Urlaub einmal anders
von Petra Nadolny (Leipzig)
Rumänien – immer wieder Reiseziel der Landschaftshungrigen, Wanderfreunde, der Entdeckerlustigen. Auch wir fuhren nicht zum ersten Mal in dieses schöne Land, und doch waren die Erlebnisse, die Eindrücke immer wieder neu.
Mit einem selbstgebauten Floß gingen wir in diesem Sommer auf Tuchfühlung mit Rumäniens Wasserweg, dem Alt, der wie ein Messer die Südkarpaten teilt. Für meinen Mann und mich ein Experiment, ein erstes, waghalsiges, für unsere Freunde die x-te Flusstour, erwartet und vorbereitet mit fast schon routinemäßigen Selbstverständlichkeiten. Dazu gehörten Mitbringsel aus Leipzig, wie Lastkraftwagenschläuche, Seile und allerlei Handwerkszeug, die wir zum Bauen unseres Wasserfahrzeugs benötigten. Ich war skeptisch und neugierig zugleich. Wie sollte das Ding aussehen? Spielen wir Indianer? Geht das überhaupt, unbeschadet mit ein paar Brettern auf einem Fluss zu fahren?
Am späten Nachmittag erreichen wir die Bahnstation Podul Olt, die nur ein paar hundert
Meter vom Fluss entfernt liegt. Der Floßbau klappt wie am Schnürchen. Wir pumpen die
riesigen Schläuche auf, die Männer zimmern Holzbalken zu einer Fläche von etwa 3,5 mal
2,5 Metern zusammen, unter die wir die sechs Schläuche fest verschnüren.
Absolut sicher, sagt Uwe.
Ich weiß ja nicht.
Große Plastfolien sollen unsere Rucksäcke vor dem Wasser schützen. Befestigt mit Seilen
an dem Floß, soll uns das Gepäck gleichzeitig als Sitzplatz dienen.
Leinen klar? Es kann losgehen!
Mein Blick fällt auf das Wasser, dieses dunkle, schnell dahin ziehende Ungeheuer. Ich sehe
alle Gefahren vor mir, die uns überkommen könnten, und erinnere mich an den alten
Rumänen, der die Arme emporrang, als er von unserem Unternehmen erfuhr: Oh, der Alt ist
ein garstiges Wasser, wild und unberechenbar.
Gefährliche Strudel werden euch in die Tiefe ziehen!
Mir schlotterten die Knie vor Angst. Komm! ruft man und wirft mir das Ruder zu. Allen Mut
aufraffend, steige ich auf. Los geht’s!
Schwer und sicher liegt das Floß auf dem Wasser, nach ein paar Ruderschlägern treiben wir
flussab. Merklich, aber nicht so schnell, wie es vom Ufer aus sehen mag. Phantastisch.
Jippieeihe! rufen wir. Ich habe noch kein Auge für die Umgebung, sondern strahle das
Wasser an, diese tragende, dahinziehende Straße, auf der es wie von allein vorwärts geht.
Es wird dunkel. Uwe mahnt zum Anlegen. Mit Hilfe der Ruder halten wir unsere Kraft der des
Wassers entgegen und steuern ans Ufer. Metergenau erreichen wir die angepeilte Stelle.
Wie das klappt!
Nächsten morgen geht es weiter. Mich hat schon das Flussfieber gepackt. Die Angst ist
völlig überwunden. Sicher setze ich mich auf meinen Rucksack, lasse die Füße im Wasser
baumeln und bewundere die bunten Blumenwiesen zu beiden Uferseiten, satte
baumbestandene Hügel, auf deren Inseln Tiere weiden, Idyllisch.
Die Fahrt verläuft ruhig. Kleine Stromschnellen nehmen wir dank Uwes sicherem
Einschätzungsvermögen mit ein paar kräftigen Ruderstößen, um gefahrlos und flott an
herausstakenden Baumästen, großen Steinen oder Ufern vorbeizukommen. Manchmal sieht
es knapp aus, weniger als einen Meter mögen wir von der Gefahr entfernt sein, aber, wenn
Uwe sagt: Ruder stopp, schaffen wir dicke! schaffen wir es auch. Nach drei Stunden legen
wir an, es wird kühl.
Nächsten morgen holt uns strahlender Sonnenschein aus den Zelten. Nichts wie aufs
Wasser!
Angelika und ich sitzen wie Nymphen vorn auf dem Floß. Thomas und Uwe wagen
übermütige Abstecher ins Wasser, es wirkt erfrischend. Die Strömung ist stärker als gestern.
Mir tut es fast leid, so schnell an der Landschaft, den herrlichen Bergen, vorbeizuziehen, die
jetzt eine stattliche Höhe aufweisen. Schroffe Felsen reichen ins Wasser. Unser Tempo ist
höher als Schrittgeschwindigkeit.
Achtung! Wir müssen aufpassen. Der Fluss teilt sich, wird flach, die Stromschnellen reißen.
Rudern, heißt es, voller Kraft rudern, dass uns die Strömung nicht gegen Hindernisse
schleudert. Uns rettet ein knapper Meter vor dem Anprall, in rasender Geschwindigkeit
ziehen wir am Ufer vorbei. Ein aufregender Spaß.
Uwe erzählt von der vorangegangenen Fahrt über den Arieş, die viel spannender gewesen
sei. Mir reicht der Alt. Bin auch nicht so sehr auf Nervenkitzel aus, mehr auf die Landschaft.
Und die liegt in urwüchsiger Schönheit neben uns, im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Alt hat sich an manchen Stellen breitgemacht und in seiner flachen Mitte
baumbestandene oder Sandinseln liegengelassen. Zum Zelten zu uneben, zum Gucken
schön.
Uwe gibt erneut Achtungszeichen. Der Fluss reißt um eine Kurve. Wir haben Mühe,
vorbeizukommen. Werden wir doch noch mal im Wasser landen? Das Floß gerät fast außer
Gewalt. Vorbei. Ein Glück. Was ist jetzt? Es stuckt verdächtig. Wir schleifen über Geröll.
Abspringen! Wahrhaftig, das Wasser reicht kaum bis zum Knie. Sicher führen wir unser Floß
aus dieser flachen, aber reißenden Strömung. Schon geht die Fahrt wieder weiter. Ein
Gewitter zwingt uns nahe dem Ort Cineni Mici zur Rast.
Das Wetter wechselt in Extreme. Am nächsten Tag ist es lausekalt, so dass wir uns in
warme Kutten hüllen. Beine und Füße aber bleiben nackt für eventuelle Absprünge oder
große Wellen. Wir fahren unter schmale Hängebrücken aus Holz, auf denen uns Kinder
zuwinken. Auch einige Asphaltjäger der sich neben dem Alt schlängelnden Europastraße
lassen sich von unserem Naturboot begeistern. Doch ungläubig meist und froh, wieder in
den komfortableren Dacia steigen zu können. Ein verrücktes Unternehmen, scheinen sie zu
denken.
Ohne besondere Vorkommnisse schaukeln wir auch am darauffolgenden Tag weiter, bis, ja
bis wir auf dem Fleck trödeln. Der Fluss wird breit und träge, keinen Zentimeter scheinen wir
voranzukommen. Was soll das? Ein Stausee? Die Männer laufen zur naheliegenden
Autoraststätte, um sich zu erkundigen. Unsere Vermutung wird bestätigt. Leider nimmt damit
auch unsere Floßfahrt ein Ende.
Wir setzen unsere Rucksäcke auf und werfen einen letzten Blick auf das Floß und den Alt,
auf dem wir schöne Tage mit Freuden, Spannungen und nassen Füßen verbracht haben.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 183 – 187)
Seite | Bildunterschrift |
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183 | Der Rote-Turm-Pass im Alttal. |
184 |
Kurhotel und Restaurant Moneasa, der modernste Bau im alten Badekurort.
(Falsche Bildunterschrift F.K.) |
185 | Die Strömung ist stärker als am ersten Tag. |