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Wo die Quellen Bründel heißen

Auf unmarkierten Wegen durchs Banater Bergland

von Eduard Hegyesi

Eine Landschaft, die jeden Wunsch erfüllen kann, nannte ein begeisterter Rucksacktourist das Banater Bergland. Eine Landschaft, die in ihrer Vielfalt unübertroffen ist: Schluchten und Klammen, schaurig-schöne Wasserfälle, liebliche Täler, dolinenzernarbte Buchenwälder, kristallklare Bäche und Bergseen, hübsche Bergbauernsiedlungen und abschnittsweise auch gute touristische Einrichtungen.
Es lohnt sich, diese Landschaft zu erleben, und sei es auch nur in wenigen Tagen eines Feriensommers; von Reschitza, dem Vorort des Kreises Karasch-Severin, nach Anina zu wandern, von hier zur Komarnik-Höhle und hinauf zum Semenik, einem herrlichen Wintersportzentrum und Höhenort, dann die Deutschböhmendörfer Gărâna/Wolfsberg und Brebu Nou/Weidental zu besuchen und über Altsadowa ins Temeschtal zu gelangen, um auf die Europastraße E 94 zu stoßen, daraufhin nach Herkulesbad zu fahren, um sich in internationaler Bäderatmosphäre von den Strapazen zu erholen, oder südwestwärts zur Donau zu fahren und die Bergtour mit einer Schiffsreise auf dem alten Strom abzuschließen.
Fürwahr ein ausgezeichnetes Wandergebiet, das sich leider wegen seiner Abgeschiedenheit nicht derselben Bekanntheit wie das Fogarascher Gebiet, das Alttal oder Prahovatal erfreut und auch weniger begangen ist. Dabei hat das Banater Bergland mehr zu bieten als so manches andere Wandergebiet unseres Landes – hier steht auch ein in der Welt einziges, dem Tourismus gewidmetes Denkmal. Also brechen wir auf.

1. Tag: Reschitza – Gârlişte – Gârlişte-Klamm – Anina – Maial

Pünktlich um 6.00 Uhr fährt der Bus (Neumoldowaer oder Iablaniţa-Linie) vom Autohof der Kreishauptstadt ab, den wir nach einer halben Stunde an der Weggabelung nach Gârlişte verlassen. (Wer nicht so früh aufbrechen will, kann mit den 8-Uhr-Bussen fahren, die ihn sogar bis ins Dorfzentrum von Gârlişte bringen.) Für den ersten Wandertag ist eine sechs- bis sechseinhalbstündige Wanderung vorgesehen. Eile ist also nicht geboten.
Nach Durchquerung der Gemeinde stößt man beim Ortsausgang auf den Gârlişte-Bach und wandert auf seinem rechten Ufer einen Karrenweg entlang. Nach etwa 10 Minuten überquert man den Bach auf einem Steg und dann geht’s allmählich bergauf. Nach zehn Minuten erreichen wir den ersten Zufluss des Gârlişte-Bachs, wandern aber im Gârlişte-Tal weiter, das sich zunehmend verengt. Die ersten Kalkfelsen erscheinen, dann eine große Wiese (Periş-Wiese), die wir überqueren, um darauf die Gârlişte-Klamm zu betreten.
Der Pfad ist jetzt in den Kalkfels gehauen. Links erblickt man einen Damm und die Überreste einer Eisenbrücke; Ursprünglich sollte die Schmalspurbahn Reschitza – Anina durch diese Klamm führen, der Bau wurde jedoch wegen technischen Schwierigkeiten im Jahr 1880 abgebrochen. Wir schreiten den alten Bahndamm entlang, der über weite Strecken einen bequemen Wanderweg abgibt.
Die Schlucht wird immer wilder. Kahle Felsen, Gebüsch und Wasseruntiefen. Es geht durch einen Tunnel und bald darauf hört der Bahndamm auf. Bergan führt jetzt ein gut ausgetretener Pfad, der zum Teil in den Fels gehauen werden musste. Achtung: An zwei Stellen ist der Pfad stark unterspült und mit viel Vorsicht zu passieren. An einem kleinen Bach, der zwischen bemoostem Geröll in die Gârlişte einmündet, wird erstmals Rast gemacht. Der Bach führt das ganze Jahr über Wasser und entspringt aus einer 5 Minuten weiter bergauf gelegenen Höhle, der „Peştera cu apă“, der „Wasserhöhle“, einer der längsten in dieser höhlenreichen Karstklamm. Durch die Höhle fließt ein unterirdischer Fluss, der sie in regenreicher Zeit nur bis etwa 100 Meter in die Tiefe betretbar macht. Tiefer im Höhleninneren reicht der Wasserspiegel fast an die Höhlendecke. Die Höhlenwände wirken eigenartig, da das Deckgebirge hier aus Kalkstein besteht, der von dichten Silexadern (Feuerstein) durchzogen ist. Es ist eine der wenigen Höhlen dieser Klamm, die keine Wohnspuren aufweist.
Weiter geht es bachaufwärts. Nach etwa 400 Metern erblicken wir am linken Ufer, etwa 40 Meter über dem Wasserspiegel, die zwei von Buschwerk teilweise bedeckten Eingänge zur „Galaţi“-Höhle. Es handelt sich um eine typische Wohnhöhle des Neolithikums, wie man sie in dieser Gegend häufig antrifft. Nach weiteren 600 Metern mündet von rechts der Jejniţa-Bach in die Gârlişte. Kurz vor seiner Mündung bildet er einen kleinen, aber malerischen Wasserfall. Allmählich weiten sich die Schluchtwände; wir stoßen auf erste Überreste alter Wassermühlen. Von rechts mündet der nur zu regenreicher Zeit wasserführende Tschelnik- Bach ein. Der Pfad wird bald zum Karrenweg – der Bahndamm einer aufgelassenen Forstbahn.
Das Tal weitet sich zunehmend, und wir müssen bald den von rechts kommenden Großen- Tschelnik-Bach durchwaten. Hier ist das Gârlişte-Tal wieder vollständig bewaldet, die kahlen Felsen sind verschwunden oder vom Laub verdeckt. Nach kurzem Marsch tauchen die ersten Häuser des „Schlucht“-Viertels von Anina auf. Wir sind an unserem Ziel. Vorerst bestaunen wir aber noch den über 100 Jahre alten Viadukt, Tel der malerischen Gebirgsbahn Anina – Orawitza (es lohnt sich, einen Tag zu opfern und mit ihr eine Fahrt durch wirklich einmalige Gebirgsgegenden zu unternehmen), gehen an Abraumhalden der Aninaer Gruben und an der Kohlenwäsche vorbei, schreiten durch das Zentrum des Bergarbeiterstädtchens nach Steierdorf. Im Stadtteil Sigismund biegen wir links ab und folgen dem Asphaltband bis zur Majalis-Wiese. Bei der Berghütte „Maial“ und dem Motel „Diana“ endet unser erster Wandertag.

2. Tag: Entweder beherzigen wir den Vorschlag und machen eine Spazierfahrt mit der Gebirgsbahn nach Orawitza, oder wir wandern zum Karasch-Bründl und zurück.

Dieser Wanderweg ist eigentlich das ganze Jahr über zugänglich, sollte aber im Winter, wenn Schnee die Pfade unkenntlich macht, nicht erstbegangen werden.
Zwischen „Maial“ und „Diana“ endet das Asphaltband, die Straße gabelt sich in drei Forstwege. Der eine zweigt links ab und schlängelt sich zwischen den Hütten bergan, der zweite führt geradeaus am „Diana“-Motel vorbei zum Cuptoare-Sattel, der dritte hat eine sanfte Neigung gegen Osten und führt zum Buhui-See. Diesem folgen wir. In Serpentinen geht es gegen Nordosten, und nach etwa dreiviertelstündiger Wanderung blinkt rechts im Tal der Buhui-See. Die Straße schlängelt am Seeufer entlang – wer Lust dazu hat, kann sein Anglerglück versuchen...
Wieder eine Weggabelung: Der Forstweg links führt den Buhui-Bach aufwärts zum Cuptoare-Sattel und zur Buhui-Höhle; rechts geht es über den Staudamm zu den Forsthäusern Buhui und Cârneala. Das Forsthaus Buhui liegt direkt am See.
Nach wohlverdienter Rast folgen wir der Forststraße, den Wald linker Hand im Auge behaltend, bis wir einen Pfad entdecken, der bergan steigt. Es ist die Schneise, die für die Telefonverbindung zwischen den beiden Forsthäusern geschlagen wurde.
Wieder auf dem Forstweg, dann auf einen Bergkamm, von wo die Straße sanft absteigt und schließlich das Forsthaus Cârneala. Links öffnet sich ein Tal und unser Weg verzweigt sich wieder. Ein Pfad steigt bergan und verliert sich bald im Wald. Ein anderer geht in leichter Neigung gegen Răspiţel zu. Wir aber steigen ins Tal hinunter und folgen einem wenig begangenen Pfad, der etwa 5 Minuten darauf eine Forststraße schneidet, die vom Cuptoare- Sattel nach Răspiţel zur Kormanik-Höhle und dem Höhenkurort Crivaia führt. Wir überqueren die Straße und folgen einem gut sichtbaren Pfad, der sich in Serpentinen der Talsohle zu windet und durch ein Trockental führt. Ein Bächlein muss überquert werden und weiter geht’s auf einem Pfad durch alten Buchenwald.
Es sind noch keine 15 Minuten vergangen und wir stehen an den Ufern der Karasch. Bachauf- und –abwärts bietet sich ein einmaliges Naturerlebnis: 152 kleine Wasserfälle, ein im Land einzigartiges Kaskadensystem. Nun geht’s das Bachtal bergauf. Zehn Minuten lang gibt es nicht einmal einen erkennbaren Steg. Ein riesiges Geröllfeld empfängt den Wanderer. Zwischen den geschliffenen und teils moosbewachsenen Felsbrocken schießt die Karasch hervor. Raststunde. Wer will den Ausblick dieser einzigartigen Karstquelle nicht genießen?
Für den Rückweg nach Maial reichen drei Spazierstunden.

3. Tag: Maial – Cuptoare-Sattel – Forsthaus Jervani – Forsthaus Naveşu Mare – Komarnik-Höhle

Jetzt folgen wir dem Fahrweg, der in Richtung Nordost am Diana-Motel vorbeiführt. Die Wanderung bis Komarnik dauert etwa 4 – 5 Stunden. Bis zum Cuptoare-Sattel geht es durch Mischwald. Hier zweigen mehrere Forstwege ab: einer nach links, in Richtung Anina; ein anderer nach rechts in östlicher Richtung zum Forsthaus Cârneala, Berzoviţa-Sattel und Kinderferienlager Poneasca; ein dritter fällt sanft ab und geht gegen Süden zum Buhui-See; ein vierter und letzter aber führt nach Nordosten. Auf ihm schreiten wir weiter und gelangen in eine sehr karstige Gegend mit vielen Dolinen und hartnäckigen Waldansätzen. Nach ungefähr einem Kilometer Wegs folgt eine Gabelung. Rechts geht es nach Cereşnaia und zum gleichnamigen Kinderferiendorf. Wir schreiten geradeaus weiter. Nach etwa 2,5 Kilometer vom Cuptoare-Sattel zweigt wieder ein Weg nach links ab in Richtung Marghitaş-See, dem wir aber nicht folgen. Unser Weg beginnt schon nach einer Viertelstunde ins Karasch-Tal abzufallen (beste Kontrolle, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden, sind die Eisenmaste und die noch halb im Erdreich vergrabenen Stützkreuze einer ehemaligen Telefonleitung) und führt sodann entlang des Bachlaufs zum Forsthaus Jervani und zum gleichnamigen Ferienlager. Nach einiger Zeit entfernt sich unser Weg von der Karasch und steigt leicht und in Serpentinen zum Forsthaus Naveşu Mare an. Hier bietet sich ein wunderschönes Panorama, das man nicht vergessen sollte.
Wieder eine Weggabelung: Geradeaus, vorbei am Forsthaus, geht’s zum Forsthaus Komarnik; rechts in leichter Steigung über den Răspiţel-Sattel und über Berzoviţa zum Kurort Crivaia. Wir schreiten auf dem Forstweg weiter, der am Forsthaus vorbeiführt und erreichen nach etwa 15 Minuten den Ponicova-Bach, und eine der schönsten Höhlen des Landes, die Komarnik-Höhle. Das vier Kilometer lange unterirdische Labyrinth kann nur mit Führer besichtigt werden, der aus dem nächstgelegenen Dorf Iabalcea angefordert werden muss. Sommersüber sind jedoch fast ständig Mitglieder des Reschitzaer Speläologenkreises „Exploratorii“ hier im Einsatz, die im Forsthaus auch eine wissenschaftliche Beobachtungsstation des kürzlich geschaffenen Naturschutzgebietes Karasch-Klamm unterhalten.

4. Tag: Für die Heimwanderung gibt es viele Möglichkeiten.

Man kann auf demselben Weg zurück nach Reschitza. Er führt am Forsthaus Komarnik vorbei zum Forsthaus Padina Seacă, gabelt sich dann, so dass man in 4 bis 5 Stunden entweder über Iabalcea oder über den Baciului-Sattel, das Baciului-Tal und das Sodol-Tal nach Reschitza gelangt.
Dann gibt es die Möglichkeit (wir empfehlen sie), dem mit blauem Band markierten Weg über die Beţii-Spitze nach Crivaia zu folgen. Hochgerechnet sind es bis dorthin zweieinhalb Stunden. Von hier wieder kann man auf dem mit blauem Punkt markierten Pfad über die Certej-Spitze und durch die Gemeinde Cuptoare und den Reschitzaer Vorort Sekul die Stadt an der Bersau in 3 bis 4 Stunden erreichen.
Folgt man jedoch der Markierung „blaues Band“, ist man in zweieinhalb Stunden auf der Semenik-Spitze (1448 Meter) und kann noch angenehme Ferientage im Touristenkomplex verbringen.
Schließlich kann man auch durch die Karasch-Klamm wandern und dann dem mit blauem Band gekennzeichneten Weg durch die Prolas-Klamm nach Kraschowa folgen. In viereinhalb Stunden ist man in Reschitza.
Wer zum Semenik aufsteigt, sollte es nicht versäumen, auch die Bergdörfer Gărâna/Wolfsberg und Brebu Nou/Weidental zu besuchen. Der Abstieg könnte dann über Altsadowa ins Temeschtal erfolgen. Wer weiter will (oder auch nach Reschitza zurück), die Europastraße E 94 bietet die Möglichkeit.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 84, S. 47 – 53)

Seite Bildunterschrift
 
47 In der Karasch-Klamm.
49 Kartenskizze
51 Industrielandschaft von Anina: Auf turmhohem Viadukt über die „Banater Semmeringbahn“ im Ortsteil „Schlucht“.
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