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Parklandschaft in Bergeshöhe

Wandertage im Mühlbächer Gebirge

von Walter Kargel

Jedes Jahr einen Höhenzug der Karpaten – das sind rund 70 Jahre Urlaubs-Vorrat. Diesmal soll es das Mühlbächer Gebirge sein. Es ist ein Teil der Parâng-Gruppe und gipfelt im 2130 m hohen Vârful lui Pătru. Umgrenzt wird es durch die Miereschniederung mit der Stadt Mühlbach/Sebeş im Norden, das Mühlbächertal gegen das Zibins- und Lauter-Gebirge im Osten, das Ostschiltal (Jiul de Est) gegen Parâng im Süden, das Streital im Südosten gegen das Retezat-Gebirge.

Das Gebirge gleicht einer sanft gewellten Parklandschaft, aus der die beiden Massive Vârful lui Pătru und Şurean, getrennt durch den Şureansattel, hervorragen.
Unser Basiscamp befindet sich in Obârşia Lotrului. Ein taufrischer Morgen begrüßt uns, als wir aus dem Zelt hinausgucken. Um uns auf der Wiese und unter den alten Fichten ein Dutzend anderer Zelte. Das „Badezimmer“ ist der kristallklare Lauterbach (Lotru). Eisbärennaturen tauchen gleich ganz drin unter, andere wieder sehen darin nur die Möglichkeit, zu einem Forellengericht zu gelangen. Uns gegenüber hoch oben am Waldrand steht das Hegerhaus. Mal sehen, ob die Förstersfrau schon die Kuh gemolken hat! Trockenes Reisig zum Feuermachen gibt es genügend, bald ist die Milch gekocht und das Frühstück fertig.
Obârşia Lotrului liegt 1400 m hoch an der Kreuzung der Nationalstraßen 7 A und 67 C. Ein etwas irreführender Name für diese Rallyefahrerstraßen. Es liegt im Herzen der Parânggruppe. Wanderwege führen in alle Himmelsrichtungen: Südwestlich ins Parâng-Gebirge, südöstlich ins Căpăţânei-Gebirge, nordöstlich ins Lotru- und Zibins-Gebirge, nordwestlich ins Mühlbächer Gebirge. Wir lesen auf dem Wegweiser: Cabana Şurean, 8 Stunden, Markierung blaues Band.
Entlang der Straße 67 C wandern wir nordwärts, im schattigen Tal des Pravăţ-Baches. Eine Stunde später biegen wir links ab; eine Forststraße führt uns auf eine sonnige, weite Almwiese – Poiana Muierii, auf dem Karpatenhauptkamm, Wasserscheide zwischen Alt und Mieresch und wichtiger Wanderknotenpunkt: im Westen geht es hinab zur Voievoduhütte und nach Lonea, Petrila, Petroşani; gegen Süden über den Groapa-Seacă-Sattel ins Parâng-Gebirge; gegen Osten über den Tărtărău-Pass ins Lotru-Gebirge; wir ziehen nordwärts weiter ins Mühlbächer Gebirge. Wald und Wiesen, am besten als Parklandschaft bezeichnet, kennzeichnen unseren Weg, der breitspurig in den Sălanelesattel und weiter rechts haltend zur Sennhütte Sălanele führt. Auf dem Sattel verlassen wir den Weg und steigen, Trittspuren im Gras folgend, links haltend an, um den Sălanelegipfel im Westen zu umgehen. Gleich folgt die Sennhütte Smida Mare auf der Ostseite des gleichnamigen Gipfels.
Zurück zur Kammlinie geht es, erst an-, dann absteigend in den tiefen Sattel Gura Potecului, wo wir wieder einen Pfad kreuzen: Oaşa – Voievoduhütte (rotes Dreieck). Rechts unten, nicht weit, ist eine Sennhütte, wo wir Mittagsrast in größerer Gesellschaft halten. Fünf Wanderstunden liegen hinter uns, drei Stunden stehen noch bevor. Ein steiler Anstieg führt aus dem 1618 m hohen Sattel zum 2130 m hohen Gipfel Vârful lui Pătru, mehr als 500 m Höhenunterschied! Der blau markierte Pfad steigt etwas zahmer an, indem er den Gipfel im Südwesten umgeht. Auch so sind 400 m zu überwinden. Auf einem Nebenkamm stoßen wir auf die Markierung blaues Kreuz, die südwärts zur Voievoduhütte führt. Unser Anstieg endet auf einem weiten Plateau auf rund 2000 m Höhe; im Osten überragt uns der Vârful lui Pătru, im Westen endet das Plateau im Auşelgipfel (2005 m). Die Markierung fehlt hier gänzlich, ein Pfad oder auch nur Trittspuren sind nicht vorhanden.
Wir verlassen uns auf unseren Spürsinn und wandern westwärts. Am Auşel biegt der Kamm plötzlich nordwärts ab, unseren Weg entdecken wir jedoch die Nordflanke querend; das Tal heißt Valea Mare und führt sein Wasser dem Râu Mare al Cugirului zu, am rechten Ufer liegt eine Sennhütte – Stâna Curmătura. Dann erreichen wir den Şureansattel mit einem frisch beschriebenen Wegweiser: Zur Şureanhütte 20 Minuten; zur Auşelhütte und Lunca-Florii-Hütte (blaues Dreieck) 3 bzw. 5 Stunden; zur Voievodu-Hütte (blaues Kreuz) 4 Stunden; Obârşia Lotrului (blaues Band) 10 (!) Stunden.
Vor uns baut sich quer zum bisher süd-nordwärts ausgerichteten Kamm das Şurean-Gipfelmassiv auf, von kurzem Krummholz bewachsen. Wir wenden uns rechts der Ostflanke zu und erreichen bald die Hütte, ein Gebäude im guten alten romantischen Stil der Karpatenvereinshütten. Davor stehen auf dem grünen Rasen in der Sonne ein Tisch und zwei Bänke. Bier gibt’s auch. Wenige Minuten dahinter liegt inmitten eines Latschenwaldes der Şureansee. Naturreservat!
Für den Rückweg zur Obârşia Lotrului wäheln wir den Weg über den Oaşa-Stausee. Laut Wegweiser: rotes Kreuz, 3 ½ Stunden bis Oaşa. Steil geht es auf Trekkerspuren hinab ins Valea-Mare-Tal, durch das sich eine Forststraße schlängelt. Wir überqueren das Tal; Wiesen, Jungwald, dann schwarzer Tannenwald mit feuchtem Moosboden. Aus dem Halbdunkel treten wir plötzlich hinaus in das grelle Sonnenlicht einer Rodung. Zwischen faulenden Baumstümpfen wachsen Himbeersträucher und violette Sumpfblumen. Im nächsten Tal, Prigoana, wandern wir 300 m entlang der Forststraße, dann zweigen wir wieder, der Markierung folgend, rechts ab über eine Wiese mit mannshohem Gras und Jungtannen. Und wieder Wald, dann ein Forstweg. Verlassene Tennis-, Fußball- und Volleyballplätze zeigen uns die Nähe der ehemaligen Oaşabaustelle an. In der Arbeitersiedlung machen wir schnell die Kantinenbaracke aus, wo uns freundliche Köchinnen trotz ungewöhnlicher Zeit sofort ein ausgiebiges Mittagessen servieren.
In der Nähe steht ein kleines Kirchlein. Wie wir erfahren, ist es vom Schriftsteller Mihail Sadoveanu gestiftet, der hier in Oaşa gerne weilte, angelte, jagte und schrieb. Die Kirche musste von ihrem alten Standort versetzt werden, da der vom Stausee überschwemmt wurde.
Von der Arbeitersiedlung geht es dem linken Seeufer entlang, 6 km in glühender Sonne zum Staudamm und zur Asphaltstraße 67 C. Nordwärts geht es da nach Mühlbach/Sebeş, südwärts, 25 km, nach Obârşia Lotrului. Diesen Weg nun wählen wir. Am rechten Seeufer steht an Stelle der alten Schutzhütte das neue Motel Oaşa Mică. Viele Kilometer geht man am rechten Seeufer taleinwärts. Wo See und später Asphalt zu Ende sind, grüßt wieder unberührte Natur. Die alte Schotterstraße führt durch Wald und Wiesen den Frumoasa-Fluss entlang. Links, gegen Osten, öffnet sich das Frumoasa-Tal, geradeaus führt die Straße ins Tărtărău-Tal. Vom Forsthaus Tărtărău steigen endlose Serpentinen empor zur Passhöhe, 1665 m. Vor uns das ganze Panorama des Parâng-Gebirges. Sich gegenüberstehende Tafeln zeigen uns an, dass wir aus dem Kreis Alba in den Kreis Vâlcea gelangt sind. Mit neuem Auftrieb geht es bergab, wir erreichen die Abzweigung Poiana Muierii, der Kreis hat sich geschlossen. Noch haben wir 3 km vor uns, doch dann, nach 12 Stunden marschieren, sind wir bei unserem Zelt.

Der erste Kontakt mit dem Mühlbächer Gebirge macht uns Lust auf weitere Wanderungen.
Talorte sind im Norden Mühlbach/Sebeş, Cugir, Broos/Orăştie; im Südwesten Petroşani, Petrila, Lonea.
Hütten: Obârşia Lotrului (1400 m), Voievodu (835 m), Oaşa Mică (1280 m), Şurean (1734 m), Prislop (1200 m), Tărtărău-Forsthaus (1310 m), Auşel-Jagdhaus (1024 m).

Während der größte Teil des Gebirges kristallin ist, besteht der südwestliche Teil aus verkarstetem Kalk, was dem Gebirge einen zusätzlichen Reiz verleiht. Es sind da das Băniţa-, Merişor- und Streital, durch Eisenbahn und Straße bestens erschlossen; die Klammen Taia und Roşia, die Höhlen Bolii und Cioclovina bieten nicht nur Wanderfreuden, sondern auch Kletterfels.

Markierte Pfade außer den bereits beschriebenen:

Schiwandern ist im gesamten Gebiet möglich. Ab Oaşa führen Wanderwege ins benachbarte Zibins-Gebirge (Cindrel).

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 228 – 232)

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229 Kartenskizze: Munţii Şurean
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