home - Komm mit - 1987 - Wechselvolle Farbenpracht
jedes Wort alle Wörter Suchwort markieren
drucken

Wechselvolle Farbenpracht

Die Pflanzenwelt der Südkarpaten

von Klaus Fabritius

Wandern ist kein Gipfelstürmen, sondern Erholung, Entspannung, Freude an der Natur und Abwechslung zum täglichen Berufsleben. Mit der Schneeschmelze schießen schon die ersten Frühlingsboten aus der Erde, dann wechselt die Farbenpracht der Blüten mit den Kalendertagen und erreicht in den Südkarpaten im Juli und August einen Höhepunkt. Die schönen Blumen werden bewundert, beim Namen genannt, fotografiert und leider nicht selten auch gepflückt.
Es gibt Wanderer, die sich in der Alpenflora auskennen, anderen sind nur eine Gruppenbezeichnung wie Enzian, Glockenblume, Nelke usw. oder einige unter Naturschutz stehende Arten – wie das Edelweiß, die Königsblume u. a. – vertraut. Die wenigsten aber wissen, dass es in unseren Karpaten eine verhältnismäßig große Zahl von „einheimischen“ oder endemischen Pflanzen gibt, die nirgends anderswo auf der Erde wachsen, wie die Siebenbürgische Akelei, die Karpatenschlüsselblume, die Königsteinnelke, das Joos- Veilchen, um nur einige zu erwähnen.
An erster Stelle steht das Edelweiß (Leontopodium alpinum), das Symbol der Touristik und des Naturschutzes. Die eigentliche Heimat der Edelweißarten ist das Hochgebirge Asiens. Nach Europa ist es zu Beginn der Eiszeit vorgedrungen und hatte wahrscheinlich ein viel größeres Verbreitungsgebiet. Heute sind in den Südkarpaten nur einige Inseln übrig geblieben. Das Pflücken der Edelweißblüten ist, wie bei allen unter Naturschutz stehenden Arten, streng verboten, obwohl das Pflücken auch heute noch als Mutprobe gilt und schon öfter zu Unfällen geführt hat.
Zu den ersten Blüten des Jahres, manchmal schon im Februar, gehören die des Seidelbastes (Daphne mezereum). Er hat noch zwei unter Naturschutz stehende Verwandte – das Steinrösel (Daphne cneorum) und die Königsblume (Daphne blagayana) –, die beide erst Ende April oder im Mai blühen. Die Königsblume erhielt ihren Namen zu Ehren des Sachsenkönigs Friedrich August II., der im Jahre 1838, ein Jahr nach der wissenschaftlichen Benennung, in die Krain reiste, um an Ort und Stelle diese seltene Pflanze in der Blüte zu bewundern. In den Südkarpaten wurde die Königsblume schon 1780 vom Hermannstädter Botaniker Josef Lerchenfeld entdeckt, aber mit einer anderen Seidelbastart verwechselt. Hundert Jahre später wird dieser Irrtum von Julius Römer richtiggestellt. Schöne Bestände der Königsblume finden wir auf dem Hohenstein und Schuler, auf der Cozia und der Vânturariţa.
Alle Wanderer kennen die Alpenrose, die in der Blütezeit oft ganze Hänge bedeckt und ein unvergessliches Erlebnis bietet. Der richtige Name ist eigentlich Siebenbürgische Alpenrose (Rhododendron kotschyi), da unsere Alpenrose nirgends anderswo wächst und zum Unterschied der Alpenarten duftende Blüten hat. In den Südkarpaten finden wir die Siebenbürgische Alpenrose fast überall, die Blütezeit ist Juni, manchmal kommt es zu einer zweiten, vereinzelten Blüte im September, wenn der Frost nicht frühzeitig die Knospen überrascht.
Zu den malerischen und besungenen Alpensträußen gehören neben dem Edelweiß und den Alpenrosen die blauen Enziane. Die bekanntesten Arten sind der Stengellose Enzian (Gentiana kochiana) und der Frühlings-Enzian (Gentiana verna). Wir möchten den Gelben Enzian (Gentiana lutea) erwähnen. Die bis zu einen Meter hohe Pflanze erinnert gar nicht an einen Enzian, wenn man den Gelben Enzian nicht kennt, weil die Blüten nicht röhrenförmig, sondern flach und offen sind. Dadurch ist der Nektar für die Insekten frei zugänglich (Blütezeit Juli – August). Aus der Wurzel wurde früher der begehrte Enzianschnaps gebraut. Heute ist das Ausgraben der Wurzel streng verboten, da die ganze Pflanze unter Naturschutz steht. Den Gelben Enzian finden wir an den Südhängen des Schuler, am Königstein, in der Vânturariţa, um nur einige Stellen zu nennen.
Im Kalkgeröll der Südkarpaten wachsen auch der Gelbe Alpenmohn (Papaver corona-sancti- stephani), ein Mohn mit einer einzigen gelben, selten weißen Blüte (Blütezeit Juli – August) und das Joos-Veilchen, auch Siebenbürgisches Veilchen genannt (Viola jooi) – Blütezeit April – Mai. Beide Arten sind für die Karpaten endemisch.
Auf den feuchten Wiesen im Bucegi-Gebirge, an den Hängen von der Babele-Spitze Richtung Peştera, aber auch an anderen Stellen, können wir im Juli – August das geschützte Rote Kohlröschen (Nigritella rubra) bewundern. Bei näherer Betrachtung dieser Orchideenart sieht man, dass die kleinen Blüten alle auf dem Kopf stehen. Zur selben Zeit blüht eine andere, viel häufigere Orchideenart, und zwar das Kugelknabenkraut (Traumsteinera globosa). Der kugelförmige Blütenstand sitzt auf einem hohen Stängel und hat viele kleine rosarote Blüten. Auf den feuchten Bergwiesen können wir noch die auffällige, gesellig wachsende Trollblume (Trollius europeus) antreffen. Die goldgelben Blüten können einen Durchmesser von 3 cm erreichen, die vielen Blütenblätter bilden einen zeltartigen Regenschutz für das Blattinnere, der aber den Zugang der Insekten von oben gewährleistet.
Bei Wanderungen in dem Fogarascher Gebirge müssen wir aufmerksam sein. Hier können wir die seltene Siebenbürgische Akelei (Aquilegia transsilvanica) mit ihren großen blau-violetten Blüten antreffen. In der Gegend vom Bâlea-Wasserfall, an der oberen Baumgrenze wächst und blüht (im Mai – Juni) eine der schönsten Blumen unserer Alpenflora, die Türkenbundlilie (Lilium martagon). Sie ist eigentlich ein Waldbewohner und kann eine Höhe von bis zu 1 m erreichen.
Entlang der Gebirgsbäche, selten, aber verstreut in den ganzen Südkarpaten gedeiht die Echte Engelwurz oder Angelika (Angelica archangelica). Eine Sage berichtet, dass ein Engel dieses heilkräftige, stattliche Doldengewächs mit seinen honigduftenden Blüten dem Menschen gezeigt hat. Die Angelwurz erreicht in unseren Karpaten die südlichste Grenze ihres Verbreitungsgebietes. Ein anderes früher sehr geschätztes Heilkraut der Bergwiesen ist die Arnika (Arnica montana), ein Korbblütler mit einem leuchtend-gelben großen Blütenstand (Blütezeit Juli – September).
Von den Glockenblumen, die uns oft auf Schritt und Tritt begleiten, ist die Alpen- Glockenblume (Campanula alpina) zu erwähnen, eine im Bucegi-Gebirge besonders häufige und in den ganzen Südkarpaten verbreitete Art. Sie hat hellblaue Blüten (Blütezeit Juli – August) und ist kaum höher als 10 cm. Zur selben Zeit blüht auf den Rasenflecken zwischen den Felsen die nur 5 – 15 cm hohe blaue Alpenaster (Aster alpinum).
Auf unseren Wanderungen durch die Südkarpaten können wir auch zwei seltenen Nadelhölzern begegnen. Oberhalb der Baumgrenze, zwischen den Latschenfeldern gibt es noch kleine Bestände der Zirbelkiefer (Pinus cembra), ein Überrest der Eiszeit. Von den übrigen Kiefern unterscheidet sich die Zirbelkiefer durch die Anordnung der Nadeln (meistens 5 an einem Kurztrieb) und durch die breiten, eiförmigen Zapfen. Viel tiefer, an den schattigen, mit Buchen bestandenen Nordhängen wächst in freier Natur die Eibe (Taxus baccata), ein Nadelbaum, den wir aus den Parkanlagen kennen. Die besondere Holzqualität (zäh und gleichzeitig elastisch) hat zur Ausrottung der Eiben geführt. Heute stehen beide Baumarten unter Naturschutz.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 24 – 27 u. 34 – 35)

Seite Bildunterschrift
 
24 In rot blühende Gärten verwandeln sich im Juni ganze Hänge der Südkarpaten. Die Siebenbürgische Alpenrose hat zum Unterschied der Alpenarten duftende Blüten.
25-o Türkenbund
25-m Bergaster
25-u Joos-Veilchen
26-ol Silberwurz
26-om Königsteinnelke
26-or Erika Bruckenthalia
26-m Stengelloser Enzian
26-u Arnika
27-ol Hirschzunge
27-om Trollblume
27-or Zirbelkiefer
27-m Alpenrebe
nach oben nach oben