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Quer durchs Illautal

Nordsiebenbürgen auch für Bildungsreisende Überdachte Holzbrücken, Heilquellen und seltene Sakralbauten.

von Gerhard Bonfert

Sie gleicht einer Bilderbuchlandschaft, die Gegend um Bistritz und Nassod. Täler und Gebirgszüge, nicht allzu dicht besiedelt, haben ihr Bild kaum verändert. Es scheint, als sei die Zeit hier stehen geblieben, hier, wo die Handelsstraße ins Buchenland führt, sich eines der Tore der Maramureş befindet und schmucke dörfliche Siedlungen zum Rasten einladen. Unser Ziel war das Illautal (Valea Ilva Mică). Freunde hatten uns in schwärmerischen Worten darüber erzählt. Nun wollten wir dieses Gebiet, das (noch) in keinem Reiseführer angeführt ist, besichtigen: das Illautal mit seinen überdachten Holzbrücken, die zu den letzten dieser Art im Land gehören.
Wie gelangt man ins Illautal? Einheimische empfehlen den Weg von Bistritz über Dumitra nach Nassod und dann durch die Ortschaften Rebrişoara, Feldru, Ilva Mică, Măgura Ilvei, Ilva Mare, Lunca Ilvei und bei Dorna Candrenilor, wo die Illau in die Dorna mündet, ist die Route auch schon zu Ende. Dieser Fahrweg führt die Illau entlang, ist aber noch in einem ziemlich schlechten Zustand. Angenehmer, jedoch etwas länger, ist die nach Vatra Dornei führende Fernverkehrsstraße, und zwar von Bistritz über Livezile, Josenii Bârgăului, Prundu Bârgăului, Tiha Bârgăului, über den Tihuţa-Pass (1201 Meter) (Anm.: Borgo-Pass – legendärer Treffpunkt von Jonathan Harker mit Graf Dracula, in Stokers Roman), durch Poiana Stampei bis Dorna Candrenilor. Hier biegt man nach links ins Illautal ein, fährt durch das Bergdorf Lunca Ilvei bis Ilva Mare weiter. Die hübsche Gemeinde erstreckt sich etwa 8 Kilometer der Illau entlang, wobei die asphaltierte Dorfstraße zweimal den Bach überquert. Und über diesen bauten die Bergbauern dieses Landstrichs vor vielen Jahrzehnten die überdachten Holzbrücken, ebenso auch über einige Zuflüsse der Illau. Heute stehen noch vier Brücken. Eine wurde im Herbst des Jahres 1981 abgetragen – sie musste einer moderneren weichen – und im kommenden Jahr wird auch eine zweite das gleiche Los haben, allerdings werden sie Fachleute abtragen, um sie im Freilichtmuseum der bäuerlichen Technik in Sibiu wieder aufzubauen.
Der Großteil der Brücken, so der 75jährige Zimmermann Valentin Gyorgheni aus Nimigea de Jos, wurde nach Entwürfen der Bistritzer Ingenieure Bergel und Kelb gebaut. Valentin Gyorgheni gehört, wie auch der 71jährige Doboş Dănilă aus Ilva Mare, zu den noch lebenden Brückenbauern. Sie haben auch die Wiederinstandsetzung der im zweiten Weltkrieg zerstörten Brücken vorgenommen. Moş Doboş weiß aber auch sonst sehr Interessantes über die Bauweise der überdachten Holzbrücken zu berichten. Zum Beispiel, dass die Brücken deshalb überdacht wurden, weil in dieser Gegend vorwiegend Tannenholz als Baumaterial benützt wurde, das der Witterung ausgesetzt, nicht genug widerstandsfähig ist..., dass die 17 bis 22 Meter langen Brücken keine Trägerpfeiler im Bachbett haben, die Querträger mit- und ineinander verbunden sind, so dass Schwingungen entstehen, die die Last gleichmäßig verteilen, wodurch wiederum die Tragfähigkeit der Brücke steigt, zu der auch der Bodenbelag – die Bretter sind im Parkettsystem gelegt – beiträgt.
Zu erwähnen sei, dass solcherart Brücken auch an der Großen Kokel, im Arieş-Tal und zwei am Alt gestanden haben. Die Theresia-Holzbrücke in Schäßburg wurde 1975 ein Opfer der Kokelflutwelle. Die etwa 230 Tonnen schwere Brücke wurde über 100 Meter flussab geschwemmt. Zwar haben fachkundige Männer sie geborgen, doch harrt sie weiterhin ihrer Aufstellung. Zwei andere Brücken führten über den Alt bei Bradu (Kreis Sibiu) und Fogarasch (Kreis Braşov). An ihrer Stelle wurden moderne Metallbrücken gebaut, die den heutigen Verkehrsanforderungen entsprechen.
Das Illautal ist der Grenzstich zwischen dem Bârgău- und dem Suhard-Gebirge. Auf den sanft ansteigenden Bergrücken sind Viehzucht und Obstbau zu Hause. Die Menschen sind äußerst gastfreundlich. Wer mehrere Urlaubstage zur Verfügung hat, kann in Ilva Mare auch einen längeren Aufenthalt einschalten, die Ortschaft ist zum Ferienmachen wie geschaffen. Wen es jedoch weiterzieht, der setzt die Reise aus Ilva Mare flussabwärts fort, mündet nach etwa 7 km (linkerhand) in eine Forststraße ein, die 12 Kilometer lang, über das Suhard-Gebirge in das Tal des Someşul Mare führt, dem Grenzstrich zwischen dem Suhard- und Rodna-Gebirge. Durch ein enges Tal, durch das ein Wildbach schäumt, gelangt man in die Bergbauernsiedlung Sanţ (595 Meter), deren Gehöfte sich am rechten Ufer des Someşul Mare erstrecken. Überall empfangen den Touristen schmucke Häuser, deren Tore wuchtige Steinfassungen haben. Feiertags tragen die Bewohner bunt bestickte Trachten. Zu den Sehenswürdigkeiten des Dorfes gehören ein Heimatmuseum und die Kirche, deren Innenmalereien von Octavian Smighelschi (1866 – 1912) stammen. Nach kurzem oder längerem Aufenthalt geht es weiter nach Rodna, einem alten Bergbauzentrum mit städtischem Gepräge. Es folgt Aneşi, etwa 4 Kilometer lang am Laufe des gleichnamigen Baches, wobei die größte Häusergruppe der 1440 urkundlich belegten Ortschaft sich an der Mündung des Annesch in den Someşul Mare befindet.
Nur 3 Kilometer beträgt die Entfernung bis nach Maieru. Obwohl eine kleine Ortschaft, nimmt sie einen bedeutenden Platz in der Geschichte Nordsiebenbürgens ein. Die erste urkundliche Erwähnung ist 1440 belegt, und 1529 gelangt sie, gleich anderen Ortschaften am Someşul Mare, in den Besitz des Fürsten der Moldau, Petru Rareş (1527 – 1538). Im Jahre 1770 wurde hier eine der ersten rumänischen Schulen gegründet. Sehenswert ist auch die 1817 erbaute Holzkirche auf dem das Dorf überragenden Berg. Von großem kulturhistorischen Wert die Ikonensammlung.
Man sollte sich Zeit dafür lassen und auch eine Rastpause im satten Grün einschalten, bevor in Richtung Sângeorz-Băi aufgebrochen wird. Die Sage erzählt, dass die Ortschaft von Tataren zerstört wurde und alle Einwohner dabei umgekommen seien. Ein vorbeiziehender Bauer habe auf dem Kirchturm eine Glocke mit der Inschrift Sanctus Georgius gefunden und die Ortschaft danach benannt. Fest steht allerdings, dass die Siedlung schon im Jahre 1245 urkundlich erwähnt wird und zu den ältesten Ortschaften am Someşul Mare zählt. Berühmt wurde Sângeorz-Băi aber erst durch seine Mineralquellen, die seit etwa 200 Jahren zu Kurzwecken genutzt werden. Sie sind bikarbonat-, kalzium-, magnesium-, natriumchlorid- und schwach eisenhaltig, zudem kohlensauer und athermal und im internationalen Kurbetrieb unter der Bezeichnung „Hebe“ (griechisch „Jugendkraft“) bekannt. Heute ist Sângeorz-Băi ein vielbesuchter Bade- und Luftkurort, verfügt über eines der größten Kurhotels des Landes (930 Plätze) und bietet insgesamt 2000 Kurgästen, die an Verdauungsstörungen, Rheuma, Frauenleiden erkrankt sind, Behandlung und Pflege. Zurzeit befindet sich ein 200-Betten-Hotel im Bau. Das milde Klima verdankt der Badekurort seiner günstigen Lage in einem Tal, das ihn auch vor stärkeren Luftströmungen schützt. Dass man von hier in die Rodnaer Berge hochsteigen kann, ist selbstverständlich. Wer sich jedoch mit leichten Spaziergängen begnügt, besucht den Touristenkomplex Farmecul Pădurii im Cormaia-Tal oder die 1,7 Kilometer entfernte Mofette im Tătarilor-Tal.
Bis Bistritz ist es noch etwa eineinhalb Fahrstunden. Auf dem Weg bewundern wir noch in Feldru und Nepos die überdachten Holzbrücken, besichtigen in Rebrişoara eine aus dem 17. Jahrhundert stammende Holzkirche und statten in Dumitra dem Gedenkhaus des großen rumänischen Schriftstellers Liviu Rebreanu („Ion“) einen Besuch ab. In den Nachmittagsstunden fahren wir schließlich im Kreisvorort Bistritz ein, einer in voller Entwicklung begriffenen Provinzstadt, die dem Besucher auch manche Sehenswürdigkeit bietet.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 83, S. 42 – 47)

Seite Bildunterschrift
 
42 Bergalm mit Streusiedlung, im Vordergrund eine überdachte Holzbrücke.
43 Detail einer aus dem Jahre 1900 stammenden überdachten Holzbrücke.
44 Sonntags und an Feiertagen sitzen die Bergbauern gerne beim Plausch vor den Häusern.
45 Seit 200 Jahren bekannt: Die Heilwirkung des Mineralwassers von Sângeorz-Băi. Das Kurhotel „Hebe“ wird öfters mit einer Gesundheitsfabrik verglichen.
46 Die Berglandschaft Siebenbürgens ladet besonders im Herbst zu einer Urlaubsfahrt ein.
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