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Abenteuer Vârghişklamm

Ein Wochenende in wildromantischer Landschaft

von Helmut Fabritius

Das Mineralwasser „Vârghiş“ ist wohl jedem bekannt. Die Vârghişklamm aber? Sie war eines unserer Wochenendziele. Es wurde ein recht abenteuerlicher Ausflug, den zu unternehmen aber sich lohnt, schon wegen der wildromantischen Landschaft.
Mit der Eisenbahn von Braşov oder Schässburg kommend, steigen wir in Augustin aus. Ein kleiner Bahnhof genau an der Stelle, wo der Alt, von Süden kommend, ein großes Knie westlich macht und die Perşaner Höhenzüge durchbricht, hinter Racoş, bekannt durch sein Basaltvorkommen, wieder in die Ebene tritt und sich in einem weiteren großen Knie nach Süden wendet.
Nach sechs Kilometern Fußmarsch erreichen wir Baraolt und nach weiteren neun Kilometern Vârghiş. Hier wollen wir übernachten. Während des nachmittäglichen Spaziergangs durch die stattliche Gemeinde bewundern wir nahe beim Ortsausgang ein großes, geschnitztes und buntbemaltes Holztor. Das Werk des Holzschnitzers Sütö Bela, der in diesem Haus wohnt und hier auch seine Werkstätte hat. Wir treten ein, sehen dem Meister bei der Arbeit zu und kaufen zum Andenken einen Waschklopfer mit einer schönen geschnitzten Rosette. Echte Volkskunst.
Bei schönstem Sommerwetter geht es schon sehr früh morgens auf die Wanderschaft. Es wird ein anstrengender Tag sein: 12 km bis zum Eintritt in die Klamm, einige Stunden für die Klamm und dann nochmals etwa 14 km bis zum Camping an der Straße bei Vlăhiţa, unserem Tagesziel.
Beim Dorfausgang, hinter der Brücke über den Vârghişbach, verlassen wir die Asphaltstraße und folgen der Forststraße am rechten Bachufer aufwärts. Nach kaum einer Viertelstunde holt uns ein Forstauto ein und nimmt uns bis zu der Stelle (12 km) mit, wo der Vârghişbach aus der Klamm austritt und der Fußpfad beginnt. Mit uns fährt ein alter Bacsi. Er zweifelt stark daran, dass wir die Klamm-Wanderung schaffen. „Bis an den Bauch werdet ihr ins Wasser müssen!“ „Wenn’s nicht mehr ist“, entgegnen wir lachend.
Gemächlich wandern wir einige hundert Meter über eine Wiese am rechten Ufer aufwärts bis zum Bach. Eine Hängebrücke (zwei Stahlseile mit Querbrettchen, von denen noch etliche vorhanden sind, und ein drittes Seil für die Hände) führt ans andere Ufer. Die Trossen sind verrostet, und wir müssen mächtig aufpassen, um uns an den Drahtenden nicht zu verletzen. Kurz darauf eine neuerliche Bachüberquerung. Diesmal auf einer Eisentraverse. Dann sind wir mitten in der Klamm: Ausgewaschener Kalk mit einer Menge Höhlen in den Wänden. Nochmals eine Hängebrücke, ein gutes Stück länger als die erste, dafür aber ganz ohne Brettchen. Die Füße quergestellt auf einem Seil, uns mit den Händen am anderen Seil haltend, schaukeln wir hinüber.
Gleich dahinter, etwa 15 Meter rechts oben in der Wand, liegt die Almascher Höhle, auch Peştera mare de la Mereşti genannt. Über gut erhaltene eiserne Leitern gelangen wir hinauf zum Höhleneingang. Die Almascher Höhle, etwa 1500 Meter lang, ist seit ältesten Zeiten bekannt. In Kriegszeiten war sie oft Zufluchtsort der Menschen. Beim Schein einer Karbidlampe beschreiten wir die Höhle. An der Decke Schwärme von Fledermäusen, auf dem Höhlengrund Guano.
Wieder unten am Bach setzen wir unseren Weg durch die Klamm fort. Das Abenteuer beginnt, denn von nun an fehlen alle Brücken.
Anfangs macht es richtig Spaß. Schuhe ausziehen, Hosen hochkrempeln, die Schuhe in die eine Hand, in die andere einen Stock. Die Steine im Wasser sind unheimlich glitschig, man muss in der Strömung jeden Schritt ertasten, bevor man den Fuß aufsetzt. Der Stock hilft beim Halten des Gleichgewichts. Drüben angelangt, Schuhe anziehen und weiter bis zum nächsten Übergang. Oft schon nach ganz kurzer Zeit wieder hinüber, herüber – so geht es Dutzende Male.
Dabei wird das Wasser immer tiefer, die Hosen werden nass, die Fußsohlen schmerzen von den dicken Kullersteinen, und je tiefer wir durchs Wasser waten, umso mehr macht uns die Strömung zu schaffen. Ein Ausrutschen und das Vollbad sind bei dieser Akrobatik unvermeidbar. Vorsorglich sind Personalausweise, Karten und das Geld, aber vor allem der Fotoapparat, in Plastiktüten verpackt.
Noch einige Meter, dann haben wir es geschafft, wir sind durch! Auf der Wiese fachen wir ein Feuer an und trocknen unsere Sachen. Vor allem aber wird einmal richtig gegessen. Dann geht es weiter, immer am Vârghişbach aufwärts, was nicht ganz einfach ist, weil nicht zu erkennen ist, welcher Zufluss eigentlich der Vârghişbach ist.
Auf blühenden Wiesen wandern wir nun ein anmutiges Tal entlang. Die Heumahd hat begonnen, und so treffen wir immer wieder Leute, die uns den richtigen Weg weisen. Es ist ein heißer Sommertag, wir sind ganz ausgedörrt, als wir vor einem Mineralwasserbrunnen, einem Borcut, stehen. Noch nie im Leben hat das Mineralwasser so gut geschmeckt. Nach kurzer Rast erreichen wir die „Cabana Selters“ und nach weiteren 3 km die Asphaltstraße und das Camping mit Thermalstrand auf der Straße Vlăhiţa – Miercurea Ciuc, 2 km von Vlăhiţa. Hier bleiben wir über Nacht. Erst die Dunkelheit vertreibt uns aus dem Strandbad.

Die Vârghişklamm

Naturschutzgebiet, in der Klamm darf nicht gezeltet werden, ebenso ist Feuermachen verboten. Länge der Klamm etwa 3 ½ km, Kalkstein, Meereshöhe 500 – 550 m. Das ideale Wetter: ein schöner Sommertag, bei möglichst niedrigem Wasserstand, ohne Gewitterregen.

Anfahrt

Eisenbahn: Bahnstation Augustin, Züge aus Richtung Braşov oder Schässburg, mit dem Bus bis Vârghiş. Aus Richtung Braşov – Miercurea Ciuc bis Bahnhof Malnaş, mit dem Bus über Baraolt bis Vârghiş.
Auto: DN 12 aus Richtung Braşov oder Miercurea Ciuc bis Malnaş, hier in Richtung Baraolt abzweigen und nach Vârghiş weiterfahren;
DN 13, E 60 aus Richtung Braşov bis Măieruş, hier in Richtung Augustin abzweigen und über Baraolt bis Vârghiş;
aus Richtung Schässburg nach Reps in Richtung Racoş abzweigen, über Augustin und Baraolt weiter nach Vârghiş.
Von Vârghiş, die Forststraße aufwärts, Wagen beim Klammeingang abstellen. Wer durch die Klamm geht, hat vom Camping Busverkehr nach Odorhei oder Miercurea Ciuc. Kurz nach Austritt aus der Klamm zweigt links eine Straße ab nach Mereşti (5 km), Mărtiuş (+ 5 km), Ordohei (+ 15 km). Ab Mereşti Pendlerbusse.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 87, S. 131 – 135)

Seite Bildunterschrift
 
131 Wildromantische Vârghişklamm. Blick aus der Almaşer Höhle.
133 Ein Kunstwerk, das Tor des Bela Sütö.
134 Nicht jede Hängebrücke war so gut erhalten wie diese.
135 Die Schuhe in der Hand, der Stock zum Gleichgewichthalten – so ging es durch den Bach.
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