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Die „rätselhafte“ Markierung

Langstreckenpfade durch die Karpaten – Sie führen vom Rodna-Gebirge bis zum Eisernen Tor

von Lia Gross

Wofür braucht man auf ein- und demselben Wegstück zwei Markierungen? Wem hilft eine Markierung, die nirgends vermerkt ist, die plötzlich – ohne jeden Hinweis – auftaucht und nach ein paar Wegstunden genauso plötzlich – natürlich wieder ohne Hinweis – verschwindet? Diese und ähnliche Fragen stellte ich mir und meinen Bergfreunden vor ein paar Jahren während eines Abstiegs vom Hohenstein.
Es war im Herbst 1977. Unsere kleine Wandergruppe kam vom Gipfel und verfolgte den mit rotem Kreuz markierten Pfad, der an der Stâna din Pietricica vorbeiführt, sich dann einen langen Rücken in Richtung Susai hinzieht und schließlich in Predeal – am Cioplea – endet. Seit anderthalb Jahren war ich diesen Weg nicht mehr gegangen. Nun stellte ich mit Erstaunen fest, dass eine neue Markierung – rotes Band – hinzugekommen war. Unterhalb des Gipfelplateaus war sie plötzlich da. Woher? Keine Ahnung – Wohin? Keinerlei Hinweis! Immer wieder tauchte sie neben dem roten Kreuz auf.
Am Cioplea, wo ein Hinweisschild mit den nötigen Angaben betreffs Markierungen und Wegdauer der Hohensteinpfade steht, war das rote Band nicht vermerkt. So blieb mir diese „unnötige“ Markierung weiterhin ein Rätsel, bis ich im Jahr drauf zum Ciucaş fuhr. Im Bratocea-Pass fand ich endlich des Rätsels Lösung. Seltsam – der Hohenstein gibt Rätsel auf, die der Ciucaş löst! Ja, so war’s. Im Bratocea-Pass, da, wo der Pfad beginnt, der über den Bratocea-Kamm zur Spitze führt, fand ich nämlich eine von Pionieren aufgestellte Tafel, die die Berge des Karpatenbogens darstellt, und darauf vermerkt eine Langstreckenmarkierung, die die Pioniere im Rahmen der Aktion „Sturm auf die Karpaten“ ausgeführt haben. Sie führt von Predeal über die Berge zum Ciucaş und weiter zum Siriu und Penteleu. Markierung: rotes Band. Aha, nun wusste ich’s also!
Inzwischen ist eine ähnliche Tafel auch am Cioplea aufgetaucht. Inzwischen habe ich mich aber auch über Langstreckenpfade im Allgemeinen und über die diesbezüglichen Projekte in unserem Land im Besonderen dokumentiert. Das Etappenwandern über lange Strecken gibt’s in anderen Ländern nämlich schon seit langer Zeit. Da führen Hunderte Kilometer lange Wanderpfade von einem touristisch interessanten Gebiet zum anderen, über Berg und Tal, von Massiv zu Massiv, oder ein Flusstal entlang von der Quelle bis zum Meer. Der Anfang wurde 1921 in den USA gemacht. Die Idee, einen Pfad entlang der Appalachen zu schaffen, stammte vom Naturwissenschaftler Benton Mac Kaye. Zwei Jahre später wurde bereits ein erster Teil dieses Wanderpfades freigegeben. Nach 14 Jahren konnten die Wanderer die Gesamtstrecke von 3200 km der „Appalachen Trail“ benützen, die u. a. durch 12 Staaten, zwei Nationalparks und zahlreiche Naturschutzgebiete führt.
Andere Langstreckenpfade tauchten auf. Nicht nur in den USA. In Kanada z.B. führt ein 700 km langer Pfad vom Huron-See zu den Niagara-Fällen. Auch England hat seine Langstreckenpfade, und in Frankreich sind es mehr als 60.
So ist es nur natürlich, dass man auch in unserem Land diese Idee aufgriff. Kommen doch immer mehr Leute drauf, dass das Wandern ein notwendiges Gegenstück zum heutigen, vom Stress gezeichneten Alltag, zur sitzenden Lebensweise darstellt.
Im Großen ging man von der Idee aus, einen durchgehenden Wanderpfad zu schaffen, der den Kamm der Karpaten entlangläuft, vom Rodna-Gebirge im Norden bis zu den Bergen in der Nähe des Eisernen Tores an der Donau im Süden. Und da die Kammpfade einiger Bergmassive (Rodna, Ciucaş, Fogarascher, Parâng, Retezat) mit dem roten Band markiert waren, entschloss man sich, als durchgehende Einheitsmarkierung dieses zu schaffenden Karpatenkamm-Langstreckenpfades eben dieses rote Band zu benützen. In einigen Abschnitten waren es die Pioniere und Schüler, die im Rahmen der Aktion „Sturm auf die Karpaten“ neben anderen auch diese Kamm-Markierung vornahmen, wie z.B. auf der schon erwähnten Teilstrecke Predeal – Hohenstein – Baiu-Berge – Ciucaş – Siriu – Penteleu. In anderen Abschnitten waren es Studenten, während die Markierungen in den Bergen zwischen Predeal und Roter-Turm-Pass von Salvamont besorgt werden.
Natürlich dauert es eine gewisse Zeit, bis so eine großangelegte Aktion abgeschlossen werden kann, es gab und gibt noch Diskussionen über die beste Trassenführung in manchen Massiven, es gilt noch, die Verbindungsstrecken endgültig festzulegen und zu markieren, die durch Täler und bewohnte Gebiete führen. Vor allem in den Ostkarpaten ist in dieser Hinsicht noch viel zu tun.
In den Südkarpaten und bis zum Karpatenbogen hingegen, kann man sagen, sind diese Markierungsarbeiten im Großen und Ganzen abgeschlossen – aber eben nur im Großen und Ganzen. Und wer sich dennoch schon jetzt aufmachen will, um von Herkulesbad über Berg und Tal bis zum Penteleu zu gelangen, der sei gewarnt, dass er noch nicht überall das rote Band finden wird. Eine vorher genau festgelegte Marschroute, eine gute Wanderkarte und ein Kompass im Rucksack (Die er auch zu gebrauchen versteht!) sind vorläufig unerlässliches Rüstzeug.

(Anmerkung: Die Idee eines Fernwanderweges über die Karpaten, als grenzübergreifendes Projekt ist auch heute wieder im Gespräch. Das ISF München beschäftigt sich im Rahmen des Carpathian Project der EU mit der Schaffung eines Fernwanderweges, der "via carpatica". Der Weg sollte einmal sieben europäische Länder verbinden (nach aktuellsten Informationen nur noch fünf) und diese Bergregionen nachhaltig entwickeln und fördern. F. K.)

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 164 – 168)

Seite Bildunterschrift
 
164 Im Rodna-Gebirge
165 Interessante Felsformation im Căliman-Gebirge.
166 Felsgebilde im Ciucaş.
167-o Ein Anblick, der sich dem Langstrecken-Wanderer immer wieder bieten wird.
167-u Sâmbăta-Hütte und das große Fenster am Kamm der Fogarascher.
168 Im Parâng.
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