Mit Auto und Zelt auf einer wenig bekannten Trasse
von Gerhard Bonfert
Govora, Arnota, Bistriţa, Hurez, Polovragi, Tismana bilden die Kette der nordoltenischen Klöster, zu denen eigentlich auch jene aus dem Alttal wie Cornetu, Turnuri, Stănişoara und Cozia hinzugerechnet werden können. Sie sind zwar nicht so berühmt wie die Sakralbauten der Bukowina, bestechen jedoch durch ihre einmalige und nur für diese Gegend typische Architektur. Sie liegen ausschließlich am fuße der Südkarpaten, eng an den Berg geschmiegt oder kleben regelrecht auf einer Felsspitze und erfüllten in vergangenen Zeiten auch strategische Funktionen. Man sollte sich die Zeit nehmen und diese kulturgeschichtlichen Baudenkmäler besuchen. Mit PKW und Zelt fuhren wir zwei Tage lang durch diese malerische Gegend, wobei viel mehr zu sehen und erleben war, als Reiseführer versprechen.
Ausgangspunkt der Reise war Sibiu/Hermannstadt, der Anlass der alljährliche Töpfermarkt in
Horezu, der am ersten Sonntag im Juni abgehalten wird. Oberhalb des jungen Städtchens im
malerischen Camping, waren die kleinen Holzhäuschen mit Tellern, Krügen und Tonfiguren
behangen. Aus allen Landesteilen waren sie erschienen: die Töpfermeister mit Waren. Alles,
was einen Namen in dieser Branche hat, gibt sich hier alljährlich ein Stelldichein: Dumitru
Moldovean (Marginea, Suceava), Jozsa Sándor und Páll Antal (Corund, Harghita), Grigore
Ciungulescu (Obrogea, Olt), Constantin Arnicar (Vlădeşti, Vâlcea), Mihai Corneanu
(Botoşani), Ştefan Molnár (Vama-Oaş, Sathmar) und natürlich die vielen Töpfermeister aus
Horezu – Victor Ogrezeanu, Stelian Ogrezeanu, Gheorghe Iorga, Dumitru Mischiu, Ionel
Popa, Dumitru Şchiopu u. v. a. Die Töpfer aus Horezu stammen aus dem Dorfe Olari, das
auf einem Hang nördlich von Horezu liegt und heute ein Wohnviertel, besser gesagt eine
Straße von Horezu ist. Auf einer Freilichtbühne boten Laienkünstler Folkloreprogramme, und
etwas weiter, auf einer großen Wiese, herrschte regelrechtes Jahrmarktstreiben.
Bevor man nach Horezu gelangt, durchfährt man auch einige hübsche Ortschaften des
Alttals, wie den Badekurort Călimăneşti-Căciulata und den Kreisvorort Râmnicu Vâlcea, eine
in wirtschaftlichem Aufschwung begriffene Stadt. Unser Weg führt an dem großen
Industriestandort vorbei, um dann nach Westen abzuschwenken. Bei der ersten Kreuzung
geht es nach Bad Govora und zu dem in einem Tal verborgenen gleichnamigen Kloster. Wir
fahren jedoch auf der DN 67 weiter und gelangen noch zur Mittagszeit zu unserem Reiseziel.
Nach kürzerem Aufenthalt auf dem Töpfermarkt zweigen wir auf eine Landstraße in Richtung
Kloster Hurez ab.
Durch Fürst Constantin Brîncoveanu (1688 – 1744) in den Jahren 1690 – 1697 erbaut, ist
Hurez bestimmt eines der schönsten Denkmäler rumänischer Kunst, dessen Architektur,
Bildhauerei und Wandmalerei sowohl byzantinische Tradition als auch den Einfluss der
italienischen Renaissance aufweisen, ja sogar auch unverkennbare Barockelemente.
Eine Auffahrtsstraße führt den Berg hinan, auf dem der Klosterbau errichtet wurde, umgeben
von mächtigen Mauergefügen mit Torturm und anderen befestigten Anlagen, wobei der
Brîncoveanu-Stil unverkennbar ist, ein Stil, der Jahrhunderte das Bild der Monumentalbauten
in der Walachei prägen wird. Aus dem architektonischen Ensemble heben sich die große
Kirche, die Kirche des Siechenhauses und das Fürstenhaus heraus, in dem heute ein
Museum eingerichtet ist. Ikonen, vergoldete Silberteller, versilbertes Kupfer- und
Zinngeschirr, Gebetbücher, kostbare Gewebe sind Zeugen der rumänischen Kultur aus dem
18. Jahrhundert.
Viele Kostbarkeiten stammen aus siebenbürgisch-sächsischen Goldschmieden. So fertigte
Sebastian Hann im Auftrag Brîncoveanus einen in Gold getriebenen Buchdeckel eines
Tetraevangeliums an. Maler, Steinmetze und Maurer haben hier dauerhafte Kunstwerke
geschaffen. Viele der Fresken sind Kollektivarbeiten, wie auch das erwähnenswerte
Abendmahl (1705) gegenüber der großen Kirche.
Wir verlassen Hurez und fahren auf der DN 67 weiter. Nächstes Besuchsziel ist Polovragi (6
Kilometer von der Landstraße nordwärts). Der Klosterbau erhebt sich aus tiefstem Grün an
einer Berglehne, dort, wo der Olteţ-Bach eine tiefe Klamm in den Felsen geschnitten hat. Der
Name soll dem Dakischen entlehnt worden sein und vom Wort vraci (=Arzt) herrühren. Einer
alten Legende zufolge soll Zamolxes, der Gott der Daker, sich nach einer schweren Schlacht
gegen die Römer in die Polovragi-Höhle zurückgezogen haben. Jedenfalls bietet das
zerklüftete Land viele Unterschlupfe, die zu jener Zeit schwer zugänglich waren.
Polovragi wurde in den Jahren 1504 – 1505 gebaut, in den Wirren der Zeit zerstört und 1643
– 1647 wieder aufgebaut. Seither ist die Kapelle, deren Vorderwand viele Namenszüge trägt,
darunter auch jenen Tudor Vladimirescus, mit Kupferblech abgedeckt. Polovragi hat belebte
Zeiten erlebt: rund 50 Jahre war es Jerusalem unterstellt und wurde dann 1693 für drei
Goldbeutel von Constantin Brîncoveanu zurückgekauft. Er ließ auch das Kloster renovieren
und die Kirche ausmalen.
Rechts vom Kloster befindet sich auch ein kleines Camping mit einigen Holzhäuschen. Auf
der großen Wiese wird im Juli ein Volksfest abgehalten. Aus dem Dorfe Polovragi gibt es
eine Abzweigung (6 Kilometer asphaltiert), die über Baia de Fier durch große Akazienwälder
zur Peştera Muierii (Weiberhöhle) führt. Sie ist beleuchtet und kann täglich von 9 bis 13 und
14 bis 18 Uhr besichtigt werden (letzter Eintritt 17 Uhr, in Gruppen zu wenigstens zehn
Personen). Sie ist eine der repräsentativsten Höhlen des Gebiets, in denen schlanke, im
Laufe der Jahrhunderte hochgewachsene Kerzenstalagmiten mit massigen, in Kaskaden
gestuften Tropfsteinpagoden, riesigen Steinorgeln abwechseln. Viele Gebilde erhielten ihrer
Form nach unterschiedliche Bezeichnungen, wie „Der Daker“, „Der große und der kleine
Dom“, „Die Orgel“ u. a. m. Der für den Besuch freigegebene Teil, etwa 640 Meter, führt quer
durch den Berg. In einer „großen Halle“ ist ein Schaukasten, in dem Reste eines
Höhlenbärenskeletts zu sehen sind. Bei der Peştera Muierii gibt es eine Herberge gleichen
Namens und einige Holzhäuschen.
Zurück auf die Fernverkehrsstraße. In westlicher Richtung geht es weiter, durch hübsche
Dörfer mit Häusern im typischen Gorjer Baustil.
Bei der Einfahrt in Tg. Jiu grüßt inmitten eines Parks die „Endlose Säule“, eines der
Wahrzeichen der Stadt, das der weltberühmte Bildhauer Constantin Brâncuşi in seiner
großen Schaffensperiode zusammen mit dem „Tor der Liebenden“, der „Runde des
Schweigens“ und anderen Werken im öffentlichen Park am Ufer des Schils in Stein gehauen
hat. Brâncuşi, beseelt von dem Gedanken, ein bleibendes Denkmal für die Helden des
ersten Weltkriegs zu schaffen, verwarf die ihm vorgeschlagene Idee eines Sockels mit einem
Adler darauf, den er in Privatgesprächen als „Krähe“ bezeichnete. Und so schuf der Künstler
den Denkmalkomplex von Tg. Jiu, der heute zum Freilichtmuseum erklärt wurde.
Nach einem Stadtbummel verlassen wir Tg. Jiu, den Schil überquerend und gelangen nach
36 Kilometern im Camping Tismana an, wo wir auch unser Zelt aufschlagen.
Am Morgen geht es in nördlicher Richtung (7 Kilometer) zu einem anderen Bauwerk
rumänischer Architektur.
Das Kloster Tismana liegt in einem engen Tal am gleichnamigen Bach. Natürliche
Steilwände umgeben den Bau und verleihen ihm das Aussehen einer Ritterburg. Die
Bauarbeiten begannen schon zurzeit Fürst Radus des Ersten (1377 – 1378), wurden aber
erst durch Mircea den Alten vollendet. Vom Architektonischen her gleicht es in vielem dem
Cozia-Kloster. Des öfteren zerstört, wurde es immer wieder aufgebaut und durch Anbauten
ergänzt. 1850 rief Fürst Gheorghe Bibescu den Architekten Schlatter, der die letzten großen
Um- und Anbauten vornahm. An der Felswand, rechts vom Kloster, befindet sich der
Eingang in eine Höhle, in der angeblich der Einsiedler Nicodim, ein serbischer Mönch, der
seine Jugend auf dem Berge Athos verbracht hatte, gehaust haben soll. Tismana war des
Öfteren Zufluchtsort der rumänischen Fürsten, und 1821 benützten es die Panduren (gegen
die Osmanen eingesetzte Habsburger Soldaten) Tudor Vladimirescus als Schulungslager. In
der Nähe des Klosters gibt es ein kleines Camping mit einigen Holzhäuschen und gegenüber
eine Forellenzucht (Öffnungszeiten 7 – 9 und 17 – 19 Uhr).
Die Rückfahrt erfolgt auf derselben Trasse wie am Vortag. Bei Peştişani zweigen wir
nochmals ab, um in das nahe Hobiţa zu gelangen, den Geburtsort des Bildhauers Constantin
Brâncuşi. Das Geburtshaus Brâncuşis liegt am Südrand des Dorfes. Es besteht nur aus zwei
Räumen, da seine Eltern arme Bauern waren. Auch hier weisen die Pfeiler die einfachen
geometrischen Einkerbungen auf. Es sind dies die charakteristischen Dekorelemente der
oltenischen Säulen, die Brâncuşi in seiner „endlosen Säule“ verewigt hat. Auf der Lichtung in
einem nahen Wäldchen (etwa 300 Meter vom Dorfrand entfernt) haben Studenten ein
Bildhauerarbeitslager eingerichtet.
Letzte Station unserer oltenischen Reise sind nochmals Tg. Jiu, dann das Freilichtmuseum
in Curtişoara mit seinen oltenischen Bauernhäusern, um dann, dem Schil folgend, durch den
Lainici-Pass über Petroşani und Hatzeg heimwärts zu fahren.
Für diese überaus erlebnisreiche Tour sollte man wenn möglich mehrere Tage planen, um
tatsächlich alle Sehenswürdigkeiten in Ruhe genießen zu können und dabei auch richtig
Urlaub zu machen. Die Landschaft ist dafür wie geschaffen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 49 – 56)
Seite | Bildunterschrift |
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50 | Kloster Hurez – Denkmal rumänischer Baukunst. |
51 | Innenhof des Klosters Polovragi. |
52 | Das „Tor des Kusses“ im Freilichtmuseum von Tg. Jiu. |
53 | Brâncuşis berühmte „Endlose Säule“. |
54 | Einer Ritterburg ähnlich: Tismana. |
55 | Raststätte Bucium-Sohodol. Auch für Urlaubmachen geeignet. |
56 | Oltenisches Bauernhaus im Freilichtmuseum Curtişoara. |