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Das Falterparadies in den Westkarpaten

Die Trascăuer Berge, eine Fundgrube für Schmetterlingssammler

von Wolf-Dieter Busching (Rostock)

Als naturliebender Mensch, der seit acht Jahren Rumänien bereist, zieht es mich immer wieder in die vom Tourismus noch verschonten Gegenden des Landes, um hier entomologische Studien betreiben zu können.
Bereits zum dritten Male besuchte ich das Trascăuer Gebirge im südöstlichen Teil der Westkarpaten, das den Rand des Siebenbürgischen Erzgebirges bildet. Dieses eigentümliche, stark zerklüftete Karstland, mit seinen urwüchsigen Buchenmischwäldern in den Tälern und ungemein blumenreichen Almwiesen in den Hochlagen, ist der Lebensraum zahlreicher Schmetterlinge.
Die Ritter oder Papilioniden sind in den Trascăuer Bergen mit drei Arten vertreten. Auf den Almen um Faţa Pietrii, Tecşeşti und sogar im Bereich der Felskuppen treffen wir die prachtvoll gelb und schwarz gefärbten Schwabenschwänze (Papilio machaon) und den Segelfalter (Iphiclides podalirius) an. Die Schwänze („Sporen“) an den Hinterflügeln haben wohl zu dem Namen „Ritter“ geführt.
Während der Schwalbenschwanz mehr die grasigen Wiesen und Gärten liebt, auf denen die von der Raupe benötigten Doldenblütler wachsen (Petersilie, Dill, Kerbel, Pferdekümmel, Bibernelle u. a.), bevorzugt der Segelfalter die heißen felsigen Gebiete der Klamm. Sogar direkt auf den Kuppen der die Râmeţi-Klamm einschließenden Felsen traf ich ihn an. Die Raupe frisst Schlehe, Weißdorn oder auch Eberesche und Apfel. Wenig Ähnlichkeit mit den beiden vorher genannten Arten hat der Schwarzapollo (Parnasius mnemosyne ssp. hungaricus). Er besitzt glasige weiße, mit wenigen schwarzen Flecken gezierte Flügel. Auch hat er keine Schwänze. Ihn traf ich an Waldrändern oder auf feuchten Almwiesen im ganzen Gebirge an, wobei seine Flugzeit bereits Mitte Juni endet. Seine Raupe lebt im Frühjahr am Lerchensporn, der in den schattigen Laubwäldern wächst.
Sowohl auf den Almen als auch in der Umgebung des Râmeţi-Klosters und in der Klamm fällt ein zarter, dünnleibiger Falter auf, dessen weiße Flügel nur mit einem dunklen Spitzenfleck geziert sind. Der eigentümliche, langsame Flug und die Zerbrechlichkeit haben diesem Vertreter der Weißlinge (Pieridae) den Namen Schneewittchen eingebracht. Es ist der Senfweißling (Leptidea sinapis). Seine Raupe lebt vor allem an der Platterbse.
Hauptsächlich am Râmeţi-Bach sind wohl die schönsten Falter dieses Gebietes, die Schillerfalter, zu finden. Beide Arten, der Große und der Kleine Schillerfalter (Apatura ilia und A. iris), haben auf ihren schwarzweiß gebänderten Flügeln einen herrlichen blauen Schimmer. Auch eine braune, gelbbindige Form des Kleinen Schillerfalters, der sogenannte Rotschiller (A. ilia f. clytie) ist nicht selten. Die Raupen beider Arten bevorzugen als Nahrung Salweide, die Falter erscheinen vor allem im Juli.
Ausgesprochen wärmeliebend sind die den Vorgängern verwandten Trauerfalter, von denen ich zwei Arten in Rumänien fand. Eine steigt ins Trascăuer Gebirge auf, wo man sie im Juni/Juli auf sonnigen Waldwegen im ganzen Gebiet antreffen kann. Es ist der Schwarze Trauerfalter (Neptis rivularis), der schwarze Flügel besitzt, die eine weiße Binde tragen.
Schwierig für den Laien anzusprechen sind die schwarz und braun gefleckten Scheckenfalter. Ein Blick auf die viel charakteristischere Flügelunterseite verrät in den meisten Fällen schon die Art. Sehr häufig fand ich sie im Juli/August auf den blühenden Almwiesen, wobei etliche aber bereits auch im Juni zu finden sind. Einige Arten haben auf der Hinterflügelunterseite silberne Flecken, so der in der Klamm beim Râmeţ-Kloster fliegende Kaisermantel (Argynnis paphia), der größte Vertreter dieser Gruppe. Auf den Almen um Faţa Pietrii und Tecşeşti wird man dann auf den Großen Perlmutterfalter (Mesoacidalia aglaia), den Mittleren Perlmutterfalter (Fabriciana niobe), den ähnlichen Fabriciana adippe und den hübschen Clossiana dia stoßen. Im Juni schlüpfen auf den beweideten Hängen bei Faţa Pietrii auch die Saumfleck-Perlmutterfalter (Brentis hecate), der Braune Scheckenfalter (Melitaea trivia) und der Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia).
Auch das Heer der Bläulinge fehlt in dieser Landschaft nicht. Direkt am Weg in der Râmeţ-Klamm auf feuchten grasigen mit Ampfer bestandenen Stellen fallen im Juni der metallisch rote Dukatenfalter (Heodes virgaureae) und der prächtige Violette Feuerfalter (Heodes alciphron) auf. Beide Arten sind keinesfalls häufig.
Um die Wipfel der Eichen fliegen im Juli kleine blau schillernde, kurz geschwänzte Falter, die Eichenschillerchen (Quercusia quercus). Sie bewohnen die höheren Lagen um Faţa Pietrii und bevorzugen Alteichenbestände. Da die eigentlichen Bläulinge zumeist Kalkstandorte besiedeln, die sie hier reichlich vorfinden, ist die Artenzahl entsprechend groß. Der mit Thymian bestandene Trockenrasen ist Heimstätte der dunkelblauen Maculinea arion, dessen Raupe in Ameisennestern lebt. Hier ernährt sie sich von deren Larven und Puppen und scheidet ein von den Ameisen begehrtes süßes Sekret aus. Andere prachtvolle blaue Arten au gleichen Standorten sind der Plebicula dorylas, der mit Silberfleckchen auf der Hinterflügel-Unterseite gezierte Plebejus argus und der große silberblaue Lysandra coridon. Auf den Almen wiederum leben Zwergbläuling (Cupido minimus) und Schwänzchenbläuling (Everes argiades).
Im Juli/August fällt am Rande der Eichenbestände ein dunkler, weißbindiger Falter auf, der Große Waldportier (Hipparchia fagi). Seine Unterseite ist fein rindenfarbig, wodurch er in Ruhe völlig mit der Umgebung verschwimmt und dadurch wohl vor seinen Feinden geschützt ist. Ebenso zur Familie der Augenfalter (Satyridae) gehören die Mohrenfalter.
Als große Kostbarkeit lebt im Gewirr hoher Kalkfelsen im Kammbereich die fast schwarze Erebia melas. Bei dieser Art sind die sonst so typischen Augenflecke der Flügel fast völlig verschwunden. Im Trascăuer Gebirge ist es die Rasse Erebia melas carpathicola, die hier fliegt. Am sichersten trifft man sie Mitte August an. In tieferen Lagen verschwindet sie und wird von Waldteufel (Erebia aethiops) und Erebia ligea vertreten. Auf den Trollblumenwiesen bei Tecşeşti ist im Juni die hübsche Erebia medusa häufig. Sie wird zumeist von Schwarzapollo, der Palpeneule Herminia tentacularia, dem Spanner Cidaria albulata und dem Spanner Perconia strigillaria begleitet.
An die zahlreichen Leguminosen der Almwiesen sind die Widderchen oder Blutrtröpfchen gebunden. Das Gros der Arten besitzt auf schwarzen, metallisch grün oder bläulich schimmernden Grund rote Flecken. Auch grüne Arten, so z.B. das Grünwidderchen (Procris statices), kommen hier vor. Die arttypischen gelblichen oder weißen pergamentartigen Seidenkokons fallen einem im Mai/Juni besonders an Grashalmen ins Auge.
Besonders typisch für die Heuwiesen sind im Juni das Kleewidderchen (Zygaena trifolii) und die längsgestreifte Zygaena purpuralis. Im Juli fand ich auf kargen trockenen Standorten, besonders oberhalb des Klosters, ein weißgeflecktes Widderchen, welches aber zwei gelbe Wurzelflecken und einen ebenso gefärbten Hinterleibsring besitzt, die Zygaena ephialtes f. coronillae. Es ist die vielgestaltigste Blutströpfchenart in Rumänien. Neben weiß und rot gefleckten Formen (so in der Dobrudscha bei Tulcea) fand ich rein rotfleckige Formen (im Bicaz). Generell ist aber der Hinterleibsring vorhanden.
Abschließend seien noch vier Vertreter der häufig durch Farbenpracht bestechenden Familie der Bärenspinner genannt. Der Name „Bären“ rührt von der überwiegend stark behaarten Raupe her. In den Felsen der Râmeţi-Klamm, auf mit Jakobskreuzkraut bestandenen Stellen, sah ich in diesem Jahr erstmals den Blutbär (Thyria jacobaea), dessen Flügel wundervoll schieferschwarz und rot gezeichnet sind.
Grasige Plätze bilden den bevorzugten Lebensraum des Rotrandbären, bei dem die Geschlechter sich stark unterscheiden. Das Männchen hat hellgelbe, rot gerandete Vorder- und grau-braun gerandete Hinterflügel, das Weibchen ist viel kleiner und orangebraun gefärbt, wobei die Hinterflügel eine kräftige schwarze Zeichnung tragen.
Mit ein bisschen Glück erspäht man in der Klamm an einem Augustvormittag die herrliche Spanische Flagge (Callimorpha quadripunctaria). Die Falter lieben sonnige Plätze in Flussnähe, wo sie gern auf Dostblüten sitzen, um hier Nahrung aufzunehmen. Nur zweimal traf ich den ebenso schönen Purpurbär (Rhyparia purpurata) an. Er ist auf den ockergelben Vorderflügeln graubraun gefleckt und hat purpurrote, schwarz gefleckte Hinterflügel. Im Gegensatz zum Vorgänger liebt er trockene, felsige und heiße Stellen im Kammbereich.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 93 – 98)

Seite Bildunterschrift
 
93 Majestätisch erhebt sich die Piatra Trascăului aus der Landschaft.
94-l Schwalbenschwanz
94-m Segelfalter
94-r Schwarzer Trauerfalter
95-l Kaisermantel
95-m Plebicula dorylas
95-r Großer Waldportier
96-l Erbia ligea
96-m Spanische Flagge
96-r Purpurbär
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