Rumänien aus der Sicht eines Geologen
von Dipl.-Ing. Karl Günter Reich
Das touristische Potential Rumäniens ist das Ergebnis seiner Naturschönheiten, der geschichtlichen Entwicklung, aber auch großer finanzieller Anstrengungen seitens des sozialistischen Staates. Die Karpaten mit ihren Berghotels und Berghütten, die Heilbäder und Luftkurorte, die vielen Museen in den Städten, die Klöster der Nordmoldau, die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen, die Schwarzmeerküste sind Anziehungspunkte ersten Ranges. Wer einmal hier war, kommt gerne wieder, auch nicht zuletzt wegen der Gastfreundschaft seiner Einwohner.
Rumänien liegt im Südosten Europas, auf der Balkanhalbinsel. Seine Oberfläche beträgt 237
500 km2, die letzte Volkszählung im Jahre 1977 ergab eine Bevölkerung von 21,5 Millionen
Einwohnern. Verwaltungsmäßig ist das Land in 40 Kreise und das Munizipium Bukarest
eingeteilt. Die Landschaft ist durch eine beeindruckende Vielfalt charakterisiert. Relief, Klima,
Hydrographie sind von Landstrich zu Landstrich verschieden.
Unter den Reliefformen sind die rumänischen Karpaten das wichtigste Element. Sie gehören
zur Alpino-Himalaja-Kette, die bekanntlich das Atlas-Gebirge aus Marokko mit dem
asiatischen Himalaja verbindet.
Die Karpaten werden nach geologischen und morphologischen Kriterien in Ost-, Süd- und
Westkarpaten eingeteilt. Am bekanntesten dürften die Südkarpaten sein mit dem Höhenzug
des Fogarascher Gebirges, das der französische Geograph Emile de Martonne als die
„Siebenbürgischen Alpen“ bezeichnete. Im Fogarascher Gebirge erheben sich die beiden
höchsten Gipfel Rumäniens, der Moldoveanu 2544 m und der Negoi 2536 m. Sowohl im
Fogarascher Gebirge als auch im Retezat-Gebirge gibt es zahlreiche Gletscherseen, Spuren
der letzten Eiszeit, die den betreffenden Höhenzügen einen besonderen Reiz verleihen.
Für die Ostkarpaten ist aus der gleichen Sicht die vulkanische Kette Căliman-Harghita von
großer Bedeutung. Zeugen einer heute erloschenen Vulkantätigkeit sind imposante
Vulkankegel, der Sanktannensee (in einem ehemaligen Krater gelegen) und nicht zuletzt die
unzähligen Mineralwasserquellen (mit CO2 als wichtigstem Faktor). Östlich der Vulkankette
liegen die Massive der kristallinen-mesozoischen Zone (z. B. das Rodna-Gebirge) und der
Flyschzone (u. a. das Tarcău- und Vrancea-Gebirge).
Die Westkarpaten sind weniger bekannt und auch touristisch weniger erschlossen. Dabei ist
die Landschaft von einmaliger Schönheit: Das Arieş-Tal, die Basaltsäulen der Detunata bei
Abrud, die Höhlen von Scărişoara und Meziad sind wahre Naturwunder. Zu den
Westkarpaten gehören übrigens auch die Banater Berge mit dem Semenik und dem Poiana-Rusca-Massiv.
Wenn von rumänischen Gebirgen die Rede ist, muss man auch das Dobrudscha-Gebirge
erwähnen. Selbst wenn in diesem Fall Gebirge etwas übertrieben klingt, der höchste Gipfel
misst nur ganze 467 m, wird eine Wanderung in die Berge um Măcin und Niculiţel besonders
für Amateurgeologen und Freunde bizarrer Landschaften zum Erlebnis.
Das Hoch- und Bergland machen 33 Prozent der Oberfläche des Landes aus. Für das
Hochland von Siebenbürgen, das Hochland der Moldau, die Vorkarpaten sind mittlere Höhen
um 500 m, bewaldete, zum Teil sehr fragmentierte Bergketten charakteristisch. Ausgedehnte
Eichen- und Buchenwälder, Salzseen und Salzbäder, die in der Landschaft liegenden Städte
und Dörfer bringen es mit sich, dass das Hoch- und Bergland oft als Alternative zum Gebirge
in Betracht gezogen werden.
Die Ebene ist im Allgemeinen touristisch nicht sehr attraktiv. Rund 36 Prozent des Landes
sind flache Gebiete. Der Bărăgan, die Tiefebene Olteniens, die Banater und Kreischer Ebene
haben aber auch ihren Reiz. Ein Sonnenuntergang z. B. am Amara-See im Bărăgan ist ein
unvergessliches Erlebnis. Und schließlich: Bukarest, die Hauptstadt des Landes, liegt in der
Ebene wie auch die Städte Temeswar, Arad und Oradea.
Unter den rumänischen Flüssen spielt selbstverständlich die Donau die Hauptrolle. Ganz
Rumänien gehört praktisch zu ihrem Einzugsgebiet, mit Ausnahme einiger kleiner Flüsse, die
direkt ins Schwarze Meer münden. Der rumänische Donauabschnitt ist 1075 km lang. Das
riesige energetische Potential des Stromes brachte es mit sich, dass entlang der Donau
große Kraftwerke gebaut wurden bzw. im Bau sind. Die Donaulandschaft wurde dadurch
verändert. Vieles blieb jedoch erhalten. Eine Schifffahrt auf der Donau führt u. a. zum
Eisernen Tor, dem „Donaudurchbruch“, und natürlich zum international bekannten und
geschätzten Donaudelta. Das Donaudelta bedeckt eine Oberfläche von 4340 km2. Die drei
Donauarme Chilia, Sulina und Sfântu Gheorghe umschließen zahlreiche Sandbänke und
Inseln mit einer einmaligen Flora und Fauna. Wenn die Pelikankolonien auch nicht so
zahlreich sind, so gehören die Pelikane, Reiher usw. doch zu einem wertvollen Bestand, um
dessen Erhalten sich staatliche Stellen bemühen.
Pruth, Sereth, Mieresch und Alt sind wichtige Wasseradern. Der Alt z. B. ist 736 km lang,
also mittlere Größe. Aber auch an kleineren Gewässern gibt es schöne Plätzchen, alte und
neue Ortschaften, die es sich lohnt, aufzusuchen.
Die rumänische Schwarzmeerküste vervollständigt das abwechslungsreiche Bild der
rumänischen Landschaft. Sie ist 245 km lang. Ausgedehnte Sandstrände im Norden, zum
Teil sehr steile Kalk- und Lößwände im Süden sind die Hauptmerkmale des Kontaktes des
Meeres mit dem Kontinent. Die Badesaison erstreckt sich über fünf Monate (mit mittleren
Wassertemperaturen zwischen 22 und 23 Grad Celsius im Juli und August). In der Nähe des
Meeres liegen mehrere Seen, darunter der Techirghiol (salzhaltig, bei Eforie) und der
Siutghiol (süß) neben Mamaia. Wanderfreunden empfehle ich unbedingt einen Ausflug
entlang des Techirghiol und zwar landeinwärts. Auf Schritt und Tritt begegnet man Zeugen
einer ehemaligen Steppenlandschaft, die heute dank großer Bewässerungssysteme in ein
fruchtbares Gebiet verwandelt wurde.
Die schon erwähnte Vielfalt der Landschaft und einer geschichtlichen Entwicklung prägt auch
den Charakter der rumänischen Ortschaften (Städte und Dörfer).
Die Hauptstadt Bukarest hat auf einer Fläche von 605 km2 1,934 Millionen Einwohner.
Neben ihren wichtigen administrativen und wirtschaftlichen Funktionen hat die Stadt auch
große touristische Bedeutung. Sehr bekannt sind das Dorfmuseum, das Mogoşoaia-Schloss,
der alte Fürstenhof. In Bukarest gibt es viele, zum Teil sehr alte Kirchen (z. B. Stavropoleos).
Eine Kette großer Seen verleiht der Stadt eine besondere Note. Die Dâmboviţa, der Fluss,
der die Hauptstadt durchquert, ist wohl nicht unbedingt das Kennzeichen der Stadt, spielt
aber auch eine, vor allem wirtschaftliche Rolle. Der erste U-Bahn-Strang (W-O) wurde
entlang des rechten Dâmboviţa-Ufers gebaut.
Die moldauischen Städte Iaşi und Suceava sind reich an Baudenkmälern, die von der
bewegten Vergangenheit dieser historischen Provinz zeugen. Suceava ist auch
Ausgangspunkt für die Reise zu den wunderschönen Klöstern der Nordmoldau, die seit
einigen Jahren zum UNESCO-Patrimonium gehören.
In Siebenbürgen sind es vor allem die Städte Braşov/Kronstadt, Sibiu/Hermannstadt und
Sighişoara/Schäßburg, die gerne besucht werden. Mittelalterliche Stadtkerne, Ringmauern,
Wehrtürme und Basteien sind noch gut erhalten und machen den besonderen Reiz dieser
Ortschaften aus.
Im Westen des Landes liegen die Städte Timişoara/Temeswar, Arad, Oradea/Großwardein
und Cluj-Napoca/Klausenburg. Breite Hauptstraßen, die von imposanten Gebäuden gesäumt
werden, viele Parks und schöne Promenaden, zahlreiche Baudenkmäler sind ihre
gemeinsamen Kennzeichen. Eine interessante Stadt ist Constanţa/Konstanza, rumäniens
Tor zu den Weltmeeren.
Die Bevölkerung des Landes ist gleichfalls ein Beweis für die zitierte Vielfalt. Neben den
Rumänen (88 Prozent der Bevölkerung) leben hier Ungarn (in Siebenbürgen und im Banat),
Deutsche (in Siebenbürgen und im Banat), Serben (im Banat), Ukrainer (in der Bukowina),
Lipowener (im Donaudelta), Tataren und Türken (in der Dobrudscha). Bei kulturellen
Veranstaltungen, Trachtenfesten, alten Bräuchen können interessierte Besucher Leben und
Gewohnheiten des rumänischen Volkes und der mitwohnenden Nationalitäten kennenlernen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 82, S. 224 – 231)
Seite | Bildunterschrift |
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225 | Frühling im Vorgebirge. |
226 | Frühlingsaufstieg in die Schneewelt der Karpaten. |
227 | Wildromantisch zeigt sich unsere Bergwelt dem Wanderer. |
228 – 229 | Die Schulerau im Winter. Elegante Berghotels, herrliche Skipisten und alljährlich ein internationales Publikum. |
230 | Neubauten auf dem Unirii-Platz in Sibiu. |
231 | Fischerhaus in Crişan, Donaudelta. |