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Aufwärts strampeln, abwärts jagen

Mit dem Fahrrad quer durch die Poiana Ruscă

von Horst Engelmann

Wie mag dieser Wegabschnitt, der als schwer befahrbar galt, nun wirklich sein? Wir kennen die Straße bis Luncani und auch die bis Ruskitza. Dazwischen aber liegen etwa 25 Kilometer unbegangene Pfade im Herzen der Poiana Ruscă und der Bergsattel Tăul Urs mit seinen 1130 Metern.

Sonne und Wasser: Surduc-See

Freitag: Mal hier eine Schraube anzuziehen, mal dort ölen, das Gepäck stimmt auch nicht. Wir werden und werden nicht reisefertig. Um neun Uhr kann’s losgehen. Herrlichster Sonnenschein, als wir Temeswar in Richtung Busiasch verlassen. Die verlorene Zeit muss aufgeholt werden: windschnell geht’s durch Neumoschnitza, der jetzt noch leere Badestrand von Albina bleibt hinter uns. Nach Chevereş wird das Land wellig – es macht uns Spaß, aufwärts zu strampeln, um dann abwärts zu jagen. Bei Bakowa grüßen uns rechts die Silascher Weinberge.
Busiasch ist uns diesmal keinen Aufenthalt wert. Endlich ein paar Kilometer durch Wald – dann folgt das Grubenarbeiterdorf Sinersig. Kurz vor ein Uhr ist Lugosch erreicht. Wir übersehen einen Wegweiser und verfahren uns. Nach einer halben Stunde finden wir endlich die Ausfahrt in Richtung Deva. Die Drahtesel neben uns herschiebend, trotten wir den Cucuiba-Hügel in der Mittagshitze hinauf. Oben angekommen, rollen die Räder von allein bis zur „Ana Lugojana“-Herberge. Mittagspause heißt es allgemein.
Abwärts bis Traian Vuia pfeift uns der Wind um die Ohren, so schnell geht es. Hier wird scharf rechts in Richtung Surducu Mic abgebogen. Vor uns ragt der Nordwestzipfel der Poiana Ruscă empor, und kurz nach Surduc hat das Fahren wieder ein Ende. Mühevoll geht’s einige Serpentinen aufwärts durch den Wald, dann blicken wir auf die spiegelblanke Fläche des Stausees. Auf holpriger Straße erreichen wir das Seeufer.
Dutzende Zelte zieren als bunte Farbkleckse das Grün der Wiesen rund um den See: diesseits zelten die Badelustigen und die Wassersportler, jenseits in Ruhe und Abgeschiedenheit die Fischer. Schnell sind auch wir im Wasser und spülen die Hitze, den Staub und die Müdigkeit der hundert Kilometer Fahrt weg.

Bergaufwärts

Samstag: Die Sonne zeichnet ein rotes Band auf den dunklen See. Eilig packen wir Zelt und Schlafsäcke auf die Räder und keuchen zur Straße hinauf. Die Stahlrösser rollen die Kehren abwärts; zum ersten Mal müssen die Rücktrittsbremsen greifen. Bald stehen wir wieder an der Weggabelung in Traian Vuia und setzen unseren gestern hier abgebrochenen Weg auf der Straße DN 68 A fort. Über Dumbrava und Begheiu Mic fahren wir ins Begatal bei Făget. Die Straße folgt dem Tal und führt über Margina nach Coşava.
Rechts ein Straßenschild: Voislova 57 km. Wir witzeln: „In vier Stunden sind wir drüben im Bistratal – 57 km, das ist doch nichts“, wissen aber ganz genau, dass diese Kilometer so leicht nicht sind. Nach Curtea verzweigt sich das Begatal. Wir folgen der Bega-Luncani auf asphaltierter Straße aufwärts. In Româneşti gönnen wir den Drahteseln eine Ruhepause und wandern zur Româneşti-Höhle. Nach drei Stunden aber sitzen wir wieder im Sattel, und weiter geht’s über Tomeşti, vorbei an der berühmten Glasfabrik bis zum Motel im Lamantal. In diesem letzten Abschnitt wird das Tal zusehends enger, Felsriegel zwingen die Bega zu einem unsteten Lauf.
Die Mittagspause im Restaurant wird länger als gedacht; vor allem auch deshalb, weil wir keine große Last verspüren, auf der Schotterstraße, die nun folgt, durchgeschüttelt zu werden. Schließlich brechen wir doch auf. Die Straße ist nicht so schlecht wie angenommen, im Tal ist es auch kühler. Ab und zu geht’s durch dichten Wald, dann säumen Felder und Gärten der Bergbauern den Weg. Nach einer halben Stunde fahren wir in Luncani ein und schlagen bei der oberen Dorfausfahrt das Zelt auf. Zum Schlafen ist es noch zu früh. In der Abenddämmerung spazieren wir auf den Forstwegen durchs Topla- und Pârâul-Mare-Tal, entdecken zwei Kohlenmeiler, der eine wird gerade ausgebeutet, der andere ist frisch aufgeschichtet, und etwas talaufwärts einen schönen Wasserfall. Beim Rückweg kann man im düsteren Engtal zwischen schwarzgrauen Dolomitfelsen das Gruseln lernen, vor allem, wenn man keine Laterne dabei hat.

Schieben, schieben

Sonntag: Gut ausgeruht brechen wir zum schwersten Teil unserer Fahrradtour auf. Kilometer um Kilometer rumpeln wir die Schotterstraße aufwärts. Kaum ein Blick bleibt für das malerische Tal – die Augen sind ständig auf die Steinbrocken am Weg gerichtet. Jetzt hört auch noch der Wald auf, Kahlschläge und Neupflanzungen reihen sich aneinander. Längst schieben wir die Räder neben uns her. Die bunten Schmetterlinge, die um uns herum flattern, sind von der strahlenden Sonne begeistert – wir hätten lieber Wolken und Wind.
Endlich verlässt der Weg das Tal und steigt in Serpentinen den bewaldeten Hang hinauf. Wie stark wir ansteigen, bemerken wir erst, als wir zwischen den Bäumen tief unten die Straße, auf der wir gekommen sind, erblicken. Auf diesem letzten Abschnitt wird der Weg etwas besser – von Fahren keine Rede, dazu ist er viel zu steil.
Nach etwa vier Stunden und nur 17 Kilometern erreichen wir endlich den Bergsattel Tăul Urs; eine kleine Wiese, umgeben von himmelhohen Tannen, ist ein willkommener Zeltplatz. Nach ausgiebiger Rast entschließen wir uns, am Nachmittag auf den Padesch zu steigen. Auf dem schlecht markierten Pfad verlaufen wir uns oft, haben aber schließlich doch den latschenbewachsenen Gipfel vor uns. Die Gegend ist um diese Zeit sehr belebt: Dutzende Heidelbeerpflücker tummeln sich um den Gipfel, auf dem Hochplateau neben einer Quelle stehen auch Zelte. Auf dem Rückweg geht’s dann viel schneller. Eine Schafherde hat es sich um unser Zelt gemütlich gemacht.

Sturzfahrt im Bachbett

Montag: Wir lassen uns Zeit mit der Abfahrt: Wenn der Weg weiter so gut ist wie bisher, können wir in einigen Minuten die acht Kilometer bis Ruskitza bewältigen. Los geht’s! Die Straße ist noch steiler als unser Anstiegsweg: wir bremsen und bremsen – trotzdem rasen wir unheimlich schnell zu Tal. Sturzbäche schießen über den Weg, Brücken scheinen hier noch nicht erfunden zu sein.
Der Weg führt abwärts in ein von rechts kommendes Tal, in dem ein Bach braust. Dieser engt die ohnehin schmale Fahrbahn noch mehr ein. Bald ist sie nur noch schrittbreit, und dann füllt auch schon der Bach das ganze Tal aus. Die Abhänge sind zu steil, um mit den Rädern ein Durchkommen zu versuchen, also fahren wir weiter im Bachbett. Das heißt, mal Pedale treten, mal bremsen, ständig großen Felsbrocken ausweichen – zum Glück ist das Wasser nicht zu tief. Was hätten wir nur gemacht, wenn nicht seit einer Woche Trockenheit geherrscht hätte?
Endlich beginnt neben dem Bach ein schlammiger Pfad. Ständig rutschen wir auf dem klebrigen Morast ab, die Drahtesel, die wir neben uns herschieben, drohen in den Bach zu gleiten.
Dann ein rettender Forstweg, der Bach verschwindet gurgelnd unter einer Brücke. Nach einer kurzen Verschnaufpause springen wir auf die Stahlrösser und geben ihnen auf der jetzt ziemlich glatten Schotterstraße freien Lauf. Und wie: Francesco Moser wäre vor Neid erblasst, hätte er uns gesehen! Plötzlich greift meine Bremse nicht mehr – ich kriege es mit der Angst zu tun. Vor dem Marmorsteinbruch von Ruskitza rase ich direkt auf einen riesigen Marmorblock zu! Dann greift sie doch noch, die Bremse, und ich schaffe irgendwie die Kurve.
Durch Ruskitza rollen wir schon etwas langsamer. Ein Blick auf die Uhr: 25 Minuten für 8 km, wobei zehn Minuten nur für die 200 Meter Schlammpfad gerechnet werden müssen. Im Ruscatal geht’s jetzt abwärts auf Asphalt, durch Rusca Montană bis Voislova im Bistratal. Vor uns schließt massig das Ţarcu-Gebirge den Horizont. In Voislova blicken wir zurück und denken an den unschuldigen Wegweiser in Coşava: Mann muss schon einen sehr guten Geländewagen haben, um diese Strecke mit dem Auto zu schaffen.
Bis Oţelu Roşu ist es dann nur noch ein Katzensprung. Bald steht unser Zelt am Ufer der Bistra im Camping „Valea Jgheabului“ und wir baden auch schon im Fluss.

Endspurt

Dienstag: Die längste Strecke ist für den letzten Tag geblieben – 130 km. Gleich zu Beginn eine böse Überraschung: Ich trete durch, der Freilauf ist hin. Schnell montieren wir den Freilauf auseinander und stellen zu unserer Erleichterung fest, dass es nur verbrannte Vaseline ist, die alles verklebt hat. Eine halbe Stunde später geht’s weiter, durch die großen Dörfer des Bistratals bis Karansebesch. Von hier auf der E 70 in Richtung Lugosch. Die Hitze wird immer unerträglicher, wir kleben förmlich auf dem Asphalt und kommen kaum vorwärts.
Nach Lugosch braten wir schon in der gnadenlosen Sonne, wollen aber noch heute bis nach Hause kommen. So wird diese letzte Etappe, die eigentlich ganz gewöhnlich sein müsste, zur schwersten der ganzen Tour. Nach Rekasch wird es dann endlich etwas kühler, und wir kommen doch noch richtig in Fahrt. Um sieben Uhr fahren wir in Temeswar ein, alle Müdigkeit ist vergessen.

PS: Wer diese Fahrt nachahmen will, sollte ein älteres, vielerprobtes Fahrrad mit guten Reifen und unbedingt mit guter Rücktrittbremse benützen. Nach einer längeren Regenperiode sollte man es vermeiden, diese Strecke zu befahren.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 28 – 34)

Seite Bildunterschrift
 
28 Im oberen Begatal.
29 Kohlenmeiler im Pârâul-Mare-Tal.
30 Der Weg zum Sattel Tăul Urs ein Vergnügen.
31 Zeltplatz am Rande eines Tannenwaldes.
32-o Jungstörche im Bistratal.
32-u Es blüht am Bachufer.
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