Erlebnisse in Rumänien
von Ilona Rebsch (Bautzen)
Die Sonne versank hinter den Gipfeln des Parâng-Gebirges. Ein anstrengender Wandertag
lag hinter uns. Müde bauten wir das Zelt zwischen Latschenkiefern auf. In der Ferne brüllte
ein Tier. Dann wurde es still, wir schliefen ein.
Instinktiv erwachten wir. Was ging da vor sich? Die Sicht aus dem Fenster war versperrt. Wir
richteten uns auf, erkannten eine dunkle Gestalt. Der Schreck fuhr uns in die Glieder. Einen
Augenblick waren wir wie erstarrt. Dann schlugen wir Krach, schrien aus vollem Halse. Jäh
richtete sich die Gestalt auf und suchte das Weite.
Da war wieder das Gebrüll vom Abend, nur viel lauter. Nun waren wir überzeugt. Es ist ein
Bär, ein ausgewachsener Bär. Was sollten wir tun? Hab keine Angst, versuchte mich mein
Freund zu beschwichtigen, Bären sind schreckhafte Tiere. Wir müssen ihm Angst einjagen.
Überzeugend war das nicht. Er glaubte wohl selbst nicht daran. Noch immer gab das Tier
keine Ruhe. Wie weit war es vom Zelt entfernt? Fünf, zehn Schritte? Und weit und breit kein
Mensch. Na endlich. Das Brüllen entfernte sich. Allmählich wich die Spannung der letzten
Minuten. Wie spät war es eigentlich? – Mitternacht. Der Morgen war noch weit. Wenn der
Bär nun zurückkam? Und wenn es kein einzelner war? Die „Cabana Rânca“ lag ein ganzes
Stück hinter uns. Sollten wir versuchen, in Sicherheit zu kommen? Unmöglich. Wir konnten
das Zelt nicht verlassen. Gespannt lauschten wir. Da – was war das? Woher kam das
Geräusch? Hatte der Bär den Mut zurückgefunden? Und wenn er uns angriff? Ratlosigkeit
überfiel uns. Ängstlich ergriffen wir das Kochgeschirr. Wir waren einfach nicht mehr zu
halten, brüllten drauflos, schlugen mit dem Geschirr gegen die Zeltstange. Außer Atem
warteten wir auf weitere Vorkommnisse.
Vorerst blieb alles still. „Schau auf die Uhr!“ Schweißgebadet ergriff ich die Taschenlampe.
Nein – das kann nicht wahr sein?! Ich vergewisserte mich noch einmal. Tatsächlich. Noch
immer Mitternacht. Und er Morgen war unbestimmbar weit.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 181 – 182)