterschiedlichster „Richtungen“ – mit Verlaub – zusammenkommen, und so bietet der Markt viel für jeden Geschmack, für guten und für schlechten (den immer „die immer „die anderen“ haben) und für jeden Geldbeutel, für gut gefüllte Brieftaschen und weniger gut gefüllte Brustbeutel. (Wobei guter Geschmack nicht von der vollen Brieftasche abhängt, oder anders gesagt: Teures muss nicht immer gut, Gutes nicht immer teuer sein.) Wer’s nicht glaubt, soll sich vor Ort überzeugen – er wird aus dem Staunen und vielleicht aus dem Kaufen nicht herauskommen...
„...denn es macht Spaß, hier zu kaufen. Auch wenn man die Sachen nicht braucht“, sagte ein Horezu-Besucher, und die Teller stapelten sich auf seinen Armen. Nun sind so schöne Teller, wie sie z.B. die Vicşoreanus machen können, zu schade dafür, täglich „gebraucht“ zu werden – die gehören an eine Wand, zum täglichen Anschauen und Sich-dran-Freuen! Aber man findet in Horezu auch so viele praktische, brauchbare Dinge, die natürlich auch schön sind, dass man immer einen Grund zum Kaufen findet: Und also kauft man Milch- und Rahmtöpfe und Wasserkrüge, „Sarmale“-Töpfe und Salatschüsseln und Römertöpfe und Sparbüchsen – wer hat schon genügend Sparbüchsen? (Merke: Spar in der Zeit, so hast du beim nächsten Töpfermarkt!) Und wer seinen Kauftrieb partout nicht unter Kontrolle bringen kann oder einem richtigen Kaufzwang erliegt, kann die erworbenen Sachen wann immer als Geschenke „gebrauchen“, als originelle Geschenke oder Mitbringsel für Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen, Verwandte im Inland und Verwandte im Ausland, zu Geburtstagen und Hochzeiten und Wohnungseinweihungen. Denn schöne Keramik ist etwas für Leute, die schon alles haben, ebenso wie für Jungverheiratete, die (manchmal? oft?) noch wenig haben...
Horezu ist also eine Reise wert. Am günstigsten – auch für den Transport der Keramik – ist es, per Wagen zu kommen, mit einer großen Schachtel und viel Altpapier im Kofferraum, um die zerbrechlichen Gegenstände sicher verpacken zu können. Von Râmnicu Vâlcea sind es knapp 40 Kilometer auf der DN 67, die durch abwechslungsreiche Hügellandschaft führt. Wer sowohl den Samstag als auch den Sonntag in Horezu verbringen will, kann in dem am Ortseingang gelegenen Motel übernachten (Zimmer sollte man telefonisch vorbestellen, Tel. 948/60220). Zwei Tage in Horezu? Sie vergehen wie im Flug, denn sie sind voller Eindrücke: Neben dem Töpfermarkt wird nämlich auch ein Jahrmarkt abgehalten, ein richtiger „bâlci“, der seinesgleichen sucht! Dort gibt es alles – von „acadele“ bis Zuckerwatte, da kann man Karussell fahren und „Krachel“ trinken, und Lebkuchen und Langosch essen, und man kann Sachen kaufen, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt... Und wenn man genug hat vom Jahrmarktslärm und vom Duft gegrillter „mici“ und Würste, kann man Ausflüge in die Umgebung machen: nur vier Kilometer von Horezu entfernt liegt das schöne Dorf Măldăreşti, an dessen hügelaufwärts gelegenem Ende zwei „cule“, (Turmbauten), zwei Bojarenhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert zu besuchen sind, nebst der dazugehörigen Kirche. Die „Cula Greceanu“ und die „Cula Duca“ sind eindrucksvolle Zeugnisse rumänischer Baukunst. Und ebenfalls in der Nähe liegt – an einem Seitenweg der Straße nach Râmnicu Vâlcea – das Kloster Hurez, eine in den Jahren 1690 – 1697 erbeute Stiftung des rumänischen Fürsten Constantin Brâncoveanu, das bekannt ist wegen seines Baustils und seiner Fresken. Und das so wohltuend ruhig wirkt nach so viel Jahrmarktslärm. Viele Nonnen tätigen Einkäufe auf dem Jahrmarkt, es ist Mittagsschläfchen-Zeit, im prächtig blühenden Vorgärtlein summen die Bienen, nur ab und zu wiehert ein Pferd, hie und da kräht ein Hahn.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 209 – 213)

Seite Bildunterschrift
 
209 Victor und Eufrosina Vicşoreanu aus Horezu haben in ihrem Haus eine „Eigen- Ausstellung“ mit den schönsten Tellern. Seit Jahren sind sie auf die ersten Preise des Wettbewerbs „Der Hahn von Horezu“ gewissermaßen abonniert.
211 Die „Cula Greceanu“, ein Turmbau aus dem 17. Jahrhundert, lockt viele Besucher nach Măldăreşti bei Horezu. Im Innern ist eine Ausstellung alter rumänischer Möbel zu sehen.
212 Fast wie im Märchen: Töpfermeister und Holzschnitzer schmücken die kleinen Campinghäuschen mit ihren Erzeugnissen. „Knusperhäuschen“ zum Zugreifen!
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