von Helmut Fabritius
Bizarres Karstgebiet, Dolinen, Einsturztäler, liebliche Almen, Motzen-Streusiedlungen. Eine Bilderbuchlandschaft im Westgebirge – kaum bekannt, wenig begangen. Ein Urlaubstipp für Rucksacktouristen, fernab vom sommerlichen Reisetrubel, ein Ausflug in eine noch unverfälschte Natur.
In der Eisenbahn, die aus Brad in Richtung Ineu fährt, zumeist festlich gekleidete Menschen.
In Baia de Criş, Lunca Moţilor, Birtin und Vaţa steigen neue Fahrgäste ein, um dann in
Hălamgiu den Zug zu verlassen. In diesem Bergbauerndorf feiert man heute die Nedeie, und
keiner will bei diesem Volksfest fehlen.
Noch drei Stationen bis Aciuţa, dann sind auch wir am Ziel. Rucksackbepackt geht es fünf
Kilometer auf der Landstraße bis Avram Iancu (nicht die Ortschaft unter dem Găina Berg)
und dann auf der Forststraße am Aciuţa-Bach aufwärts bis zum Forsthaus mit der großen
Baumschule. Die große Schleife des Bachs, etwa 2 km hinter Avram Iancu, kürzen wir über
den Berg ab. Beim Forsthaus verlassen wir die Forststraße und steigen im linken Tal
bachaufwärts bis zu den Steinkreuzen am Weg. Hier führt ein Pfad durch Buchenwald in ein
enges düsteres Tal, über oft recht nasse und morastige Stellen steil aufwärts zum Izbucul de
la Călugări. Aus einem Felsloch sprudelt alle 15 bis 20 Minuten eine starke Quelle hervor,
um nach kurzer Zeit wieder zu versiegen. Hier wird übernachtet. An Holz fürs Lagerfeuer ist
kein Mangel.
Am nächsten Morgen brechen wir nach Norden auf. Steil geht es über den Berg, durch die
Ortschaften Ponoare und Izbuc zur Peştera Câmpenească. Am nördlichen Dorfrand von
Izbuc verschwindet der Bach, an dessen Ufer wir von Ponoare entlang wanderten, in einem
Felsportal und stürzt in die Tiefe, um nach zwei Kilometer unterirdischem Lauf bei Vaşcău
als Izvorul din Boiu wieder ans Tageslicht zu treten. Beschwerlich wandern wir über den
Berg durch Mischwald und über liebliche Almen zur Boiuquelle. Gleich an zwei Stellen
sprudelt das Wasser als starker Bach aus der Erde, denn unterirdisch bekommt er noch
reichlich Zufluss. Es ist noch früher Nachmittag, aber nicht genügend Zeit, um die letzte
Strecke anzugehen. Also entschließen wir uns, in dieser schönen Landschaft das Zelt
aufzuschlagen, ein reichliches Mittagessen zuzubereiten und den Sommertag aus vollen
Zügen zu genießen.
Am nächsten Tag beginnt der schwerste, aber dafür schönste Abschnitt unserer Bergtour.
Die Trasse führt über das Karstplateau mit seinen vielen Dolinen und durch Einsturztäler. Für
diese O-W-Überquerung bis nach Moneasa, dem Endziel unserer Wanderung, benötigen wir
voraussichtlich 8 bis 10 Stunden. Markierungen gibt es keine. Ein Bergbauer hat uns jedoch
den zu gehenden Weg genau beschrieben. Ihm folgen wir.
In frühster Morgenstunde brechen wir auf. Es geht am Bahnhof von Vaşcău auf der
Nationalstraße stadtwärts über die Kreischbrücke, um darauf in die erste Gasse rechts
einzubiegen. Hier beginnt die Fahrstraße, welche in weiten Schleifen steil bergauf zu den
Steinbrüchen von Câmp führt. Nach einer Stunde sind wir auf dem Berg. Der Ausblick ist
überwältigend: Unter uns die Ortschaft Câmp und gleich vor uns die zwei ersten Dolinen,
riesige Erdtrichter. Wir gehen hinunter ins Dorf und steigen weiter auf der Straße am linken
Hang des Tals aufwärts, bis wir die nächste Bergeshöhe erreichen. Hier gabelt sich der Weg.
Wir wechseln den Hang, gehen am aufgelassenen Steinbruch vorbei, bergab dem Weiler
Moţi zu. Bevor wir ins Dorf schreiten, liegt rechts des Weges ein mächtiger, ausgemauerter,
runder Brunnen von mindestens zwei Meter Durchmesser: Fântâna lui Oache. Wasser ist
hier kostbar und die Bewohner von Moţi betrachten diesen Brunnen als ihr Eigentum. Zwar
ist er mit einer langen Schöpfstange samt Holhaken für den Eimer versehen, der Eimer aber
fehlt. Damit kein fremder Hirte seine Schafe tränken kann, erfahren wir später.
Moţi liegt in einem mächtigen Einsturztal. Zu dieser Tagesstunde mutet es wie eine
verlassene Ortschaft an. Die Männer sind im Holzschlag, die Frauen beim Heumachen.
Gemächlich schreiten wir durch den Weiler, immer am rechten Hang aufwärts, an Kalköfen
vorbei. Der Weg macht eine große Schleife, um die Steigung zu überwinden, und bei den
letzten Häusern geht es über eine Bodenschwelle ins nächste Einsturztal mit seinen vielen
Dolinen.
Im nächsten Sattel angelangt, es ist der Poieni-Sattel, folgt die nächste große Senke, die
Arindasenke. Erst umgehen wir eine Doline links, um dann in nördlicher Richtung am rechten
Hang die Arindasenke zu durchqueren. Bei einer Quelle mit Trog wird kurz gerastet. Nun
folgen wir dem Weg leicht abwärts zum tiefsten Punkt zwischen Arinda und dem nördlich
liegenden Boitoş. Dieser Pfad ist gleichzeitig die Grenze zwischen den zwei Senken. Genau
hier muss man den breiten Weg verlassen, um auf einen weniger begangenen Pfad scharf
nach rechts abzubiegen. Wir schreiten nun durch die Doline Boitoş und etwas später durch
die Doline Barâşca. Dann biegt der Weg westwärts, und leicht ansteigend erreichen wir den
Waldrand.
Seit Vaşcău ging es bisher immer durch offenes, übersichtliches Gelände. Nun wird die
Orientierung schwieriger, die Übersicht fehlt im Wald, dazu kommt noch, dass hier Holz
geschlagen wird und Wagenspuren die Wege verwirren. Am Waldrand angekommen,
überqueren wir einen von S nach N führenden, gut sichtbaren Weg und gehen etwa 15
Minuten westlich, leicht ansteigend durch den Wald, vorbei an den letzten mit Bäumen
bestandenen Dolinen. Wieder eine Gabelung. Wir schreiten nach links, bis wir tief unten vor
uns das Tal erblicken. Wir sind hier „la Ciordan“.
Orientierungsmäßig war dieser Wanderungsabschnitt durch den Wald am schwersten. Ehe
wir das Tal nicht vor uns sehen – der Wald ist nicht dicht und man sieht bis hinunter –,
sollten wir nicht weiter gehen, sondern immer links haltend versuchen, „la Ciordan“ zu finden.
Sehr steil einen ausgeprägten Weg bergab gehend, sind wir in kurzer Zeit am Bach der
„Valea Lungă“, dann immer im Tal abwärts gehend, nach 5 km beim Forsthaus und nach
weiteren 3 km in Moneasa.
Ein wunderschöner Wandertag liegt hinter uns. Wenn er auch mühevoll war, schon der
Einmaligkeit der Landschaft wegen haben sich die Strapazen gelohnt. Dafür kann man sich
dann in Moneasa reichlich erholen. Der Kurort mit seinen Ferieneinrichtungen, dem neuen
Kurhotel und dem Camping bietet dazu alle Voraussetzungen. Seine schon zur Zeit der
Römer bekannten Thermalquellen dienen nicht nur Heilzwecken, sie speisen auch ein
Schwimmbad. Wer hier die Tour beenden will, kann mit dem Bus über Arad (etwa 100 km)
die Heimreise antreten.
Wir entschließen uns für einige Erholungstage in Moneasa und setzen dann die Wanderung
nach dem 9 km talabwärts gelegenen Dezna fort. Gleich bei der Ortseinfahrt das
Restaurant-Camping „Cetatea Deznei“ mit Fischteich. Vorerst gilt unser Besuch der 200 m über dem Tal
liegenden Burgruine Dezna. Es sind leider nur noch Mauerreste vorhanden, dafür hat man
von hier oben einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung. Später sitzen wir in der
gemütlichen Gaststätte und genießen ein vorzügliches Fischgericht. Der Fisch kommt frisch
aus dem Teich. Die Heimfahrt geht mit dem Bus bis Sebiş (11 km) und von hier mit der
Eisenbahn über Gurahonţ wieder nach unserem Ausgangspunkt Brad zurück, oder über
Sanktanna in Richtung Arad.
(Wer diese Wanderung nur in Vaşcău antreten will, kann mit der Eisenbahn über Oradea – Felixbad – Vaşcău anreisen oder über Arad – Ciumeghiu – Holod – Vaşcău bzw. mit dem Bus Oradea – Deva.)
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 217 – 224)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
217 | Westkarpatenlandschaft bei Moţi. Im Hintergrund der Padeş. |
218 | Câmp, auch durch seine Steinbrüche bekannt. |
219 | ohne Titel |
224 | Kurhotel und Restaurant Moneasa, der modernste Bau im alten Bedekurort. |