Natürliche Großapotheke:
Einladung in einen der ältesten und wertvollsten Kurorte Rumäniens
von Ewalt Zweier
Der Autor dieser Zeilen, die eigentlich kein Werbetext sein wollen, bekennt und bedauert
gleichzeitig, (bisher) nur einmal in Bad Olăneşti gewesen zu sein. Nun ja, er ist ja
erfreulicherweise auch nicht von Nierensteinen geplagt. Aber die eine Woche hatte es in
sich. Denn der Aufenthalt in diesem angenehmen Ort ist Gesunden ebenso zu empfehlen
wie einer sehr „bunten Galerie“ von Kranken. Und dann darf ja eventuell nur ein Mitglied der
Familie zur Trinkkur abkommandiert sein und die anderen bilden die solidarische
Urlaubsbegleitung. Viele Siebenbürger sind uns bekannt, die oft nach Bad Olăneşti fahren,
die meisten regelmäßig in jedem Jahr.
Als Gewährsmann möchten wir den Hermannstädter Hans Schuster (70), Konditormeister im
Ruhestand und schon Urgroßvater, zitieren: „Nun war ich zum zwölften Mal in Olăneşti. Eine
Generaluntersuchung vor und nach jeder Kur zeigt mir vor allem, dass sich eine weitere
Operation vermeiden lässt. Denn mein ‚Nierensteinbruch’ löst sich unter dem Einfluss der
dortigen guten Wässerlein beinahe in Wohlgefallen auf. Am fünften Tag ein Stein weg, dann
eine Portion Sand und so weiter. Das ist eine prima Entschlackungskur. Giftstoffe werden
aus dem Körper herausgeschwemmt, das Blut gereinigt, vorausgesetzt man lebt mal ganz
alkoholfrei und begnügt sich mit Schonkost. Mehr braucht ja ein vernünftig essender Mensch
gar nicht.
Früher ist er wie so viele andere auch im Winter hingefahren. Der Kurort hat seit 1953
Dauerbetrieb, und einen Platz mit Vollpension zu ergattern, ist nicht immer leicht. Der Weg
zur berühmten 24er Quelle ist im Winter selbst nach starkem Schneefall immer sauber
gefegt. Und die 2 Kilometer Spaziergang, die fast jedem der 40.000 Kurgäste eines Jahres
verschrieben werden, gehören offenbar zur Therapie.
Als ob die Ärzte diese besonders stark beanspruchte Quelle absichtlich hinüberleiten und in
gehöriger Entfernung von den anderen Quellen einfassen ließen. Unschwer hätte man
jedenfalls ihren Standort auf die halbe Entfernung näher bringen können. So aber pilgern
täglich Tausende zumal in den Abendstunden mit dem im Ledergurt baumelnden typischen
Olăneşti-Fläschchen auf dem von Ruhebänken und runden, offenen Lauben gesäumten
asphaltierten Weg zur 24er Quelle.
Manch ein rüstiger Fünfziger oder gar Sechziger unternimmt auch einen Ausflug in die
Umgebung, die talaufwärts ganz hübsche Plätzchen Natur bereithält, talabwärts jedoch (19
km weit) die Kreisstadt Râmnicu Vâlcea. Autocars bringen die Kurgäste in Gruppen nach
Sibiu oder nach Horezu, Tg. Jiu und Drobeta-Turnu Severin, nach Voineasa oder zum
Stausee Vidraru oder an andere pittoreske Orte. Und wer schon gehöriges Training in jungen
Beinen hat, der schafft in einem Tagesmarsch den Aufstieg zum Höhenzug Buila-Stogu mit
den beiden zerklüfteten Karstgipfeln der Vânturariţa (1500 – 1873 Meter). Da kann man nur
Bergheil, eine gute Landkarte und ein wenig Freude am Fotografieren wünschen. Herrliche
Dias entstehen in dieser Gegend.
Bad Olăneşti ist mit seinen mehr als 30 registrierten Mineralquellen der Kurort mit den
meisten Heilquellen im Land. Ob er auch einer der ältesten ist? Wahrscheinlich, denn ein
Dokument, laut welchem Fürst Radu de la Afumaţi alle Besitztümer des Radu Goran in
Olăneşti befestigen lässt, ist aus dem Jahr 1579 datiert, und eine Urkunde von 1760 nennt
das Gut des Toma Olănescu und die darauf befindlichen Mineralquellen. 1821 flohen die
Bojaren in Scharen vor der Revolution des Tudor Vladimirescu und fanden ebenso wie früher
die von Türken und anderen Eroberern gehetzte Bevölkerung für einige Zeit Zuflucht im
geschützt gelegenen Olăneşti, dessen „Wunderwasser“ sie danach überall lobten. Auf die
Heilwirkung der Wasser von Olăneşti bezieht sich eine Korrespondenz der Brüder
Otetelişanu. Davon und von den Äußerungen hierher geflüchteter Bojaren ausgehend, hat
der Arzt Karl Friedrich Siller die ersten chemischen Analysen der Mineralwässer von Olăneşti
vorgenommen.
Weitere Daten aus der Chronik des Kurorts: 1835 die ersten fünf Zimmer mit Öfen und
Betten für 30 Kurgäste. 1852 wird ein Darlehen in Höhe von 4000 „galbini“ (Dukaten) vom
Fürsten angefordert. Die daraufhin von Fürst Bibescu den hier tätigen Ärzten Mayer und
Gussi gewährte Gratifikation für sehr gute Heilungsergebnisse war beste Reklame. Die
Behandlung der Kranken basierte damals schon auf kombinierter Bade- und Trinkkur. Die
Analysen von 1853 dienen den spezifischen Heilanzeigen für jede einzelne Mineralquelle.
Erstmals wird im Vergleich mit vielen anderen Kurorten Europas die Überlegenheit der
Heilquellen von Olăneşti herausgestellt. Ab 1855 häufige Besuche des Begründers des
rumänischen Gesundheitswesens und des medizinischen Hochschulunterrichts, Dr. Carol
Davilla. Dieser beauftragt 1868 den berühmten Chemiker Bernath Lendway mit der genauen
Erforschung der fast 40 damals bekannten Quellen. Im Ergebnis werden die
schwefelhaltigen Wasser von Olăneşti als jenen von Wiesbaden, Baden, Barrèges,
Aix-les-Bains überlegen dargestellt. Die alkalinen Wasser werden jenen von Vichy, Bad Ems u. a.
angeglichen.
Die auf Initiative von Dr. Carol Davilla 1873 zur Weltausstellung nach Wien geschickten
Mineralwasserproben werden mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. 1880 erwirbt der Arzt
Strehăianu seinen Titel als Doktor der Medizin im französischen Montpellier mit der
Dissertation über „Die Mineralwässer von Olăneşti-Vâlcea“. Der Ort war 1877 bereits mit drei
Hotels und einigem Zubehör ganz hübsch ausgestattet. Die Saison dauerte vom 20. Mai bis
zum 15. September.
1895 wurden jedoch sämtliche Anlagen, praktisch der ganze Kurort durch Hochwasser
weggeschwemmt. Damit war der Kurbetrieb für ein Jahrzehnt lahm gelegt. Erst 1904
entstand wieder ein Hotel mit 40 Zimmern unweit der wichtigsten Quellen, mit Gasthaus,
Kaffeehaus und Kurpavillon mit 12 Badekabinen. Ab 1905 wird das erste Sanatorium,
dessen Gebäude auch heute noch in Benützung ist, erbaut und 1912 fertig gestellt. Otto
Heselmann ist einer der Architekten. Für die damalige Zeit war es einzigartig im Land,
ausgestattet mit elektrischem Fahrstuhl, Zentralheizung, Theatersaal und allerlei
Sonderkomfort. Der Leipziger Professor Gustav Weber und Dr. Ion Puţurianu regen
gemeinsam eine rumänisch-deutsche „Gesellschaft für die Nutzung des Sanatoriums und
des Kurorts Olăneşti“ an, jedoch der Erste Weltkrieg vereitelt das Vorhaben. Zwei Drittel des
Gesamtwesens werden von der Bank „Marmarosch-Blank“ aufgekauft.
Eine Zeitlang wird in den Jahren 1933 – 1934 das Wasser einiger Quellen – außer der
bekanntesten Nummer 24 sind das noch die Nummern 3, 5, 10 und 14 – auch in Flaschen
abgefüllt und in die Hauptstadt versandt. Dort werden in einem achteckigen Holzpavillon, den
ältere Bukarester noch als das „Taubenhaus“ kennen mögen, täglich rund 600 Flaschen
verkauft. Mangels Transportmitteln wird aber der auf 1,2 Millionen Liter jährlich
veranschlagte Absatzplan nicht erreicht und auf weiteres Abfüllen verzichtet.
Wenn es um die Jahrhundertwende in Olăneşti kaum 1000 Kurgäste pro Saison gab, im
Kriegsjahr 1915 rund 2000, im Vorkriegsjahr 1938 aber genau 3914 Kurgäste gezählt
wurden, so waren es im Jahr 1983 mehr als 40.000. Aus dieser Verzehnfachung des
Betriebs in den Jahren des Sozialismus erhellt die Bedeutung, die im heutigen Rumänien der
Gesundheitsfürsorge im allgemeinen und dem Ausbau erwiesenermaßen wertvoller Kurorte
im besonderen beigemessen wird. Dazu noch einige Situationen aus der Statistik: 1948 wird
5100 Werktätigen durch die Gewerkschaften ein 18tägiger Kuraufenthalt in Olăneşti
ermöglicht. Sie werden von sechs Ärzten und 15 Assistenten betreut. Ab 1953, nachdem der
Kurort zur Stadt erklärt wird und moderne Anlagen für Physio- und Hydrotherapie
hinzukommen, beginnt in Olăneşti ganzjähriger Betrieb. 1960 werden 11.703 Kurgäste
registriert, 1964 bereits 21.070 und 1980 über 35.000. Hohe Zuwachsraten also dank der
therapeutischen Effizienz.
Wodurch wirkt der zwischen Hügeln sanft eingebettete Ort mit seinen Quellen so anziehend?
Für wen ist er Gesundbrunnen, für wen nicht? Als ein seltener Glücksfall zu werten ist die
eine Tatsache: Zwei natürliche Heilfaktoren, nämlich das günstige Klima und die Vielfalt der
sehr wirksamen Mineralwässer, sind hier harmonisch vereinigt. In Olăneşti fühlen sich ältere
Menschen wohl, ebenso chronisch Kranke und organisch Behinderte. Olăneşti ist eine
natürliche „Großapotheke“ zur Behandlung von allerlei Krankheiten vor allem des
Verdauungsapparats, der Nieren, der Atmungswege und des Bewegungsapparats; Herz-
und Gefäßerkrankungen sowie auf Stoffwechsel beruhende Hautkrankheiten finden hier
durch Trinkkuren, Mineralbäder, Inhalationen, Injektionen, kombiniert mit Prozeduren
moderner Apparate-Medizin Linderung und Heilung. Die Heilanzeigen sind also sehr
zahlreich und vielseitig. Und Gegenanzeigen für Olăneşti gibt es kaum. Selten sind die Fälle,
in denen der Arzt einen anderen Kurort Olăneşti vorziehen wird, und äußerst selten wird von
Olăneşti abgeraten.
Die schmucke Siedlung in 450 Meter Höhe, ringsum von Laubwald umgeben, erhielt in den
letzten Jahren viele schöne Neubauten. Außer Hotels und Kursanatorien, modernem
Handelsraum und Gaststätten sind das ein Klubhaus, ein Kino, das neue Post- und
Telefongebäude, ein Kurhaus des Landesverbands der Landwirtschaftlichen
Genossenschaften mit 100 Plätzen für LPG-Bauern, ordentliche Camping- und Sportplätze.
Als Treffpunkt für viele „Marode“ und Gesunde ist Bad Olăneşti keinesfalls ein Ort der
Langeweile. Im Gegenteil, da gibt es genug Sehenswertes, genug Unterhaltung, genügend
verlockende Ausflugsziele. Sehr interessant ist die Holzkirche des Horia von Albac, einer der
Anführer des Bauernaufstands von 1784 in Siebenbürgen. Das noch vor diesem Datum in
Albac, einem Gebirgsdorf im Motzenland, erbaute Kirchlein wurde später dort abmontiert,
nach Olăneşti gebracht und da wieder aufgebaut. Der Schneeglöckchensee (Lacul cu
Ghiocei), die Fischergrotte (Peştera Pescarului), der Tannhof (Cabana Brazilor) und das
Kloster Tisa sind weitere Anziehungspunkte.
Wen aber die Wanderlust packt, der kann wählen. Das Căpăţânei-Gebirge ist nahe und reich
an den bezauberndsten Karst- und fast unberührten, gesunden Wald- und
Wiesenlandschaften. Eine andere Ausweichmöglichkeit ist natürlich die Fahrt in den
Kreisvorort Râmnicu Vâlcea. Autobusse stehen stündlich zur Verfügung. Wenn man
bedenkt, dass 1927 der erste private Kleinbus die 19 Kilometer lange Strecke auf holprigem
Weg befuhr und man auch danach in der Regel per Pferdewagen oder Kutsche zur Kur
kam... Der Fortschritt ist auch in dieser Hinsicht deutlich.
Wir empfehlen jedoch ausschließlich aus eigenem Erleben einen Spaziergang vorbei an
frisch gemähten Wiesen im Tal des Olăneşti-Bachs oberhalb des Kurorts und kurze Rast im
Schatten und im Duft des frischen Heuhaufens. So etwas hat es auch in sich.
Anfahrt: auf der Straße Nr. 64 A 19 Kilometer von Râmnicu Vâlcea (diese Stadt liegt an der Eisenbahnlinie Bukarest – Piatra Olt – Sibiu); bis Rm. Vâlcea auf der Straße Nr. 7 Bukarest – Piteşti – Sibiu (E 15 A).
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 85, S. 187 – 192)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
187 | Die schmucke Siedlung in 450 Meter Höhe erhielt in den letzten Jahren viele schöne Neubauten. Das Kurhotel „Olăneşti“ gehört zu den modernsten Zweckbauten im Bäderbetrieb. |
189 | Natürliche „Großapotheke“ nennen Ärzte Bad Olăneşti. Deshalb sind die Heilanzeigen sehr zahlreich und vielseitig. Zur Kur gehören auch Wanderungen in die bewaldete Umgebung, und wen die Wanderlust packt, der kann auch Tagestouren ins Căpăţânei-Gebirge unternehmen. |