Ein Wochenendziel wie gewünscht. Auch zum Urlaubmachen geeignet.
von Gerhard Bonfert
Nur wenigen Autotouristen, die auf der DN 1 aus Richtung Sibiu nach Braşov fahren, ist das
Erholungsgebiet Poiana Neamţului, unweit von Freck/Avrig am Fuße eines Bergzugs des
Fogarascher Gebirges bekannt. Für die Bewohner der Stadt am Zibin und der Ortschaften im
Umkreis gehört es bereits zum Naherholungsgebiet und beliebten Wocheendziel. Viele
verbringen hier auch ihren Urlaub und nützen die Poiana Neamţului als Ausgangsbasis für
Wanderungen in die zerklüftete Bergwelt der Fogarascher.
Angefahren wird auf der DN 1 über Freck/Avrig, der stattlichen Gemeinde am Fuße der
Fogarascher, seit jeher durch ihre Glaswaren bekannt sowie durch ein Sanatorium, das im
ehemaligen Landsitz des siebenbürgischen Gouverneurs Samuel von Brukenthal
eingerichtet ist (auch wegen der schönen Gartenanlagen besuchenswert). Freck ist auch der
Geburtsort des rumänischen Schulmanns Gheorghe Lazăr, des Begründers der ersten
höheren Schule mit rumänischer Unterrichtssprache. Heute erwähnt man den Namen dieser
Ortschaft auch wenn von Maria Spiridon die Rede ist, einer bereits weltbekannten
Kunstgewerblerin, die hier eine Webekunst-Schule unterhält und auch in den Vereinigten
Staaten von Amerika, in Österreich, England und in anderen europäischen Staaten mit ihrem
Webstuhl unterwegs war. Ein Besuch in ihrem mit einem Museum der Volkskunst
vergleichbaren Heim ist nur zu empfehlen.
Nach einem kürzeren oder längeren Aufenthalt in Freck verlässt man das Gemeindezentrum
in südlicher Richtung, vorbei an der modernen Glashütte, die 1930 aus Porumbacul de Sus
hierher verlegt worden ist. Der auch von PKW befahrbare Weg, immer die Gebirgskette im
Blickfeld, schlängelt sich entlang eines Baches bis zur Poiana-Neamţului-Berghütte (706
Meter). Wer auf Schusters Rappen wandert, benötigt dafür etwa 3 Stunden. Die Berghütte
liegt an einem munter plätschernden Gebirgsbach und bietet dem Gast sowohl Unterkunft
als auch Verpflegung. Auf der großen Wiese und am Bachufer kann auch gezeltet werden.
Selbst dann, wenn nur ein zweitägiger Aufenthalt geplant ist, sollte man einen Aufstieg zum
Frecker See (2011 m) nicht scheuen. Die Mühe lohnt sich. Der Aufstieg beginnt gleich hinter
der Hütte. Anfangs führt der Bergpfad entlang des Râul-Mare-Tals, um darauf in einen
Mischwald zu münden, der hie und da einen Ausblick auf die Altebene freigibt. In höheren
Regionen wandert man nur noch durch Tannenwald. Nach etwa 2 ½ Gehstunden
(Markierung: rotes Kreuz in weißem Feld) gelangt man auf eine kleine Lichtung und zur
Bărcaciu-Hütte (1550 m). Eigentlich handelt es sich bloß um eine Schutzunterkunft. Bis
hierher wurde ein Höhenunterschied von nahezu 850 m bewältigt. Deshalb möglichst kurze
Rast einschalten und im Allgemeinen mit seinen Kräften gut haushalten, denn bis zum See
steht noch eine zweistündige Wanderung bevor.
Bei der Bărcaciu-Hütte gabelt sich der Weg. Die Markierung roter Punkt auf weißem Grund
führt über die Puha und den Şerbota-Kessel zur Negoi-Hütte. Wir folgen der Markierung
blauer Punkt auf weißem Grund und wenden uns gegen SW, vorbei an einigen
Hirtenanwesen, das Avrigelului-Tal entlang, überqueren einen Bach und steigen mehrere
Terrassen hoch. Wer Muße hat, macht bei einem Hirten Rast. Der „cioban“ oder „bade“, wie
die Hirten hier genannt werden, lässt sich gerne auf einen Plausch ein, wobei er einem
sicher auch seine Bären-Warnanlage zeigt. Auf einem Draht, der um das ganze Gehege
führt (etwa in einem Meter Höhe), reihen sich unzählige leere Konservenbüchsen, die, wenn
der braune Karpatenbär in die Herde einbricht, um ein Schaf zu reißen, einen Höllenlärm
verursachen.
Immer weiter geht es nun, eine Terrasse nach der anderen übersteigend, die Felswände vor
und neben sich. Und plötzlich steht man vor dem schönen Gletschersee, umgeben von
steilen Felswänden, am Fuße der Hohen Scharte (Ciortea, 2426 m) und des Vârtopul Roşu
(2242 m), umgürtet von dem Seesattel (2178 m), dem Seeturm (2262 m), dem Turmsattel
(2240 m). Am Ufer des Sees gibt es gute Rast- und Zeltplätze, inmitten einer eindrucksvollen
Hochgebirgslandschaft. Am nördlichen Ufer stößt man auf zwei Wanderwege, von denen der
eine westwärts zum Budislav hochführt und der andere ostwärts, über den Gârbova-Sattel
und Scara zur Negoi-Hütte. Die Stege sind sehr gut markiert. Nach längerer Rast verlassen
wir diesen schönen Flecken Natur, um wieder in die Poiana Neamţului abzusteigen. Zur Zeit
wenn die Alpenrosen blühen, ähnelt dieses Gebiet einem unendlichen feuerroten
Blumengarten, und im Juli und August reifen die Heidelbeeren auf den Hängen rund um die
Bărcaciu-Hütte. Dann begegnet man an Wochenenden auch zahlreichen Beerenpflückern.
Während des Ausflugs zum Frecker See unbedingt wetterfeste Kleidung mitnehmen, weil
gerade im Seekessel das Wetter sehr unbeständig ist.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 186 – 188)
Seite | Bildunterschrift |
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187 | Frecker See mit Gârbova und Scara. |
188 | Von klein an lernen die Schülerinnen Maria Spiridons die Kunst des Webens. |