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Rundum sehr viel zu sehen

Die Umgebung von Comarnic zum Urlaubmachen wie geschaffen. / Stille Wanderwege in lieblicher Berglandschaft

von Lia Gross

Wer durch Comarnic (im Prahovatal gelegen, da, wo die Hügel allmählich zu Bergen werden) fährt, hat nur einen Kommentar: In dieser Ortschaft möchte ich nicht wohnen! Und in der Tat, was der Durchreisende zu sehen bekommt, ist keineswegs einladend.
Dennoch ist dieser Ort und seine nähere und fernere Umgebung für Urlaubmachen wie geschaffen. Ja, sogar die Ortschaft selbst, denn Comarnic besteht schließlich nicht nur aus der gar nicht verlockenden Hauptstraße, sondern ist eine riesige Streusiedlung, die zahlreiche ehemalige Gemeinden, auf den Hängen diesseits und jenseits der Prahova gelegen, umfasst, deren Häuser sich bis ganz hoch hinauf ziehen, alles von üppigem Grün umgeben. (Interessanterweise sind die alten Benennungen bestehen geblieben, mit dem Unterschied, dass sie nicht mehr Gemeinden bezeichnen, sondern Stadtteile von Comarnic.)

Sanfte Hügel, lange Wege

Wollte man das, was sich nun Comarnic nennt, in einem Fußmarsch umwandern, wäre die Zeit mit einem Tag wohl knapp bemessen, zumal es ein ermüdendes ewiges Auf und Ab wäre. Um den Ort selbst kreuz und quer zu durchwandern, bräuchte man bedeutend mehr Zeit. Dabei würde man jedoch Gelegenheit haben, festzustellen, dass es hier sehr schmucke Häuser gibt, ansehnliche Bergbauern-Wirtschaften, und vor allem, dass die Luft sehr rein ist, würzig und gesund. Der Zementstaub verunreinigt nur die nächste Umgebung der Fabrik. Der Rest ist der reinste Luftkurort. Wer hätte das gedacht?!
Und wie schöne Wanderungen kann man von hier aus unternehmen! Natürlich den Gegebenheiten entsprechend: weniger durch Wald, da die letzten Häuser ungefähr bis zur Waldgrenze vordringen, mehr durch offenes Gelände, da sich oberhalb von Comarnic die Baiu-Berge mit ihren riesigen Almen hinziehen, auf denen zahlreiche Schafherden weiden, wo aber auch viele Sommerwohnungen der Bauern stehen, die zum Heumachen mit Kind und Kegel heraufziehen. Die Höhen, die Comarnic umgeben, erreichen 1000 – 1400 m, also sind – da der Ort selbst in etwas über 500 m H. liegt – Höhendifferenzen von 500 bis 900 m zu bewältigen, was nicht allzu viel scheint und zünftigen Gebirgswanderern ein mitleidiges Lächeln entlockt. Da es jedoch bei größeren Wanderungen nicht nur bergauf geht, sondern zwischendurch immer wieder auch bergab, geht das ganz schön in die Beine. Nach einem solchen Tagesmarsch wird gewiss keiner mehr sagen, dass „sanfte Hügel“ bloß für Rentner angemessene Spaziergänge darstellen. Sanfte Hügel können ganz schön unsanft sein!
Die Gegend da oben ist wunderschön – wohlgemerkt: wenn gute Sichtverhältnisse herrschen. An Tagen ohne gute Sicht oder gar bei Nebel soll man sich lieber gar nicht erst aufmachen, denn die meisten Wanderungen muss man ohne jede Markierung wagen, was übrigens keine allzu großen Probleme stellt. Kuppen, Spitzen, Verbindungsgrate, Einsattelungen, sanfte und sterile Hänge, alles in frisches Grün gehüllt – eine endlose Weidefläche – verlocken uns, weiter und immer weiter zu gehen. Dabei schweift der Blick frei nach allen Seiten bis weit, weit hinaus über Berg und Tal.

Lockende Baiu-Berge

Was kann man nun doch konkret unternehmen? Zum Beispiel – sagen wir mal: zum Warmlaufen – ethnographische Forschungen. Comarnic ist eine ehemalige Hirtensiedlung, einst die größte Ortschaft des oberen Prahovatals. Außer mit der Viehzucht beschäftigten sich die Bewohner mit der Bearbeitung von Holz. Darum findet man hier an den noch existierenden alten Häusern, die in dem für diese Gegend typischen Stil gebaut sind, schöne Holzschnitzereien als Verzierung.
Eine kurze Wanderung bringt uns zur Klause Lespezi. Erst geht es talauf in Richtung Posada, bei km 111 biegt man links in einen Weg, der Bahngleise und Prahova überquert, und bei der nächsten Weggabelung geht man rechts ein paar Serpentinen hoch. Von derselben Weggabelung führt auch ein Fußweg direkt hinauf. Hier finden wir auch eine Markierung (roter Punkt), die zur Pleşuva-Spitze führt. Die Klause wurde Mitte des 17. Jh. von Drăghici Cantacuzino und seinem Sohn Pârvu erbaut. Die Innenmalereien stammen vom bekannten Kirchenmaler Pârvu Mutu.
Außer dem besagten roten Punkt folgend, kann man auch durch den Ort und dann auf grasigen Hängen, an einer Schafhürde vorbei, auf die Pleşuva (1255 m) gelangen. Wer weitergehen will, z. B. auf die Gurguiata (1339 m) oder gar bis ins Ialomicioara-Tal, muss sich sehr gut orientieren können, denn hier geht es hauptsächlich durch Wald.
Doch wechseln wir lieber die Seite. Die Baiu-Berge sind viel verlockender. Das offene Gelände erleichtert die Orientierung, bietet eine schöne Aussicht, und auch die Sonne scheint hier länger. Es gibt sogar eine Markierung, die uns in kürzester Zeit ins Wanderparadies bringt. Es ist dies das rote Band, das allerdings knapp vor Posada (Bahnverbindung) beginnt. In etwa 1 ½ St. ist man bei der Florei-Hütte (nicht bewirtschaftet) in 1180 m H. Von hier weiter geht’s ohne Markierung. Erst einmal auf die nächste Spitze: Doamnele Tituleni (1403 m). Da hat man einen guten Ausblick, kann sich orientieren und das nächste Ziel anpeilen. Schön ist es überall. Die Ruhelos-Neugierigen lockt es hierhin und dorthin, weiter und weiter, die Genügsamen suchen sich ein schönes Fleckchen mit guter Aussicht und bleiben da pick(nick)en.
Weit und doch nicht allzu weit im Süden sieht man Secăria, ein Bergdorf, das sich in eine große Mulde schmiegt. Dieser Ort liegt am Fahrweg Comarnic – Teşila, der also das Prahova- mit dem Doftana-Tal verbindet, und hat Autobusverbindung nach Comarnic (8 km). Eine Wanderung bis hin und dann per Bus nach Comarnic wäre ein schöner Abschluss dieses Ausflugs.

Immer weiter, immer höher

Eine kleinere Rundtour könnte man von Comarnic selbst beginnen. Bei Poddul Vârtos geht’s zwischen Häusern und Gärten hinauf. Ein Karrenweg, auf den wir treffen, bringt uns immer höher, zu den letzten Häusern und weiter. Da er aber nicht zum Kamm führt, verlassen wir ihn um eine Zeit und wählen einen Pfad, der uns durch den schmalen Waldgürtel in offenes Gelände bringt. Danach geht’s über Grasland immer weiter, immer höher, über die Gâlmeia zum Gâlmeuţa-Gipfel. Hier lohnt sich eine Rast. Genießen wir das Panorama, das sich uns bietet!
Da wir hier näher von Secăria sind, haben wir Zeit, einen Aussichtspunkt jenseits dieser Ortschaft, und zwar die Gâlma Secăriei (1149 m), zu besteigen. Hier kann das Auge schwelgen! Das Doftana-Tal mit dem Paltinul-Stausee, dem Camping, den Ortschaften Teşila und Trăsisteni liegt uns zu Füßen. Jenseits des Tals die Höhen, die sich zwischen Doftana und Teleajen hinziehen und unter dem Sammelnamen Grohotiş-Berge bekannt sind. Im Norden den Kamm der Baiu-Berge bis weithin sichtbar. Im Westen... aber was helfen Worte! Wie könnte die Sprache ersetzen, was nicht einmal Fotos vermögen: das allumfassende Panorama vermitteln. Man muss es erleben und auf sich einwirken lassen...
Schön langsam neigt sich unser Urlaub dem Ende zu. Wir haben Comarnic samt Umgebung gründlich durchforscht und sind erfreut, ein neues Wandergebiet kennengelernt zu haben. Zudem sind wir als unverbesserliche Skifans, die auch im Sommer jedes Gelände auf seine Tauglichkeit für Skiwanderungen begutachten, zu der Feststellung gelangt, dass man hier sehr wohl auch im Winter mal einen Ausflug riskieren kann. Dass Gelände zwischen Florei und Secăria eignet sich vorzüglich zum Skiwandern. Eigentlich sind die Baiu-Berge in ihrer ganzen Ausdehnung ein schönes Skiwandergebiet, nur ist das so eine Sache: ohne Berghütten ist an kurzen Wintertagen nicht viel zu bestellen.

Eine Kammwanderung in zwei Varianten

Nach so vielen Wandertagen sind wir nun gut in Form, also lohnt sich als krönender Abschluss eine große Kammwanderung. Um sie aber richtig genießen zu können, wollen wir sie in Etappen teilen.

1. Etappe: Comarnic – Sinaia (Piscul Câinelui). Wir fahren mit dem Frühbus nach Secăria, und hier beginnt nicht nur unser Fußmarsch, sondern auch ein Karrenweg, der ungefähr die Kammlinie einhält, uns also gewissermaßen als Wegweiser dienen kann. Die meisten Gipfel umgeht er zwar, was jedoch nicht heißt, dass wir es ebenso machen müssen. Im Gegenteil, so mancher Gipfel lohnt die Mühe seiner Besteigung mit einer schönen Aussicht. Und Zeit haben wir ja zur Genüge.
Der erste Gipfel, an dem wir vorbeiziehen, ist der Colţul (1071 m). Es folgt der 1403 m hohe Doamnele Tituleni, dann der Mierlei-Gipfel (1605 m), der Vornicu (1627 m) und schließlich der 1656 m hohe Piscul Câinelui. Ende der ersten Etappe. Nun geht’s bergab zur Piscul- Câinelui-Hütte knapp oberhalb von Sinaia.

2. Etappe: Sinaia – Buşteni. In der morgendlichen Kühle steigen wir frisch und munter zurück auf den Kamm. Und dann knüpfen wir frisch und munter zurück auf den Kamm. Und dann knüpfen wir an die vorige Etappe an: Drăgan (1775 m), Baiu Mare (1895 m), Baiu Mic (1834 m), Băiuţul (1825 m). Nun müssen wir wieder ein Nachtquartier suchen. Wir gehen die Culmea Zamora bergab. Hier treffen wir auf die Markierung blaues Kreuz, die, aus Buşteni kommend, über die Culmea Zamora hinauf und die Culmea Orjogoaia hinunter, die Verbindung zum Doftana-Tal herstellt. Bei dieser Gelegenheit muss erwähnt werden, dass man vom Hauptkamm nicht nur ins Prahova-Tal absteigen kann, sondern auch ins Doftana-Tal; die Wege dahin ziehen sich jedoch bedeutend in die Länge.
Aber zurück zu unserem Abstieg. Am Waldrand liegt ein Forsthaus. Mit etwas Glück können wir hier übernachten. Wenn nicht, müssen wir in den sauren Apfel beißen und bis Buşteni absteigen.

3. Etappe: Buşteni – Azuga. Auf den Kamm zurückgekehrt, gehen wir eine Weile auf markiertem Pfad. Aber bald verlässt uns die Markierung, und wir besteigen den Cazacu (1753 m). Es folgt die Urechia (1715 m) und der Abstieg über die Culmea Sorica, der uns nach Azuga, nahe dem Bahnhof, bringt.

Für Touristen, die gerne mit dem Haus auf dem Rücken wandern und die somit in diesen Bergen ohne Berghütten im Vorteil sind, wäre die Etappeneinteilung eine andere, und die Kammwanderung könnte bis Săcele fortgesetzt werden.

1. Etappe: Secăria – Drăgan. Da gibt’s auch Wasser.

2. Etappe: Drăgan – Culmea Orjogoaia. Bis zum Cazacu ist es der schon beschriebene Pfad. Nun aber trennen sich die Wege. Während die Zeltlosen geradeaus weitergehen und nach Azuga absteigen, biegen die Zelttouristen rechts ab auf die Culmea Orjogoaia. Da hier zwei Sennhütten stehen, muss es auch Wasser geben, also ein vorzüglicher Zeltplatz.

3. Etappe: Culmea Orjogoaia – Săcele. Nach der zweiten Sennhütte biegen der Kamm und somit auch unser Pfad wieder nach links, also nördlich. Es folgen die Gipfel Unghia Mare (1847 m), Rusu (1902 m), Stevia (1907 m), Neamţu (1923 m), Paltinu (1900 m). Hier treffen wir die Markierung rotes Band, die von Predeal hinüber zum Bratocea-Pass führt und uns bis zum Turcu (1833 m) begleitet. Es folgen Tigăi (1699 m) und Clăbucetul Mare (1466 m). Unterhalb der letzten beiden Gipfel verläuft der mit rotem Dreieck markierte Pfad Susai – Renţea. Wir steigen ab und gelangen bald zur Renţea-Hütte, von wo mehrere markierte Pfade nach Săcele führen. Hier gibt’s Autobus-Verbindung nach Braşov.

Diese Kammwanderung hat den Reiz des Ungewöhnlichen, da man normalerweise außer Hirten kaum jemanden trifft. Außerdem hat man ständig das Panorama des „großen Bruders“ Bucegi zur Linken, die Bergwelt diesseits und jenseits des Doftana-Tals zur Rechten, vorne Schuler und Hohenstein, in der Ferne andere und andere Bergkulissen, bis sich die letzten im Dunst verlieren.
So wandert man dahin, in großer Stille, nur die Vögel und das Blöken der in der Ferne weidenden Schafe sind zu hören, ihre Glöckchen, Hundegebell... Dabei gibt es rundum so viel zu sehen, dass man gar nicht merkt, wie schnell man vorwärtskommt. Wer gerne in der Einsamkeit wandert und zu den stillen Genießern gehört, der kommt hier sicher auf seine Rechnung, genauso wie die Fotofreunde. Andere Blickwinkel tun sich auf.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 52 – 58)

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