home - Komm mit - 1986 - Abstecher in die Nera-Klamm
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Abstecher in die Nera-Klamm

Eine Landschaft im Transit erlebt

von Wolfgang Wilhelm (Zella-Mehlis)

Ein Besuch der Nera-Klamm wird für den Transitreisenden durch Rumänien, der über die E 94/DN 6 nach Calafat fährt, nicht nur ein lohnender Abstecher, sondern zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Wir sind von Orawitza, über Karansebesch – Reschitza kommend, in Richtung Naidăş über Răcăşdia nach Potoc gefahren und von dort noch etwa 10 km bis zum Waldhaus Damian. Wenn auch die letzte Wegstrecke etwas mühevoll war (Steingeröll, Bodenvertiefungen) – ans Umkehren dachten wir nicht. Ein Bilderbuch der Natur empfing uns. Vergessen waren die kleinen Strapazen. Auf einer Wiese schlugen war das Zelt auf, Wasser zum Kochen und Waschen lieferte die klare Nera und ein Brunnen (Falleimer) am Waldesrand. Bei den Bergbauern besorgten wir uns preiswert frische Kuhmilch. (Am Abend ankommenden Touristen wird geraten, sofort ein Lagerfeuer anzuzünden. Es ist die beste Abwehr gegen Mücken.)
Schon der erste Abend war ein Erlebnis. Als wir in gemütlicher Runde am Lagerfeuer saßen, schwirrten durch die Dunkelheit Scharen von Glühwürmchen (rumänisch „Likuritsch“). Zunächst denkt man, ringsum von rauchenden Besuchern umgeben zu sein. Besonders interessant dabei ist, dass das Aufleuchten aller Käfer vollkommen synchron verläuft.
Unser Wanderziel am nächsten Tag war der Teufelssee (Lacul Dracului). Da wir leider zu spät aufbrachen und auch die Markierungen nicht immer befolgten, bereitete uns die Durchquerung der Nera einige Schwierigkeiten. (Deshalb immer frühzeitig loswandern.)
Nach stundenlangem Marsch erreichten wir vereinzelte Bauerngehöfte. Eine äußerst „intensive“ Begrüßung wurde uns durch sehr lebhafte Hirtenhunde zuteil. Dann nahm uns eine grandiose Felsenwelt auf, die der Fluss in unermüdlicher Sägearbeit geformt hat. Die ca. 20 km lange Schlucht beginnt bei Şopotul Nou und endet bei Sasca Româna. Besonders sehenswert für den Touristen ist der Abschnitt, wo steile Kalksteinfelsen – wild zerklüftet – an den Ufern des Flusses hoch emporragen und nur die durch Menschenhand geschaffenen Wanderpfade ein Durchkommen ermöglichen. Da Brücken im Frühjahr oft vom Hochwasser weggeschwemmt werden, sind Flussdurchquerungen in Kniehöhe ohne Gefahr unvermeidbar. Schließlich gelangten wir doch, trotz größerer Umwege, zum Lacul Dracului. Er ist durch den Einsturz einer Grotte entstanden. Der See ist 35 m lang, 18 m breit und 9 m tief. In seinem glasklaren Wasser tummeln sich muntere Fische.
Von dort traten wir unseren Rückmarsch an. Aber diesmal achteten wir genau auf die Wegmarkierungen. Das wohlverdiente Mittagsmahl nahmen wir auf einer vom Fluss angeschwemmten Sandbank ein. Dass es ausreichend Motive für den Amateurfotografen gibt, brauche ich eigentlich nicht besonders zu erwähnen.
Nach achtstündiger Wanderung – mit Umwegen – wurde unser Ausgangspunkt wieder erreicht.
Der Abstecher in die Nera-Klamm hat uns nicht gereut. Wir erlebten eine herrliche Landschaft, wie es sie auf unserer weiteren Reise nicht mehr geben sollte.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 86, S. 225 – 227)

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