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Unterwegs ins Wischauer Land

Zu Fuß kommt man ebenfalls an

von Claus Stephani

Von Sigeth, der nordöstlichsten Stadt Rumäniens, führen mehrere Wege in die „hohen schweigsamen Landschaften des alten Marmatien“, wie ein norwegischer Journalist jene Gegenden nannte: Durch die malerischen Täler der Flüsse Mara und Kossau gelangt man zu den berühmten alten Holzkirchen in Şugatag, Hărniceşti, Deseşti, Sârbi und Budeşti; im Isatal kann man die Holzkirchen in Onceşti, Bârsana, Rosavlea und Şieu besichtigen; und der dritte Weg (51 km) führt ins Wischauer Land, d.h. man gelangt auf einer guten Asphaltstraße in die „kleine Stadt im Osten“ – Vişeu de Sus (Oberwischau), von den einheimischen Zipsern auch als „Perle im Tal“ und „schönster Winkel in den Karpaten“ besungen.

Beim „Alten Salzsee“

Das Wischauer Land beginnt eigentlich schon dort, wo die Wischau in die Theiss mündet und das Dörfchen Valea Vişeului (Wischautal) liegt, und ist von Sigeth über Bocico Mare (Großbotschko) auf einem Wanderweg (etwa 10 km), der unterhalb der Măgura Voloseanca (Woloschank) vorbeiführt, zu erreichen.
Auf der Landstraße DN 18 fährt man jedoch zuerst durch Rona de Jos und Rona de Sus (Unter- und Oberrohnen); 2 km nach Oberrohnen biegt rechts ein Weg ab, und schon nach 3 km ist man in Coştiui (Rohnen), einem Ort, der bereits 1353 im Zusammenhang mit dem schon seit der Römerzeit hier bestehenden Salzbergwerk erwähnt wird. Alte bunt gestrichene, oft schindelgedeckte Zipser Holzhäuser reihen sich in der Bachgasse zu beiden Seiten des engen Tales aneinander; und wer z.B. Oberwischau kennt, weiß schon, dass diese Straßensiedlungen hier „Zipserreih“ heißen. Die Vorfahren der hiesigen Zipser gehörten zu den ersten deutschen Einwanderern in diesem Teil der Maramureş: ab 1729 kamen sie aus dem Gründler Land (Zips/Slowakei) als Grubenarbeiter ins Land und wurden im Salzbergwerk beschäftigt.
Außer einer lieblichen Landschaft und zwei kulturgeschichtlichen Baudenkmälern – der Kalvarienkirche (1842) und dem Standbild des Johannes von Nepomuk (1742) am Eingang zum ehemaligen Bergwerk – bietet Rohnen dem müden Wanderer auch angenehme Erholung: als Gast des neuen, kleinen, aber sauberen Motels, wo man übrigens auch gut bewirtet wird, oder am Ufer des „Alten Salzsees“, der 1933 durch die „Einschwemmung“ eines Stollens entstanden ist. Das Wasser dürfte vielleicht manch einem von uns etwas zu kühl sein, doch umso wärmer hat man es nach einem Bad, der geschützten Lage wegen, an der Sonne.

Auf der „Petrower Höh’“

Von Rohnen gibt es viele Ausflugsmöglichkeiten auf die umliegenden Hügel und Berge, und vom so genannten Kälberberg, auf dem die katholische Kirche steht, hat man einen schönen Ausblick ins Tal. Wer sich für einige Tage hier einmietet, kann auch weitere Wanderungen machen: ein Weg (3 km) führt durch das Schweinstal ins Dörfchen Valea Porcului, wo eine kleine Holzkirche aus dem 18. Jahrhundert steht; von hier gelangt man übrigens nach weiteren 6 km ins Maratal, nach Vadu Izei, und von dort sind es dann nur noch 7 km bis Sigeth.
Der Weg ins Wischauer Land führt nun auf der DN 18 weiter, leicht ansteigend in östliche Richtung. Nach etwa 8 km gelangt man in den dunklen tiefen Hera-Wald, unterhalb des Judelewaberges, wo in alten Zeiten – wie zahlreiche Sagen berichten, die berühmt- berüchtigten Haiducken ihre Schlupfwinkel hatten. Noch Ende des vorigen Jahrhunderts wurden die Reisenden – soweit sie wohlhabend waren und beschützt werden mussten – von berittenen Soldaten aus Sigeth begleitet. Trotzdem wurde einmal der Wischauer Adelige Popp „bis auf die Gatjchahosen“ ausgezogen und musste zu Fuß weiterwandern.
Heute stehen während des Sommers oft ruthenische Bauernjungen aus den umliegenden Siedlungen am Weg und bieten „Malina“ (Himbeeren) und andere Waldfrüchte in selbstgeflochtenen Körbchen an. Auch laden schöne Lagerplätze und kühle Quellen zum Rasten ein. Ein alter ruthenischer Bauer, mit dem ich vor einigen Monaten hier vorbeifuhr, stellte lakonisch fest: „Sehen Sie, wie sich die Zeiten ändern: vor hundert Jahren lauerten hier die Haiducken den Reisenden auf und nahmen ihnen das Geld auf eine unfeine Art ab; heute verkaufen die kleinen Bauernkinder ihre Walderdbeeren...“
Nach etwa 5 km lichten sich die Waldungen und bald beginnen die Serpentinen (äußerste Vorsicht bei Regen oder Glatteis!), die hinunter nach Petrova führen. Vorher sollte man jedoch unbedingt auf der „Petrover Höh’“ (664 m) verweilen und die einmalige Aussicht ins Wischauer Land, das, so sagt man, „genau an dieser Stelle“ beginnt, genießen: unten, in den Tälern, die beiden Gemeinden Petrova und Bistra, Holzhäuser, Obstbäume, Bergfelder, weidende Kühe und Schafe und im Hintergrund die Berge Großer Paltin (925 m), Wiwodin (1063 m), Plăiuţ (728 m), wohin man auf Wanderwegen gelangen kann. Als ich einmal an dieser Stelle mit skandinavischen Freunden anhielt, meinten sie, dass sich der lange Weg schon nur wegen des „einmaligen Ausblicks“ gelohnt habe...

Stille, einsame Täler

Von Petrova sind es 28 km bis Oberwischau; doch vorher fährt man noch durch Crasna- Vişeu (Krassna an der Wischau), wo links ein Forstweg abzweigt, der entlang des Frumuşeana („Schönes Wasserl“) zum Großen Paltin (925 m, etwa zwei-drei Wanderstunden) und weiter bis unterhalb des Pop Ivan (1937 m) führt. Wer stille einsame Täler sucht, kann hier anhalten und sich nach einem Quartier in einer Sennhütte umschauen. Bei „Petura“ oder „Balmosch“ (zwei beliebte Maisbreigerichte) vergisst man rasch Stress und andere Nebenerscheinungen der so genannten „Zivilisation“.
Ebenfalls aus Krassna, in entgegengesetzter Richtung, am Mârzabach entlang, geht es bis zur Stelle, die man „La cruce“ (Beim Holzkreuz) nennt, und von hier führt nach rechts ein schmaler Hirtensteg hinauf zum Vârful Gorului.
Nach der Gemeinde Leordina (Leordinen) biegt die Landstraße links ab über Ruscova und Repedea zur Gemeinde Poienii de sub Munte (Reussenau), von wo es wieder zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten gibt. Unterkunft findet man hier, mit Bewilligung des Volksrates, in der Forsthütte oder bei Bauern. Sehenswert sind die alte ruthenische Holzkirche (18. Jh.), deren Turm ein schindelgedecktes zwiebelförmiges Dach hat, und der jüdische Friedhof, auf dem kunstvolle Grabsteine stehen.
Man muss nicht unbedingt ein Auto haben, um diese Ziele zu erreichen; als Wanderer mit dem Rucksack auf dem Rücken, als Tramper, kommt man ebenfalls vorwärts, und zu Fuß betrachtet man die Landschaft anders, lernt Menschen kennen, hat mehr Zeit.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 85, S. 47 – 52)

Seite Bildunterschrift
 
47 Gehöft im Wischauer Land.
48 Holzschnitzereien – die Zierde eines jeden Hauses.
49 „Alter Salzsee“ bei Rohnen, 1933 entstanden.
51 Holzkirche in Vad.
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