Bei den Töpfermeistern in den Westkarpaten
von Helmut Fabritius
Das große Volksfest, der Brautmarkt auf dem Găina-Berg, war ausgeklungen. Diesmal hatte
kein Regenschauer den kirmesähnlichen Trubel getrübt. Unter strahlend blauem Himmel
sangen die Volkskünstler ihre Lieder, wirbelten die Burschen und Mädchen in bunten
Trachten über die improvisierten Tanzflächen. Aber auch die Holzschnitzer und Töpfer
konnten zufrieden sein. Ihre Stände waren stets von Menschen umlagert – wer wollte schon
ohne ein Mitbringsel fort von hier. Beim Anblick der hübschen Krüge, Teller und Tassen
entschlossen wir uns, während der noch verbleibenden Urlaubstage einen Ausflug in die
naheliegenden Bergdörfer zu machen und die Töpfermeister zu besuchen.
Ausgangspunkt unserer Wanderung war die Streusiedlung Râşculiţa, etwa zehn Kilometer
nördlich von Baia de Criş, an der Straße, die über Bulzeştii de Jos am Găina-Berg vorbei,
nach Avram Iancu führt. Gleich am Dorfrand zweigt ein Fahrweg in Richtung Dobroţ. In
einem Seitental geht es zunächst bachaufwärts, dann links über einen Bergrücken in ein
Nachbartal, um schließlich talaufwärts nach drei Kilometern Dobroţ zu erreichen. Von hier
sind es nur noch 2,5 km bis Obârşa, dem ersten unserer Töpferdörfer. Es ist ein heißer
Julitag, die Rucksäcke drücken schwer. Gleich am Dorfeingang wohnen die ersten zwei von
den vier Töpfern, die es im Ort noch gibt. Beide Treffen wir zu Hause und bei der Arbeit an.
Wir verfolgen den Werdegang eines kleinen Kruges. Aus dem auf der Töpferscheibe
liegenden Lehmklumpen wird zuerst die untere Hälfte des Kruges geformt. Nachher formt
unser Töpfer den Oberteil mit dem Hals und stülpt ihn auf den Unterteil, nicht ohne vorher
ein Lehmkügelchen hineinzulegen, das im fertigen Krug dann so schön klappert. Dann wird
der vorgefertigte hohle Henkel angesetzt, und zum Schluss erhält er noch eine Warze,
woraus man trinkt.
Die Töpferwaren dieser Gegend tragen auf dem rohen Ton, als Grundfarbe, grün-braune
Blumenmuster und weiße Linien. Leider können wir nichts kaufen. Es ist keine fertige Ware
vorrätig. Die Töpfer aus Obârşa verkaufen ihre Erzeugnisse im ganzen Land. Ist eine
Wagenladung fertig, wird angespannt und in die Dörfer und zu den großen Märkten
gefahren. Oft geht die Reise über Hunderte Kilometer, bis hinunter ins Banat oder hinauf
nach Oradea.
Beim nächsten Töpfer, am oberen Dorfende, hatten wir mehr Glück. Als wir die Werkstätte
betraten, räumte er gerade einen Ofen aus. So konnten wir nach Herzenslust wählen.
Von ihm ließen wir uns auch den Fußweg zeigen, der, an Gärten und Feldern vorbei, über
den Berg nach Târnăviţa, zum nächsten Töpferdorf, führt. Da der Tag schon zur Neige ging,
beschlossen wir, unser Zelt auf einer Bergwiese aufzustellen und die Wanderung am
nächsten Morgen fortzusetzen.
In Târnăviţa leben noch 15 Töpfer. Alle können wir natürlich nicht besuchen, und einige sind
auch mit ihren Planwagen unterwegs. Hier erstehen wir einen großen Krauttopf mit zwei
Henkeln. Er ist sehr hübsch: Außen mit weißem Muster verziert und innen glasiert.
Auch Târnăviţa liegt, genau wie Obârşa, am Ende einer Talmulde, nur viel abgelegener. Die
Häuser ziehen sich an den Lehnen hinauf, und am oberen Dorfende beginnt der Weg nach
Hălmăgel, dem letzten der drei Töpferdörfer.
Erst folgen wir einem Fahrweg, müssen aber dann rechts abbiegen, um nach dem 4 km
entfernten Hălmăgel zu gelangen. Die Orientierung ist etwas schwierig. Der gute Rat eines
Bauern, immer den Leitungsmasten zu folgen, hilft uns über den Berg, und um die
Mittagsstunde stehen wir im Dorf.
Hălmăgel liegt nur 2,5 km abseits der großen Hauptstraße Brad – Vaşcău – Dr. Petru Groza
(Ştei). Dies hat sich in letzter Zeit auch auf die Erzeugnisse des einzigen hier arbeitenden
Töpfermeisters ausgewirkt. Wenn in den bisher besuchten zwei Ortschaften die Töpferwaren
hauptsächlich für den täglichen Gebrauch der Landbevölkerung bestimmt waren, so hat man
sich hier auf die „Leute aus der Stadt“ eingestellt: Hübsche glasierte Kaffeetassen und
Untersätze und andere ähnliche Töpferwaren füllen die Regale. Auch wir kaufen welche.
Waren unsere Rucksäcke bisher nur schwer, so sind sie nun auch noch „zerbrechlich“.
Dabei fällt uns das rumänische Sprichwort ein: „Er lacht wie der Töpfer, der den Wagen
umgeworfen hat“. Dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Übrigens ist auch der Weg bis zur
Hauptstraße nach Hălmagiu nicht mehr weit, von wo uns Autobus und Eisenbahn wieder
nach Hause bringen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 84, S. 231 – 233)
Seite | Bildunterschrift |
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231 | In Obârşa haben sich die Töpfermeister auf Krüge spezialisiert. |
233 | In diesem Ofen wird die Töpferware gebrannt. |