Schauhöhlen in Rumänien
von Josef Viehmann und Reinhold Gutt
„Es ist wahrlich nicht jedermanns Sache, sich abzuseilen in schwarze Schlünde, um dann,
beim spärlichen Licht der Karbidlampe, noch stundenlang einem Höhlenfluss nachzusteigen
oder – was viel schlimmer – schlammverschmierte Gesteinsschläuche zu durchrobben und
Lehmrutsche zu passieren“, schrieb ein begeisterter Amateur-Höhlenforscher. Tatsächlich ist
es nicht jedermanns Sache, sich solchen Strapazen zu unterziehen, und dennoch tun es
Hunderte, wenn nicht gar Tausende, um die geheimnisvolle „Unterwelt“ zu erforschen.
Inzwischen spricht man auch im internationalen Reisebetrieb von einem neuen Trend: der
Höhlentouristik. Sie ist auch in unserem Land weit verbreitet; jährlich besuchen Tausende
Touristen aus dem In- und Ausland die Wunderwelt der Höhlen.
Im Folgenden machen Josef Viehmann, Forscher am Institut für Höhlenkunde in Cluj-
Napoca, und Reinhold Gutt eine Bestandsaufnahme der schönsten Höhlen Rumäniens und
präsentieren auch die jüngste Entdeckung auf diesem Gebiet: die Bärenhöhle von Chişcău,
die selbst in der Fachwelt großes Aufsehen erregt hat.
Die ersten Zeilen über die Höhlen Rumäniens schrieben 1769 J. Fridvalsky, 1795 J. A.
Schönbauer, 1852 F. Hauer und E. A. Bielz, 1863 A. Schmidl und 1898 G. M. Murgoci. Der
rumänische Polarforscher und Biospeläologe Emil Racoviţă war es, der 1920 in Klausenburg
das erste Institut für Höhlenkunde der Welt ins Leben rief und so die Grundlagen schuf für
die wissenschaftliche Erforschung der Höhlenwelt.
Die Verbreitung der Karstgebiete in Rumänien steht im engen Zusammenhang mit seinen
Berggegenden. Die aus Kalkstein bestehenden Berge und Plateaus bilden zahlreiche
Karstinseln, die sich, nach den Gebirgsketten, in denen sie sich befinden, in vier
Hauptkarstgebiete gruppieren: Westkarpaten, Südkarpaten, Ostkarpaten und die nicht sehr
hoch gelegenen Hochflächen der Dobrudscha.
Die ersten zwei umfassen die größten Karstflächen, mit den meisten, vom
biospeläologischen Standpunkt aus bedeutendsten Höhlen.
In den Westkarpaten, im Biharia-Massiv finden wir das Hochplateau von Padiş mit einer
Oberfläche von etlichen zehn Quadratkilometern; das obere Einzugsgebiet des Gârda-Seacă-Flusses
mit der Cioba-Höhle und das Plateau von Scărişoara. Diese Plateaus mit
ihren unzähligen Dolinen, Ponoren oder Wasserschwinden und Schächten, mit dem
großartigen natürlichen Tunnel von Rădeasa, mit dem temporären See von Poiana Ponorului
und mit den riesigen „Cetăţi“ (Festungen) machen einen gewaltigen Eindruck selbst auf die
Naturfreunde, die bereits die bedeutendsten Karstgebiete Europas durchwandert haben.
Die „Cetăţile Ponorului“ stellen einen aus drei großen, von Felswänden umschlossenen
Einsturzdolinen gebildeten Komplex dar, der in einer tiefen Depression inmitten eines
Waldes liegt und zweifellos eine der bemerkenswertesten Karsterscheinungen unseres
Landes ist.
Die Eishöhle von Scărişoara, die größte vereiste Höhle Rumäniens, birgt ungefähr 50.000
Kubikmeter Eis, ein wahrer Riesenblock, wenn man die geringe Höhe und das gemäßigte
Klima der Höhle in Betracht zieht. Um in die Eishöhle von Scărişoara zu gelangen, muss der
Besucher einen Schacht mit abschüssigen, fast 50 m tiefen Wänden hinuntersteigen. Auf
dem Schluchtgrund öffnet sich seitlich eine Wölbung, die aus einem „Großen Saal“ besteht,
aus welchem man in einen kleineren Raum gelangt, dem die Ortsansässigen den Namen
„Kapelle“ gegeben haben. In ihrem Inneren finden wir zahlreiche hohe schlanke Eissäulen.
Ihre kugelförmigen durchsichtigen Enden schimmern wie Riesenkerzen im Widerschein des
vom Eisspiegel zurückstrahlenden Lichtes.
Das obere Becken der Schwarzen Kreisch (Crişul Negru), das auf dem westlichen Abhang
der Biharia-Berge liegt, ist von dem übrigen Karstgebiet abgesondert. Hier sind die Meziad-Höhle
und die Höhlen des Sighiştelul-Tals, darunter die Măgura-Höhle anzutreffen, die zur
Zeit Emil Racoviţăs als die schönsten des Landes galten. In dieser Gegend wurde 1975 die
Bärenhöhle entdeckt und 1980 für den Besuch freigegeben.
Das Karstplateau Pădurea Craiului, das sich im Flussgebiet der Schnellen Kreisch (Crişul
Repede) befindet und niedriger gelegen ist als das Plateau von Padiş, birgt die schon früher
bekannte Höhle von Vadu Crişului.
Die bedeutendsten Karstgebiete der Südkarpaten liegen im südwestlichen Teil, und zwar im
Parânggebirge und in den Mehedinţi- und Aninaer Bergen. Am bekanntesten ist die
Comarnic-Höhle (Aninaer Berge), die lange Zeit als die längste Höhle Rumäniens galt, nun
aber von der Peştera Vântului (Windhöhle) um vieles übertroffen wird.
Der Karst der Rodnaer Berge, an der nordwestlichen Seite der Ostkarpaten gelegen, obwohl
von viel kleinerer Ausdehnung, verbarg bis vor kurzem die tiefste Höhle Rumäniens, die
Peştera de la Tăuşoare.
Der wissenschaftliche Wert und die Schönheit unserer Höhlen erforderte dringend deren
Schutz. So wurde 1938 als erste Höhle die Eishöhle von Scărişoara unter Naturschutz
gestellt. Die Reihe der unter Rechtsschutz gestellten Höhlen wuchs nach dem Krieg
sprunghaft an, so dass 1977 die Zahl der unter Rechtschutz stehenden höhlen und
Karstformationen mehr als 50 betrug. Die Beschädigung selbst der unter Rechtsschutz
stehenden Höhlen durch die Sammlerleidenschaft einiger Touristen konnte leider nicht
gänzlich verhindert werden, so dass zu einer anderen Lösung gegriffen werden musste: zur
Einrichtung von Schauhöhlen. Diese Maßnahme hat sich als äußerst wirksam erwiesen und
trägt auch dazu bei, die Naturschätze im Inneren unserer Höhlen zu erhalten.
Der touristische Wert der Höhlen Rumäniens wird durch die Schönheiten der Sinterbildungen
bestimmt, durch die Größe des unterirdischen Hohlraums, durch die zum Teil sportlichen
Besuchsbedingungen sowie durch das Vorhandensein von wissenschaftlichen Raritäten
oder Kuriositäten. Als Beispiel führen wir die Bärenhöhle (Peştera Urşilor) von Chişcău im
Kreis Bihor an, die eine Rekordzahl von Stalagmiten pro Quadratmeter birgt sowie eine
beträchtliche Anzahl Knochen von Höhlenbären (Ursus spelaeus). Auch eine Rarität auf
Weltebene gibt es hier: das Skelett eines Höhlenbären.
Andere Höhlen, mit vorläufigen improvisierten Einrichtungen, können gleichfalls als
„Schauhöhlen“ angesehen werden, da sie jährlich von etlichen tausend Touristen besichtigt
werden. Beigefügte Tabelle zeigt einige der interessantesten Schauhöhlen Rumäniens.
Amateur-Höhlenforscher, die in über 30 Vereinen und Klubs organisiert sind, stellen ein
wichtiges Glied in der Erforschung unserer Höhlen dar. Ihrer Tätigkeit ist es auch zu
verdanken, dass einige Höhlen in Rumäniens Karstgebieten entdeckt und für den Besucher
zugänglich gemacht wurden: so die größte Höhle des Landes, die Windhöhle (Peştera
Vântului), mit ihren 28 km, eine Entdeckung der Amateur-Höhlenforscher von Cluj-Napoca,
die Höhle von Rătei, von den Mitgliedern des Klubs „Focu Viu“ aus Bukarest und die Höhlen
Iza und Tăuşoare, vom Studentenklub für Höhlenforschung, „Emil Racoviţă“ aus Cluj-Napoca
entdeckt.
Es geschah 1973. Nur 24 km von Beiuş entfernt, in der Valea Fagului, stießen Bergarbeiter
auf einen unterirdischen Hohlraum. Sogleich wurden des Institut für Höhlenkunde in Cluj-Napoca
und das Kreismuseum („Muzeul Ţării Crişurilor“) in Oradea verständigt und
schließlich die Peştera Fagului (Buchenhöhle) entdeckt, die wichtigste Höhle mit Aragonit-
Kristallen in Rumänien. Über 90 Prozent der Höhlen auf der Welt weisen Kalzit-Formationen
auf – das Vorhandensein von Aragonit ist selten und daher auch wesentlich wertvoller.
(Aragonit ist ein Kalziumkarbonat, das im rhombischen System kristallisiert und zum ersten
Mal im Jahre 1775 im Tal des Aragonflusses in Spanien entdeckt wurde.) Die Höhle wurde
zwar zu ihrem Schutz geschlossen, dennoch gelang es fanatischen Sammlern und
unverantwortlichen Touristen, in die Höhle zu dringen und sie zu plündern. Diese für die
Höhlenforschung traurige Erfahrung hat die Fachleute zu entsprechenden Maßnahmen
veranlasst, die bereits zwei Jahre darauf ihre Wirksamkeit zeigten.
1975 wurde nur 3 km von der Buchenhöhle entfernt, bei Arbeiten in einem Marmorsteinbruch
neben dem Dorfe Chişcău, das zur Gemeinde Pietroasa gehört, ebenfalls auf einen bis dahin
unbekannten unterirdischen Hohlraum gestoßen. Die Bärenhöhle wurde entdeckt und so
benannt wegen der besonders wertvollen Funde an Höhlenbärenskeletten (Ursus spelaeus).
Die Schönheit der Tropfsteinformationen war beeindruckend. Man kennt heutzutage in der
Welt nur sechs Höhlen, in denen man vollständige Skelette des Höhlenbären vorfand, und
eine von diesen Höhlen ist jene von Chişcău. Der unterirdische Hohlraum besteht aus zwei
übereinanderliegenden Galerien, von denen die obere für Besucher freigegeben wurde,
während in der unteren die wissenschaftliche Reservation liegt. Am rechten Ufer des
Wasserlaufs, der durch die Galerie der Reservation fließt, ruht das vollständig erhaltene
Skelett eines Höhlenbären, der vor etwa 15.000 Jahren gelebt hat.
Die Schönheit und der wissenschaftliche Wert der Höhle haben das Institut für Höhlenkunde
„Emil Racoviţă“ und das Ministerium für Tourismus veranlasst, eine genaue Studie über die
touristische Erfassung der Höhle auszuarbeiten und die entsprechenden Vorkehrungen zu
treffen. Mitte Juni 1980 wurde sie zur Besichtigung freigegeben und in kürzester Zeit zur
Hauptattraktion für alle Wanderer, die diesen Teil der Westkarpaten besuchen.
Die moderne Herrichtung besteht darin, dass außer der Asphaltstraße bis zum
Höhleneingang, Parkplätzen und Höhlenpavillon, im Höhleninneren unterirdische
Betongänge angelegt wurden, die durch Geländer abgesichert sind. Ein einfallsreiches
Beleuchtungssystem bringt die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten dieses großartigen
Museums in ihrer ganzen Pracht zur Geltung.
Der Besuch der Höhle, der Touristen aller Altersgruppen möglich ist und etwa eine dreiviertel
Stunde dauert, beginnt in der Bärengalerie, in der sich Skelettreste und Liegestätten der
Höhlenbären befinden. Es folgt die „Emil Racoviţă“-Galerie, die reich an massigen
Stalagmiten und Stalaktiten ist. Am Ende dieser Galerie befindet sich auch eine getreue
Wiedergabe des Höhlenbären, dessen Originalskelett unten in der Reservation aufbewahrt
wird. Ans Tageslicht gelangt man durch die Kerzengalerie, die durch die größte
Stalagmitendichte pro Quadratmeter im Karst Rumäniens besticht. Die Stalagmiten sind von
einem makellosen Weiß. Ergänzt wird diese phantastische Wunderwelt von klaren
Wasserbecken, darunter auch der Seerosen-See, von verschiedenen Wandformationen, in
Bildung begriffenen Säulen, von vereinten Stalagmiten- und Stalaktitenbildungen.
Das Besuchergebiet hat eine Länge von 488 m, während das wissenschaftliche
Schutzgebiet 521 m lang ist. Somit zählt die Höhle zwar nicht zu den großen, aber zu den
schönsten der Höhlenwelt, und zweifellos ist sie die schönste in unserem Land.
Die besten Zufahrtsmöglichkeiten sind mit der Eisenbahn bis zum Bahnhof Beiuş oder
Sudrigiu, und von hier noch 14 km auf der Kreisstraße DJ 763 bis Chişcău.
Die Umgebung bietet aber auch noch andere Sehenswürdigkeiten. Neben Beiuş befindet
sich die Meziad-Höhle, und wenn man von Pietroasa nach Padiş aufsteigt, gelangt man zur
Höhle Cetăţile Ponorului, zur Eishöhle „Gheţarul de la Focul Viu“, zu den Schächten aus der
„Lumea pierdută“ oder in die Galbena-Klamm.
Name | Gebirge | Ausgangsorte | Länge | Tiefe | Besichtigungsteil für Touristen | Zutritt |
---|---|---|---|---|---|---|
Peştera Urşilor (Bärenhöhle) | Bihor | Chişcău, Beiuş | 1009 m | 488 m | Eintrittskarte Höhlenführer | |
Cetăţile Ponorului | Bihor | Padiş, Beiuş | 2000 m | 500 m | Gummistiefel | |
Gheţarul de la Scărişoara (Eishöhle von Scărişoara) | Bihor | Gârda, Câmpeni | 700 m | 105 m | 200 m | Eintrittskarte Höhlenführer |
Cioba Mare | Bihor | Casa de Piatră, Câmpeni | 4447 m | 240 m | Schlauchboot, Gummistiefel | |
Focul Viu | Bihor | Padiş, Beiuş | 150 m | 100 m | - | |
Măgura | Bihor | Sighiştel, Dr. Petru Groza (Ştei) | 1500 m | 900 m | Höhlenführer | |
Meziad | Bihor | Meziad, Beiuş | 4750 m | 78 m | 1500 m | Eintrittskarte Höhlenführer |
Vadu Crişului | Pădurea Craiului | Vadu Crişului, Aleşd | 1000 m | 600 m | Eintrittskarte Höhlenführer | |
Huda lui Păpară | Trascău | Sălciua, Turda | 2022 m | 90 m | Schlauchboot Gummistiefel | |
Comarnic | Anina | Caraşova, Reschitza | 4040 m | 30 m | 1000 m | Eintrittskarte Höhlenführer |
Peştera Muierilor (Weiberhöhle) | Parâng | Baia de Fier, Tg. Jiu | 3566 m | 1000 m | Eintrittskarte Höhlenführer | |
Polovragi | Căpăţânii | Polovragi, Tg. Jiu | 9000 m | 1000 m | - | |
Dâmbovicioara | Piatra Craiului | Dâmbovicioara, Rucăr | 244 m | 200 m | Höhlenführer | |
Ialomiţa | Bucegi | Peştera-Schutzhütte, Buşteni | 804 m | 500 m | Eintrittskarte Höhlenführer | |
Mereşti | Perşani | Mereşti, Rupea | 1000 m | - | ||
Iza (Die blaue Iza-Quelle) | Rodna | Săcel, Vişeu | 2500 m | 170 m | 800 m | Gummistiefel |
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 68 – 79)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
68 | Der großartige natürliche Tunnel von Rădeasa. |
70 | Kartenskizze |
71 | Streusiedlung in den Westkarpaten. |
72 | Die „Kapelle“ in der Scărişoara-Höhle. |
73 | Wunderwelt in der Eishöhle von Vârtop. |
75 | Iza-Höhle – ein Wasserfall wird mit einer gezimmerten Leiter überbrückt. |
76 | Eishöhle „Focul viu“. |
77-o | In der „Kerzengalerie“ der Bärenhöhle. |
77-u | Skelett eines Höhlenbären. |