Ein Sonntagsausflug nach Slănic-Prahova
von Hans Liebhardt
Nach Slănic-Prahova sind wir meist mit dem „Trabant“ von Bukarest aus gefahren, bis
Ploieşti und dann das Teleajen-Tal hinauf. Man fährt auf einer historischen Straße, der
uralten „via strada“, die noch von den Römern mit Steinfließen ausgelegt wurde, zur
Verteidigung gab es Kastelle mit starker Besatzung. Davon ist leider nicht mehr viel zu sehen
– man befindet sich im Karpatenvorland mit seinen Wiesen und Obstbäumen, auch kommen
streckenweise die Dörfer eins hinter dem anderen. An vergangene Zeiten erinnert jedoch
linker Hand eine Herberge, das muss ein befestigter Han gewesen sein, der gewiss auch als
Poststation diente, denn hier vorbei führte der Weg des Salzes.
Darüber muss von aller Anfang an gesprochen werden, über die einstigen Salzgruben, denn
in diesen aufgelassenen Bergwerken haben sich die so heilkräftigen Seen gebildet. So in
Telega, neben Câmpina in einer weiß-blauen Landschaft gelegen, wie auf einem Gemälde
von Grigorescu. Die Salzkonzentration des Wasser ist hier so stark, dass es den Schwimmer
wie eine reife Gurke trägt, und wenn man das Salz zu Hause vergessen hat, kann man
nachher die Tomaten direkt auf den Arm tunken. In anderer Richtung – aber immer im
Karpatenvorland – sind wir nach Sărata Monteoru gefahren. Das Bad liegt nicht weit von der
Stadt Buzău in einer ganz eigentümlich zerklüfteten Landschaft und ist mit den
ausbetonierten, geräumigen Schwimmbecken, den Kurhäusern und dem Campingplatz am
Waldesrand unbedingt eine Attraktion. Uns jedoch tut Slănic-Prahova am besten, und die
anderen Bäder habe ich auch nur genannt, weil sie in dieses Bild des heilkräftigen
Reichtums gehören.
Man kann nach Slănic-Prahova natürlich auch mit der Eisenbahn fahren, von Bukarest bis
Ploieşti sind es 59 Kilometer und dann noch 45 Kilometer auf der Nebenstrecke bis zur
Endstation Slănic. Weil wir aber schon im Auto sind, bleiben wir dabei, wir dürfen bloß in
einem der Dörfer die Abzweigung nicht verpassen, die uns durch den Wald und über den
Berg in das andere Tal, jenes des Slănic-Baches, gleiten lässt und uns dann sicher im
Salzbad ablädt.
In der Ortschaft gibt es mehrere Bäder: Eine Kuranlage ist links an der Einfahrtsstraße
eingerichtet, das Becken wird von konzentriertem Mineralwasser gespeist, eine andere
Anlage befindet sich ebenfalls im Freien. Uns interessiert jedoch der Badekomplex, der Baia
Baciului heißt und sich eigentlich auf einem Hügelzug befindet. Alle Leute – auch die
zuständigen – scheinen für dieses Bad am meisten übrig zu haben, denn die Asphaltstraße,
die hinauf und auf einer anderen Seite wieder hinabführt, wurde asphaltiert. Das Bad an sich
ist großzügig und für viel Volk hergerichtet; oben auf dem Berg gibt es einen Parkplatz mit
allem, was dazu gehört.
Von oben sieht alles wie ein römisches Amphitheater oder wie ein Fußballstadion aus, die
Bühne oder das Spielfeld ist unten in der Mitte der See. Wir lassen uns fürs erste auf den
Brettern neben dem See nieder, breiten die Decken aus und stellen das Essen in den
Schatten unter den Baum, der über den Zaun des Nachbargartens herüberlugt. Es kostet
mich zwar immer eine Überwindung, wenn ich aus dem Element Luft ins Element Wasser
hinüberwechseln soll, diesmal will ich aber hinter Hedwigs sportlichen Ambitionen nicht
zurückstehen, außerdem ist es sehr warm. Der ganze Kurort Slănic-Prahova mit den
Eichenwäldern ringsherum und den vielen Obstgärten – wo man es annimmt oder nicht
wächst ein Zwetschken- und Apfelbaum – gilt als windgeschützt; in diesem Bad mitten im
Bergkegel aber, das in einer eingestürzten Salzgrube entstanden ist und sich eben durch
Regenwasser und Sickerwasser gebildet hat, spürt man überhaupt keinen Luftzug. Der See
ist groß genug, er soll 20 Meter tief sein, doch die paar Stockwerke Tiefe gehen einen kaum
etwas an, denn man muss sich schon Mühe geben, um in dieser Kochsalzlösung überhaupt
zu schwimmen, so gut trägt das Wasser. Wir haben es am liebsten, einfach das Wasser zu
treten – etwas Bewegung braucht der Mensch schließlich – oder uns wie ein Kreisel um die
eigene Achse zu drehen. In manchen Jahren gibt es auch ein Balkenfloß mitten auf dem
See, darauf kann man sich ausstrecken und hat dann wie im Schlaraffenland sowohl das
Wasser als auch das Sonnenbad in einem bei der Hand.
In Reiseführern wird angegeben, dass der Kurort auf Ganzjahrbetrieb eingestellt, die
Freianlagen aber nur vom 1. Juni bis zum 1. September in Betrieb sind. Wir sind jedoch
meist schon Anfang Mai nach Slănic gefahren und einmal waren wir auch am letzten
Oktobersonntag noch dort, um einen Tag wäre er in den November gefallen, und dann
hätten wir uns damit loben können, dass wir noch im November im Freien gebadet haben.
Das hätte aber nur für Uneingeweihte etwas bedeutet, denn jeder badekundige Mensch
weiß, durch welchen Effekt ein Salzsee die Sonnenwärme speichert. Beim Schwimmen
kommt es dann nur auf die richtige Tiefe an, oder dass man das Wasser eben ein wenig
durcheinanderwirbelt, um sich Wärme zu verschaffen.
Duschanlagen mit Süßwasser sind in einem solchen Salzbad unbedingt nötig, man will am
Ende nicht ganze Salzschichten auf der Haut nach Hause schleppen. In Slănic wurde das
alles bestens geregelt, eine Anlage mit Sonnenkollektoren liefert sogar Warmwasser. Und
genügend Umkleidekabinen sind auch vorhanden.
Heute jedoch blühen die Heckenrosen, ihr unverwüstliches Hellrot ist für mich das Zeichen
des prallen Sommers, zum Glück hat man auch auf den Hängen ringsherum ein paar
Rosensträucher stehen gelassen, insbesondere aber auf dem Salzfelsen, den man immer im
Blick hat und in dessen Inneren sich die Grotte mit dem See befindet. Natürlich haben wir
uns diese Grotte am Anfang unserer Slănic-Reisen einmal angesehen: Man gelangt durch
einen niedrigen, kurzen Tunnel in den Salzstock und steht dann vor dem kleinen, runden
See. Blickt man aber die Salzwände hoch – es können gut 25 Meter sein –, sieht man ein
paar Baumäste am Rand und ein Stück blauen Himmel, als sei auch dies ein See.
Eigentlich gibt es in Slănic zwei Salzseen. Der kleine See im linken Eck, der hinter einem
niedrigen Salzfelsen liegt – er ist ebenfalls durch das Einstürzen eines Stollens entstanden,
aber nur einen Meter tief –, macht eher den Eindruck eines Tümpels für Kinder. Der Eindruck
trügt, denn gerade dieser See ist reich an Faulschlamm, dem hervorragenden Kurmittel
gegen Rheuma, und so lassen wir uns nicht nur zur Abwechslung an manchen Sonntagen
hier nieder.
Nach einem Tag in Bad Slănic sieht der Mensch alles klarer, es ist, als ob die Welt frisch
gewaschene Fensterscheiben hätte. Warum uns dieses Wasser so gut tut? In der
Fachliteratur findet man den Hinweis, dass hier Erkrankungen des Bewegungsapparats und
des peripheren Nervensystems behandelt werden. Unserer Erfahrung nach ist das Wasser
aber auch für den Blutkreislauf und für vieles andere gut. Wir haben uns auch immer
vorgenommen, einen ganzen oder zumindest einen halben Urlaub hier zu verbringen – es
gibt ein Hotel, man kann sich aber auch bei den Leuten einmieten und am Abend im Garten
sitzen. Nur nimmt sich der Mensch für den Sommer immer so viel vor, dass er bei weitem
nicht alles machen kann.
In einem Jahr waren auf dem Hügel ein paar Filmbauten stehengeblieben – der
Eingangsschacht zum Bergwerk sollte das sein –, denn hier wurde ein Teil der rumänischen
Heiducken-Filme gedreht, mit viel Reiterei und Kämpfen, und dazu gehörte eben auch das
Salzbergwerk. Der Ort war nicht schlecht gewählt, denn er entspricht auch der historischen
Wahrheit.
Die heutige Stadt Slănic ist eine alte Freibauernsiedlung. Die Bewohner hatten am 20. April
1685 die halbe Siedlung und einen Hattertteil dem Großschwertträger Mihai Cantacuzino
verkauft, dem Bruder des damaligen Fürsten Şerban Cantacuzino. Der Großschwertträger
wollte hier ein Salzbergwerk eröffnen. Das Bergwerk war dann so ergiebig und das hier
gehauene Salz so rein, dass der Besitzer zu einem reichen Mann wurde. Er konnte auf seine
Kosten zwei Klöster (in Râmnicu-Sărat und in Sinaia) und zwei Kirchen, darunter die
Colţea-Kirche in Bukarest, erbauen lassen.
Eines der Bergwerke auf der anderen Seite haben wir an einem Herbsttag, an dem es dann
doch zu kühl zum Baden war, besucht. Ich kannte die Anlage von Fotografien her, die ich in
einem Rumänien-Reiseführer aus der Zwischenkriegszeit gefunden hatte, als Darstellung
eines unserer berühmtesten Salzbergwerke; bis vor einigen Jahren war es noch in Betrieb.
Allerdings ist es dann etwas anderes, wenn man mit dem großen Förderlift hinunterfährt und
plötzlich in den riesigen, aus dem Stein ausgehauenen Hallen steht.
Die Sache interessierte noch aus einem anderen Grund: Ein Professor aus Ploieşti hatte im
Handelsregister des Bergwerks aus dem Jahr 1812 die Unterschrift eines
Versorgungsoffiziers der napoleonischen Armee gefunden, Henri Beyle, der hier einen
Salztransport abgeholt hat. Als Schriftsteller wurde er durch die Romane „Rot und Schwarz“
und „Die Kartause von Parma“ weltberühmt und unterschrieb mit dem Namen Stendhal.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 99 – 105)
Seite | Bildunterschrift |
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99 | Das neue Hotel gehört zu den zahlreichen touristischen Einrichtungen, die in Slănic, aber auch im benachbarten Teleajen-Tal in Richtung Vălenii de Munte entstanden sind. |
101 | In Slănic-Prahova gibt es mehrere Salzbäder. Wenn der Zug mit den Sonntagsausflüglern aus Ploieşti ankommt, sucht jeder seinen Lieblingsplatz auf, die freie Natur oder geregelten Kurbetrieb. |
102 | Von jeder Stelle des Freibads aus hat man den Salzfelsen im Blick, je nach der Jahreszeit ein ruhender Punkt im Grün des Sommers oder der roten und gelben Farben des Herbstes. |
104 | Die Höhle im Salzstock bietet einen Anziehungspunkt für Touristen. Oft kommen ganze Schulklassen, um diese Naturerscheinung zu sehen: Unten im See widerspiegelt sich ein Stück Himmel, die Krateröffnung. |