von Mirko Havlik (Smokovec – ČSSR)
Mein Heimatort liegt unweit des tschechoslowakischen Schiparadieses, und so ist es für
mich nur natürlich gewesen, dort und nur dort meinem Hobby, dem Schilauf, zu frönen. Nie
wäre ich auf die Idee gekommen, meinen Bretteln fremden Schnee zuzumuten, bis... ja, bis
eines Tages mein Freund Jiri zu Besuch kam und mir von seinem Schiurlaub in den
rumänischen Karpaten so viel und so lange vorschwärmte, dass schließlich für mich
feststand: Das musst du auch mal versuchen!
Die Ungeduld und das steigende Reisefieber, mit denen ich den Winter 1983 erwartete,
übertrugen sich allmählich auch auf meine Familie, und so waren wir alle recht froh, als es im
Februar endlich soweit war. Kind und Kegel wurden ins Auto gepackt und los ging’s in
Richtung Rumänien. Irgendwo in meinem Herzen regte sich dabei so etwas wie
Gewissensbisse ob meiner Treulosigkeit „meinem Berg“ gegenüber, als er in der Ferne
sichtbar wurde und uns Grüße auftrug an seine Vettern, die rumänischen Karpaten. Aber
Neugier und Abenteuerlust dämpften diese Regung bald, und wir stürzten uns frohen Mutes
ins unbekannte Abenteuer.
Ich hatte für Predeal gebucht – einfach so, auf gut Glück. Ich muss sagen, dass ich sehr
zufrieden war. In jeder Hinsicht. Wir waren in einer Villa untergebracht und haben in einer
Kantine gegessen. Beides sehr gut. Manchmal, wenn uns der Sinn nach etwas Besonderem
stand, gingen wir ins Restaurant „Robinson“, in der Nähe unserer Villa gelegen, wo unsere
Kinder neben allem anderen ihren geliebten Eisbecher haben mussten, und wo sie viel Zeit
und Geld bei den Automaten vertan haben. Aber das nur nebenbei.
Hauptsächlich waren wir ja zum Schilaufen da, und das haben wir dann auch so richtig
genossen. Obwohl hier wie fast überall der Winter schneearm war, reichte die Schneeschicht
zum Schilaufen noch hinlänglich. Meine Kinder waren vor- und nachmittags am Hang. Da sie
gute Schiläufer sind (mein 17jähriger Sohn hat bei Schulmeisterschaften schon so manchen
Preis gewonnen, meine Tochter, 15, ist sowieso ein Draufgängertyp), habe ich ihnen die
nötige Freiheit gelassen.
Meine Frau ist kein Pistenfan. Sie liebt’s gemächlicher und war sehr froh, hier präparierte
Langlaufloipen zu finden. Manchmal „opferte“ ich mich meiner Frau zuliebe und dann
„schiwanderten“ wir gemeinsam. Dann machten wir allerdings längere Touren, schon weil
hier für uns alles Neuland war und wir auf diese Weise viel von der so abwechslungsreichen
Umgebung kennenlernen konnten. So kamen wir u. a. zum Susai und konnten – da es tags
zuvor reichlich geschneit hatte – beim Rückweg eine herrliche Abfahrt genießen. Wir
wanderten ein anderes Mal vom Clăbucet bis zur Gârbova-Hütte und weiter bis zum
nächsten Gipfel und fragten uns dabei, warum wohl dieser gute und schön gelegene Hang
nicht auch schitechnisch erschlossen wurde.
Wir lernten ferner Trei Brazi kennen und die schöne große Poiana Secuilor, wir wanderten
zum Diham und dort kreuz und quer herum – ein richtiges Schiwanderparadies. Bei diesen
Streifzügen kamen wir auch bis Pârâul Rece, wo wir einen prima Abfahrtshang mit
Schlepplift vorfanden, den wir dann noch einige Male aufsuchten. Und als wir einmal nach
Braşov fuhren, sahen wir bei Dârste einen Hinweis auf einen Sessellift bis Bolnok. Gerne
hätten wir auch diesen Hang erforscht, aber leider ging das wegen Schneemangels nicht.
Dafür fuhren wir mal nach Sinaia, um auch in höheren Regionen Schi zu laufen. Bis zur Cota
fuhren wir per Auto einen schönen Serpentinenweg hoch, weiter ging’s dann mit einer
Kabinenbahn bis in 2000 m Höhe. Da lag dann ein anderes rumänisches Schiparadies zu
unseren Füßen: das breite Hochtal Valea Dorului mit seinen vielen Abfahrtsmöglichkeiten
diesseits und jenseits, mit seinen zwei Sessel- und drei Schleppliften. Hier hat es uns auch
sehr gut gefallen, eigentlich, was die Schilaufmöglichkeiten anbelangt, viel besser als in
Predeal. Nun überlegen wir, wie es weitergehen soll. Kommen wir im nächsten Winter wieder
nach Predeal oder buchen wir Sinaia? Auch Poiana Braşov, von der ich zwar viel Gutes
gehört habe, aber während eines einzigen kurzen Besuchs nicht viel kennenlernen konnte,
würde uns verlocken.
Wie dem auch sei, meinem Freund Jiri bin ich zu Dank verpflichtet. Durch ihn haben wir ein
schönes Land und seine freundlichen Menschen kennengelernt. Als wir auf der Rückfahrt an
der Hohen Tatra vorbeifuhren, übermittelte ich ihr die Grüße ihrer rumänischen Verwandten,
und sie schien gar nicht böse zu sein auf uns „Abtrünnige“. Wenn sie wüsste, dass wir auch
einen Sommerurlaub mit Gebirgswanderungen in den rumänischen Karpaten in Erwägung
ziehen...
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 84, S. 214 – 215)