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Wenn die Alpenrosen blühn

Vorschlag für eine Cîndrel-Wanderung im Juni

von Reinhold Gutt

Im bunten Mosaik der Karpatenflora, in der Vielfalt aller ihrer Farben und Formen ist auch die Siebenbürgische Alpenrose (Rhododendron kotschyi) als kleiner Baustein der Landschaft eingeschlossen. Es ist vielleicht eine der bekanntesten und meist besungenen Blumen, die von den Völkern des Alpen-Karpaten-Raumes mit verschiedenen Namen wie Almrausch, Steinrose, Gebirgsrose, smârdar, bujor de munte, bojorei und anderen bedacht wurde; „wetteifert sie doch“, wie der Kronstädter Botaniker Dr. Julius Römer (1848 – 1926) schrieb, „Mit dem Edelweiß um die Gunst der Touristen“.
Wenn im Buchenwald die ersten Frühlingsblumen verblüht sind und sich die Fichtenzweige mit neuen, hellgrünen Spitzen zieren, dann erglühen Mitte Juni, oft bis Ende Juli, auch die Berghänge über der Waldgrenze in einmaliger Blütenpracht. Es sind die angenehm duftenden, samtenen rosa-roten Blüten der Zwergsträucher der Siebenbürgischen Alpenrose.
Viele übereifrige und unbedachte Touristen begnügen sich leider nicht mit einigen Zweiglein oder einem Sträußchen, sondern entpuppen sich als „Massen-Sammler“ von Alpenrosenblüten. Um möglichst schnell viele Blüten für einen aromatischen Tee (der in der Volksmedizin als Heilmittel gilt) zu sammeln, werden die holzigen, kriechenden Stämmchen mitleidlos aus dem steinigen Boden gerissen, wodurch oft schwerer Schaden angerichtet wird, da die Alpenrose eine unübersehbar wichtige Rolle in der Boden- und Geröllfestigung spielt.
Vorwegnehmend sei erwähnt, dass in der geologischen und geographischen Literatur die Bezeichnung Cîndrel-Gebirge sich endlich endgültig eingebürgert hat, nachdem sich ein Streit um diese Frage entspannte. Von der Theorie des französischen Geographen Emmanuel de Martonne ausgehend, der 1907 ein grundlegendes Werk über die Südkarpaten veröffentlichte und das Prinzip des dominierenden Gipfels vertritt, wurde 1963 der Vorschlag auch von Akad. Vintilă Mihăilescu angenommen, so dass die ältere Benennung Zibins-Gebirge nicht mehr gültig ist.
Unser Ausflug beginnt von der Cânaia-Unterkunft, die südöstlich des Cîndrel-Niculeşti- Grates in 1775 Meter Höhe über dem Meeresspiegel gelegen ist. Sie ist eine von den ganz wenigen Möglichkeiten, im zentralen Teil des Gebirges ein Dach über dem Kopf zu haben, denn seit jeher war das Cîndrel-Gebirge arm an Touristenhäusern und Hütten.
In drei Wanderstunden von dem höchstgelegenen Kurort Rumäniens, Păltiniş/Hohe Rinne, über Bătrâna-Sattel und Rozdeşti-Spitze oder in 1 ½ bis höchstens zwei Stunden Aufstieg vom Serbănei-Forsthaus aus dem oberen Sadu/Zoodt-Tal erreicht man die schön und günstig gelegene Cânaia-Unterkunft.
Gegenwärtig wird sie vom Bergrettungsdienst „Salvamont“ aus Sibiu verwaltet. Es gibt 12 ordentliche Schlafstellen in zwei Zimmern und im rückwärtigen Teil der Hütte eine Notunterkunft – die ständig, auch winters, geöffnet ist und weiteren 30 Personen auf Pritschen Unterkunft bieten kann. In den Sommermonaten wird die Cânaia-Unterkunft vom Hüttenbesorger Liviu Gligor – ehemaliger Hüttenwart am Bâlea-See im Fogarascher Gebirge – bewirtschaftet, der einem gerne mit Rat und Tat behilflich ist.
Nach einer wohlverdienten Nachtruhe brechen wir am Morgen auf, der roten Dreieckmarkierung folgend, an Latschen vorbei, und sind in 30 Minuten im Mioarele-Sattel. Von hier wenden wir uns dem Cîndrel-Gipfel zu; der Weg ist mit rotem Band markiert. Nach weiteren 15 Minuten erblicken wir nordwestlich den Großen Zibinssee-Kessel, in dem der gleichnamige See (1970 m Höhe) eingebettet liegt. Wir verlassen die Markierung und steigen zu dem See ab. Dabei geht es an Warntafeln vorbei, die uns auf das Naturschutzgebiet aufmerksam machen.
Am See gönnen wir uns eine Rast und laben uns aus dem kühlen Nass des Iezers, wobei wir aber das vierte Bergsteigergebot nicht vergessen:

„Du sollst die Gegend, die du durchwanderst, nicht verunehren und sollst die große Natur nicht mit Flaschenscherben, Eierschalen, Obstabfällen, Papierfetzen, Sardinenbüchsen und sonstigem Unrat verschönern!“

Die Ansicht, dass die Überreste – unter einem Stein deponiert – mit der Zeit von der Natur aufgenommen werden, ist längst überholt, und es kann wirklich von jedem verlangt werden, dass die Schachteln, Büchsen und zumal Flaschen, die voll den Berg hinaufgebracht, auch leer wieder hinuntergetragen werden. Diese Auffassung wird oft als Spleen bezeichnet, als Marotte verschrobener Romantiker. Das Motiv solcher Einschätzung ist meist nichts anderes als die Bemäntelung eigener Gleichgültigkeit.
Unsere Wanderung geht nördlich auf einem Hirtensteg hinauf, an blühenden Alpenrosen vorbei, wobei zu bemerken ist, dass der Einstieg mit Vorsicht gesucht werden muss, da er von Latschen verwachsen ist. Dieser Steg führt uns auf den Grat, der den Großen vom Kleinen Zibinssee-Kessel trennt. Auf dem Kamm machen wir eine große Wendung nach Südwest und erreichen in weiteren 20 Minuten die Cîndrel-Spitze (2242 Meter). Hier ergötzt sich unser Auge, bei guter Fernsicht, an dem Panorama der Südkarpaten, beginnend aus dem Westen mit dem Surian- und Parâng-Gebirge, dann südlich das Stefleşti-Gebirge mit dem Ausläufer zur Prejbe. In bläulicher Ferne verschwindet östlich das Fogarascher Gebirge. Da in dieser Gegend oft mit Wetterstürzen zu rechnen ist, sollte man immer einen Kompass und Regenschutz bei sich haben.
Wir folgen nun wieder der Markierung (rotes Band in schlechtem Zustand) in südlicher Richtung, bis wir auf einen Hirtenweg stoßen, der uns auf der Wasserscheide zwischen Sadu/Zoodt- und Frumoasa-Tal bergab leitet. Bevor wir die erste Sennhütte erreichen, begegnen wir einem Wegweiser, der uns den Rückweg zur Cânaia-Unterkunft anzeigt.
Auf dem markierten Weg (roter Punkt) kommen wir in 1 ½ Stunden zu unserem Ausgangspunkt zurück. Der Weg verläuft anfangs in leichter Steigung durch Wacholder und Unterholzbestand und überquert das Iujbiţa-Tälchen, um dann den Iujba-Kessel zu erreichen. Hier geht der Pfad durch eine Gegend, wo ein großer Teil des Latschenbestandes abgeholzt wurde.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 17 – 22)

Seite Bildunterschrift
 
17 Alpenrosenmatten im Cindrel-Gebirge.
19 Kartenskizze: Cindrel-Gebirge.
20 Die Cinaia-Unterkunft in 1775 m Höhe.
21 In bläulicher Ferne verschwindet östlich das Fogarascher Gebirge.
22-o Sennhütten begegnet man öfters während der Wanderung.
22-u ohne Titel
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