home - Komm mit - 1985 - „Wie Tränen, die die Erde vergoss...“
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„Wie Tränen, die die Erde vergoss...“

Schöne Steine aus Eisenstein / Die einzigartige Sammlung des Rentners Constantin Gruescu

von Werner Kremm

„Ich kenne die Zauberwelt der Gesteinsbildungen in Höhlen“, vermerkt der Höhlenforscher Josef Viehmann vom Klausenburger Speläologieinstitut im Gästebuch, „und ich glaube an die Einzigartigkeit dieser Schönheiten. Heute aber, nachdem ich die Sammlung unseres Kollegen Constantin Gruescu gesehen habe, fügt sich meinem Wissen und meinen Freuden das unglaubliche Bild dieser Kristalle bei.“ Und euphorisch zeichnen im selben Gästebuch eine Gruppe von Studenten aus München: „Leider verstehen wir nicht allzu viel von Mineralogie, aber dass es sich hier um eine Sammlung von einzigartiger Schönheit handelt, können wir jedem bestätigen. Wir finden sogar, dass die Exemplare, die hier gezeigt werden, in ihrer Art weitaus charakteristischer sind als die in der Sammlung des British Museum in London.“ Und einer, der es wissen muss, Paul Routier vom Französischen Geologischen Komitee mit dem Sitz in Paris, behauptet, dieses „Mysterium der Kristallogenese in Nymphen und Faune in den Bergen des Banats“ sei „merveilleux“!
Der Mann, der diese Sammlung zusammentrug, heißt Constantin Gruescu, lebt in Ocna de Fier/Eisenstein (Kreis Reschitza), unweit von Bokschan und war Bergmann und später Bergbautechniker – „was aber an sich überhaupt nichts mit Mineralogie zu tun hat“ –, ist heute Rentner, dem man seine sechzig Jahre wirklich nicht ansieht, und freut sich über jeden Besuch. Denn das Haus in Eisenstein in der Vale-Straße Nr. 113 hat er in ein erstklassiges Museum für Gesteinskunde verwandelt, wo nicht nur zahllose Schulklassen gerngesehene Gäste sind, wo auch jeder sonstige Besucher bestens aufgenommen wird und wo die Fachleute aus aller Welt ein und aus gehen.
Der am 12. April 1924 geborene Gruescu begann 1945, wie viele Bergleute dieser Gegend, Steine zu sammeln, schöne und auffällige Steine, die so bei der Arbeit bemerkt wurden. Heute umfasst seine Sammlung einige tausend Exemplare, ist nach Fundorten, Sorten und Arten und auch nach ästhetischen Kriterien geordnet, denn „heutzutage kann ein Sammler keinesfalls nur mehr ein einfacher und gewöhnlich egoistischer Schatzhorter sein. Jede Sammlung, welcher Art auch immer, ist eigentlich ein Teil des nationalen Kulturguts. Der Sammler muss also zunehmend zu wissenschaftlicher Arbeit angehalten werden, und alles, was er im Laufe der Jahre strebsam zusammengetragen hat, muss den Menschen zugänglich gemacht werden, muss im Dienste eines breiten Publikums stehen“.
Der Autodidakt Constantin Gruescu eröffnete seine erste und ständige Ausstellung 1967 in zwei Räumen seines Hauses, trat aber im letzten Jahrzehnt auch zunehmend mit Sonderschauen vors Publikum, so in Temeswar (1974 und 1981), Bukarest (1975), Reschitza (1975 und 1982), Herkulesbad (1977), Bokschan und Oţelul Roşu (1979). Er selbst nennt sich bescheiden „ein Steinesammler“, und dies ist seit fast vierzig Jahren sein Hobby. Dieser „Steinesammler“ aber ist Mitglied der Gesellschaft für geographische Wissenschaften der Sozialistischen Republik Rumänien und des Internationalen Mineralogenverbands in Basel.
Er gilt heute als Autorität auf dem Gebiet der Mineralogie des Banater Berglands und als der Besitzer der vollständigsten Sammlung von Mineralien dieser Gegend. Das Eruptivgestein dieser Berge, das man gern allgemein dem Sammelbegriff „Banatit“ unterordnet ist, ist reich an Nutzerzen, und nicht zufällig gibt es in diesem Gebiet eine der ältesten und auch heute noch ergiebigsten Bergbaugegenden des Landes.
In Nord-Süd-Richtung reihen sich hier die Grubenorte Bokschan, Eisenstein, Dognatschka, Orawitza, Montan-Tschiklowa, Montan-Saska und Neumoldowa. In den geologischen Standardwerken wird die Gegend als klassisches Beispiel von Kontaktmetamorphismus angeführt. Von den bisher in den Banater Bergen bekannten etwa 250 Mineralien finden sich in den Dognatschkaer Bergen, der näheren Heimat Gruescus also, gut über 100. Doch muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Gutteil der Mineralien in einer Vielzahl von Formen und Farben kristallisiert, dass also der Mineralien- und Formenschatz dieser Gegend praktisch unerschöpflich ist.
Man muss sich nur einmal die Mühe nehmen und bis zum gigantischen Stufenbruch von Dognatschka wandern, wo Spuren des Bergbaus bis in die Bronzezeit hinweisen und wo früh morgens und nachmittags das Glimmern der unzähligen Granate, Amethyste, Kalzite, Quarze und Malachite schier die Augen blendet. Und wer dann ein bisschen aufmerksamer hinschaut, kann ohne weiteres in den Wänden des riesigen Amphitheaters auch Eisenrosen finden, ebenso wie er braunen oder gelben andraditischen Granat ausmachen kann, Granate mit Rhomboidalfacetten und viele andere Kristalle von einzigartiger Schönheit. „Man muss unwillkürlich an Tränen denken, die die Erde vergoss, als sie sich in unheimlichen tektonischen Bewegungen zu ihrem heutigen Aussehen formte.“
Gruescu hat in diesen Bergen den Koaxialzwilling mit radialen Auswüchsen entdeckt, den so genannten „Stern des Südens“, wie er gelegentlich bei Ausstellungen erscheint. Man kannte bisher von den Kristallisierungsformen des Quarzes drei Formen des pyramidalen Zusammenwuchses, den „japanischen Zwilling“, den „brasilianischen Zwilling“ und den „Dauphiné-Zwilling“.
In einer weichen Lehmschicht tief unter dem Delius-Hügel von Eisenstein fanden die Bergleute vor etwa sieben Jahren dann merkwürdige Kristalle, die aber während der Arbeit wenig beachtet, ja meist weggeworfen wurden. Trotzdem zeigte man ein Bruchstück Gruescu, der sich sofort an Ort und Stelle begab, aber leider nur noch einen der Kristalle unversehrt fand. So ist der Koaxialzwilling mit radialen Auswüchsen (im Winkel von 20 Grad) ein Weltunikat geblieben, denn man fand bisher nirgends mehr zwei Quarzzwillinge, die an ihrer Symmetrieachse zusammengewachsen wären. Gruescu war es auch, der die Fachwelt auf die außerordentliche Größe der japanischen Zwillinge aus dem Raum Eisenstein- Dognatschka aufmerksam machte. Sind die Namengebenden nämlich in der Regel zwei bis drei Zentimeter dick, dann erreichen die wie Daumen und Zeigefinger zusammenkristallisierten Quarze von hier bis zu zehn Zentimeter in der Dicke.
Wenn Gruescu Ausstellungen zusammenstellt, dann denkt er auch immer an die Werbekraft seiner Exponate. So hat er auch den Begriff „ästhetische Mineralogie“ in Umlauf gesetzt und damit eigentlich nur das benannt, was viele Leute heute schon gern machen, nämlich Kristalle ihrer eigenartige Schönheit wegen zu sammeln. In dem Ausstellungszimmer, das sich Gruescu in Eisenstein baut, will er erstmals im Land eine „Paragenesis des Eisens“ zeigen, das Eisen und das Eisenerz in all seinen in diesem Raum erscheinenden Formen.
Treu seinem Sammelprinzip hat Gruescu viele Institute des Landes, aber auch Schulen mit Gesteinssammlungen beschenkt. Das Bukarester Geologische Institut hat über 1700 Stücke aus seiner Sammlung erhalten, Hunderte Exemplare befinden sich in der Universität Temeswar, im Banater Museum, im Kreismuseum Reschitza. Und er hat auch schon viele Bergleute seiner Heimatgegend dazu gebracht, sich Gesteinssammlungen anzulegen. „Und es gibt in diesen oft Spitzenexponate, um die sich jedes renommierte Museum reißen würde.“ Sein Traum ist es, dem Zustandekommen eines Sammlerverbands der Mineralogen beizuwohnen, was den organisatorischen Rahmen für eine zielbewusste und kontinuierliche Ausstellungstätigkeit ergeben würde.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 85, S. 116 – 121)

Seite Bildunterschrift
 
116 Feuerrot ist diese „Wüstenrose“. Sie entsteht durch Blitzschlag.
117 Ein Weltunikat – der in Eisenstein entdeckte Koaxialzwilling mit radialen Auswüchsen. Auf Ausstellungen wird er als „Stern des Südens“ vorgestellt.
118-o Prunkstück der Gruescu-Sammlung. Das Aragonitgebilde stammt aus der Fagului- Höhle im Bihor-Gebirge.
118-u Eisenrose mit Quarzkristallen. Auch sie wurde in Eisenstein gefunden.
119 Japanischer Quarzzwilling. Er besticht durch seine einzigartige Schönheit.
120-l Melanitischer Granat mit dipyramidalem Quarz.
120-r Aus Baia Sprie nach Eisenstein gebracht: Stybin in Paragenesis mit Barytin.
121 Dieser Stein vereinigt fast die gesamte mineralogische Struktur von Dognatschka – Kupfer, Zink, Lammelarcalzit, Quarz, Hedenbergit, Pyrit u. a.
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