home - Komm mit - 1986 - Creasta Mălinului
jedes Wort alle Wörter Suchwort markieren
drucken

Felsklettern:

Creasta Mălinului

Für Könner eine erholsame Wochenendpartie

von Werner Kempf

Goldene, warme Septembersonne, die Gipfelfelsplatte wohlig warm. Unter uns brandet das weiße Wolkenmeer in die Valea Mălinului. In der Ferne ragen Schuler und Hohenstein wie Inseln aus dem Wolkenmeer. Am Horizont, das blaue Felsband – die Ostkarpaten. Ganz nahe erhebt sich der Morar aus der Bucht der Valea Cerbului, darüber thront der Omul.
Mălin – Traubenkirsche – Padus racemosa, Schlucht und Felsgrat an der Kante, die die Coştila-Ostflanke von der Nordflanke trennt. Coştila – das ist der Berg der Bukarester Kletterszene: im Süden, Osten und Norden scharf felsig, im Westen das Gipfelplateau sanft abfallend. Modernes Leben hat den Gipfel mit Fahrstraße versehen.
Die Kletterer bevorzugen den Bereich des Refugiul Coştila, der kleinen Wellblechhütte, von der aus bequem Übungsfelsen wie „big walls“ erreichbar sind. Das Mălingebiet dagegen ist heute fast vergessen, still und einsam, ein Geheimtipp für Genießer solcher warmer Herbsttage.
Vom Coştila-Plateau fällt gegen Nordosten die Steilwand in Stufen ab. Das Obere, Mittlere und Große Band unterbrechen den „fast senkrechten“ Fels. Vom Großen Band an beginnt die Creasta Mălinului als schmaler Grat, dessen senkrechte Wände in den Schluchten Ţapului (im NW) und Mălinului (im SO) fußen und den zwei Türme überragen: Colţul de Sus und Colţul Mălinului, dazwischen eine schlanke Nadel – Dintele dintre Colţi.
Zwischen den auseinander stehenden Schluchten Ţapului und Mălinului verzweigt sich der Grat; der westliche Zweig heißt Creasta Frumoasă, der mittlere – Creasta Văii Verzi, der östliche ist die Fortsetzung der Creasta Mălinului. Zwischen ihnen die Schluchten Valea Seacă und Valea Verde.
Der Colţul Mălinului ist in dieser Felswildnis das Hauptziel der Alpinisten und kann vornehmlich über vier Routen bestiegen werden: Creasta Mălinului, Fisura Sudică din Colţul Mălinului, Hornul Ascuns, Hornul Central.
Als Zustiege zu den Felsanstiegen gelten die Schluchten Mălinului, Seacă und Ţapului und als Variante dazu auch Valea Gălbinelelor. Talort für alle Zustiege ist Buşteni.
Valea Mălinului. Schwierigkeitsgrad 1 B (I – II UIAA). Von der Căminul-Alpin-Hütte in Buşteni erfolgt der Anstieg über den mit rotem Dreieck markierten Pfad durch den Munticelu-Wald zur Poiana Coştilei (Wiese). Der direkte Einstieg in die Schlucht ist durch schwierige Steilabbrüche verwehrt. Deshalb verlässt man die Markierung schon vorher bei der Markierungsstange auf der Wiese und wendet sich links den Felsen zu. Bald entdecken wir einen Pfad, der steil durch den Wald am Fuß der Felsen empor führt, während linker Hand sich eine Mulde vertieft – Vâlcelul Poieniţei.
Wir erreichen einen Sattel. Jenseits führt ein enger Kamin steil hinab in die Mălin-Schlucht, durch die der weitere Aufstieg erfolgt. Gleich zu Beginn gilt es, einen riesigen Block zu überwinden; eine Möglichkeit dazu ergibt sich rechts durch einen Riss. Weiter oben verengt sich die Schlucht zwischen Mălin-Grat (rechts) und Colţul Gălbinelelor (links), um sich dann wieder zu erweitern, an der Stelle, wo die Scoruşi-Rinne von links kommend einmündet. Zwischen Scoruşi und Mălin ziehen steile, aber begehbare Gras- und Latschenhänge empor. Wir befinden uns am Fuß des Mălin-Turmes, an dessen Basis ein Grasband schräg rechts zum Mălin-Grat und jenseits in die Seaca-Schlucht empor führt.
Den gleichen Punkt können wir auch auf folgenden zwei Varianten erreichen: ab Refugiul Coştila über die Gălbinele-Schlucht – Gălbinele-Scharte – Scoruşi-Rinne; ab Babele (Bergstation der Seilbahn Buşteni – Babele und Schutzhütte) über das Plateau.
Der Abstieg vom Plateaurand folgt entweder über die Scoruşi-Rinne (ab Brâna Mare a Coştilei gibt es einen Pfad) oder über die Mălin-Schlucht, die sich canonartig vertieft. Während der Aufstieg über Poiana Coştilei oder Refugiu ab Buşteni etwa 4 ½ Stunden dauert, nimmt der Zustieg ab Babele knapp die Hälfte dieser Zeit in Anspruch.
Valea Seacă a Coştilei. Schwierigkeitsgrad 1 B. Ab Poiana Coştilei (siehe Valea Mălinului) folgen wir weiter dem roten Dreieck. Einige Minuten darauf begegnen wir der Markierung „gelbes Band“ zum Omul-Gipfel durch die Valea Cerbului. Dem gelben Band folgend erreichen wir nach einer halben Stunde eine Stelle im Wald auf der Südflanke der Valea Cerbului, genau gegenüber der Einmündung der Valea Seacă. Diese anpeilend verlassen wir die Markierung, überqueren den Talboden der Valea Cerbului und beginnen den nicht ganz leichten Anstieg durch die Seacă-Schlucht, wobei wir die schwierigen Steilabbrüche rechts umgehen.
Der Anstieg endet nach 4 ½ - 5 Stunden (ab Buşteni) am Latschenband zu Füßen des Mălin-Turmes, dessen Wand, von hier aus betrachtet, von drei Kaminen durchzogen wird: einem unbenannten, links; Hornul Central, in der Mitte; Hornul Ascuns, rechts. Die Kante links ist die Creasta Mălinului, dahinter befindet sich die Mălin-Schlucht.
Valea Ţapului. Schwierigkeitsgrad 1 B. Auf dem gleichen Weg wie für Valea Mălinului und Valea Seacă erreichen wir, nach dem Seacă-Einstieg, die Mündung der Ţapului-Schlucht in die Valea Cerbului. Der Anstieg erfolgt anfangs über einen Schuttkegel, später über den Rinnenboden über glatte Felsplatten und Steilstufen.
Wo die Schlucht durch einen hohen Steilabbruch unterbrochen wird, folgen wir links einem Band, das zur Creasta Frumoasă empor führt. Jenseits des Kammes erreichen wir den Ursprung der Valea Seacă, zu Füßen des Mălin-Turmes. Zeitaufwand: 4 ½ - 5 Stunden.
Der bequemste Weg zu den Einstiegen des Mălin-Turmes ist der über Babele. Von den übrigen Varianten ist diejenige über Refugiul Coştila zu bevorzugen.
Hornul Ascuns. Schwierigkeitsgrad 1 B (I – II UIAA), Zeitaufwand: 1 – 2 Stunden. Vom Latschenband am oberen Ende der Seacă-Schlucht geht es, unter Seilsicherung ungeübter Telnehmer, empor zum Mălin-Gipfelgrat, den wir zwischen Mălin-Turm und dem „Zahn“ (Dintele dintre Colţi) erreichen. Im mittleren Teil ist der Kamin durch einen Klemmblock unterbrochen, dessen Überwindung keine besonderen Schwierigkeiten bereitet.
Der „Zahn“ wird rechts auf schmaler, ausgesetzter Felsleiste umgangen und das „große Band“ nach Umgehung des Colţul de Sus erreicht. Nun stehen wir vor der Wahl der Abstiegsmöglichkeiten: über die Brâna Mare nach links bis zum Scoruşi-Pfad und weiter über Gălbinele-Scharte – Refugiul Coştila – Buşteni; über die Brâna Mare nach rechts, wobei wir die Schluchten Ţapului – Urzicii – Caprei queren und über die Pripon-Schlucht in die Valea Cerbului absteigen; direkte Abstiege über Mălin- oder Ţapului-Schlucht; empor zum Plateau und Babele-Seilbahnstation über Mălin- oder Ţapului-Schlucht. Zeitaufwand: nach Buşteni 3 – 4 Stunden; zur Babele-Hütte 2 Stunden. (Erstbegehung: 1934 durch N. Baticu und I. Sincan.)
Hornul Central. Schwierigkeitsgrad 2 B, eine Seillänge IV – V UIAA, die übrigen II – III. Die erste Seillänge ist die leichteste und endet auf einem Band, von dem aus man rechts in den Hornul Ascuns ausweichen kann. Die zweite ist die Schlüsselseillänge. In schwieriger Kaminkletterei geht es erst senkrecht, dann überhängend empor, wobei nur selten ein alter rostiger Haken als Sicherung dient. Die letzte (dritte) Seillänge ist leichter und nicht mehr senkrecht; sie endet am Colţul Mălinului. (Abstieg wie unter „Hornul Ascuns“ beschrieben. Erstbegehung: Nicu Comănescu und Ion Sincan, 1934.)
Fisura Sudică din Colţul Mălinului. Schwierigkeitsgrad 3 A (III – IV UIAA). Die Führe verläuft in der der Mălin-Schlucht zugewendeten Südwand, und zwar durch den auffallenden Riss links des Mălin-Turmes, der schnurgerade emporzieht und nicht übersehen werden kann. Der Einstieg erfolgt aus dem Mălin-Canon. Die erste Seillänge ist schwieriger – mit Hakensicherung ist ein Überhang zu überwinden. Stand in einer Höhle. Die zweite Seillänge führt über eine Platte links in die Wand hinaus und nach Umgehung einer schwierigen Stelle wieder in den Riss hinein. Die übrigen drei Seillängen führen steil empor zum Mălin-Grat. (Abstieg wie unter „Hornul Ascuns“ beschrieben. Erstbegehung: E. Cristea, M. Sterescu, 1945.)
Creasta Mălinului. Schwierigkeitsgrad 2 A (II – III UIAA). Der untere Teil des Grates von der Poiana Mălinului bis zum Latschenband, das den Überhang aus der Mălin-Schlucht in die Seacă-Schlucht zu Füßen des Mălin-Turmes ermöglicht, ist von Latschendschungel bewachsen und für Kletterer uninteressant. Erst der Felsgrat vom Latschenband zum Mălin-Turmgipfel (4 Seillängen) bietet reine Kletterei. (Erstbegehung: N. Dimitriu, C. Ticu, 1935.)

Oben im Refugiu warte ich auf meinen Seilgefährten und der kommt dann richtig spät abends allein und ohne Laterne durch den dunklen Munticelu-Wald. Der Morgen ist klar und wir steigen die Gălbinele-Schlucht empor, queren von der Scharte die Valea Scoruşilor und die Valea Mălinului und gelangen auf das breite Latschenband, von dem sich die Mălin-Kante aufschwingt. Noch gehen wir unangeseilt, ich mit Maria-Senta (dem alten Hanfstrick), der Seilgefährte mit Rucksack, Schlosserei und Proviant. Erst eine Felskante, dann queren wir eine Rinne, und bald stehen wir am oberen Latschenband. Jetzt seilen wir uns an und sehen uns um. Die Rinne links ist zu leicht und hat mit der eigentlichen Kante nichts zu tun. Die Kante selbst ist auch leicht, aber brüchig. So bleibt nur ein Riss rechts der Kante. Ich gehe ihn an. Auch er ist schauderhaft brüchig. Bevor ich mich hinaus schwinge, schlag ich erst mal einen Haken, und bald darauf stehe ich auf einer bequemen Kanzel. Mein Kamerad folgt nach und wir betrachten den großen Überhang über uns.
Wie kommt man da hinauf? Sind wir überhaupt richtig? Etwas zögernd packe ich die Felsen rechts an. Frisch gewagt ist halb gewonnen – sagte Hermann Buhl und stand schon oben. Langsam neigt sich der Fels zurück. Bald folgt der dritte Steilaufschwung. Diesmal führt ein klarer Riss hinauf und da steckt auch richtig ein riesiger, rostiger Ringhaken. Die letzte, vierte, Seillänge führt uns dann auf den Gipfel. Mein Seilgefährte schmiert Butterbrote, es gibt Kirschenkompott, einen Apfel, eine Pfeife und Sonne. Erst drei Stunden später verlassen wir den Gipfel, liegen dann noch als Draufgabe im Gras in der Valea Mălinului bis die letzte Sonne hinter den Felsen verschwindet.

Colţul de Sus. IV. Grad. Wem die Kletterei am Mălin-Turm zu kurz erscheint, kann noch eine Seillänge am Colţul de Sus klettern. (Erstbegehung von Radu und Nina Slăvoacă, 1969.)
Vom Mălin-Turm kommend quert man den „Zahn“ (Dintele dintre Colţi) und steht dann am Steilaufschwung des Colţul de Sus. Ein Riss und guter Fels ermöglichen freie Kletterei, einige Haken sind zur Sicherung vorhanden.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 148 – 153)

Seite Bildunterschrift
 
149 Kartenskizze: Coştila
151 Kartenskizze: Mălin-Nordwand
153 Kartenskizze: Mălin-Südwand
nach oben nach oben