Der Krähenstein – Eldorado für Fotografen
von Lia Gross
Da, wo die Südkarpaten schwungvoll zur Linkskurve ansetzen, um in die Ostkarpaten
überzugehen, erhebt sich ein Bergstock sozusagen als Eckpfeiler des Karpatenbogens. Es
ist der Ciucaş oder Krähenstein, ein Massiv von seltener Schönheit.
Kommt man von Süden, das Teleajen-Tal herauf, erhebt er sich majestätisch in seiner
ganzen Breite vor uns: links der Bratocea-Kamm, rechts der Zăganu-Kamm, die sich in der
Mitte zur „Burg“ (Cetatea Tigăilor) – im Bild – vereinigen. Kommt man von Norden, das
Tatrang-Tal herauf, hat man den Nordwestteil der Steinburg im Blickpunkt, und der wirkt wie
ein in Stein ziseliertes Filigran.
Ausgedehnte Weideflächen, die im Frühsommer, wenn der Rhododendron blüht, wie mit
einem dichten roten Teppich bedeckt wirken, der bis weithin leuchtet, geben einem Teil des
Massivs seinen Namen: Muntele Roşu (Roter Berg).
In den höheren Regionen tritt das Gestein zutage. Der Gipfelaufbau erinnert mit seinen
wuchtigen Türmen, Pfeilern, Säulen und Erkern an eine Riesenburg (daher auch die
rumänische Benennung: Cetatea Tigăilor). Davor wie steinerne Wachtposten die „Tigăi“:
zahlreiche einzeln aus dem Berg gewachsene und von Regen und Schnee, Sonne, Wind
und Eis bizarr geformte Felsen. Die Gipfelregion ist jedoch bei weitem nicht der einzige
zutage tretende Fels. Am Bratocea-Kamm begegnet man ebenso eigenartigen Gebilden wie
am Tesla-Weg oder an den nördlichen Abhängen im Tigăi-Tal und an den Abstiegen gegen
Vama Buzăului. Miniaturausgaben des Königsteins könnte man den Zăganu-Kamm und die
daneben liegende Culmea Stâncoasă (der Name sagt es schon: Felsgrat) nennen: ein
schmaler, langer Rücken aus grauem, zerklüftetem Gestein, der an den Wanderer gewisse
Anforderungen stellt.
Der Ciucaş ist dank seinen bizarren Felsformationen eine touristische Fundgrube und ein
Eldorado der Fotografen. Aber nicht das allein macht den Reiz aus. Der Berg ist, obwohl
nicht allzu hoch (1954 m), die höchste Erhebung in diesem Raum und daher ein
ausgezeichnetes Belvedere: An klaren Tagen kann man sich an dem Panorama, das sich
einem vom Gipfel bietet, kaum satt sehen. Und die schon erwähnte Rhododendronblüte
muss man erlebt haben, es ist ein berauschendes Erlebnis, wenn der Berg sein
Festtagsgewand anlegt.
Die Wege sind im Allgemeinen gut und auch nicht allzu lang. Selbst die Bukarester, die
immerhin mit einer 2 ½ - 3stündigen Anfahrt rechnen müssen (eigener Wagen oder
organisierte Ausflüge), können den Krähenstein zum Ziel eines Sonntagsausflugs wählen.
Schöner ist es natürlich, in Cheia (Luftkurort, Motel, Kloster) oder in der Berghütte Muntele
Roşu sein Basislager aufzuschlagen und diesen so reizvollen Berg in aller Ruhe und
gemütlich, sozusagen in Genusstouren, zu erforschen.
Wichtigstes und meistbenütztes Einfallstor zu den Schönheiten des Krähensteins ist der Weg
zur Muntele-Roşu-Hütte. Weil erstens bis hierher ein asphaltierter Weg führt und man
zweitens hier schon „mittendrin“ ist. Dies ist übrigens die einzige ständig bewirtschaftete
Hütte des Massivs. Sie liegt in 1260 m Höhe und verfügt über 174 Betten (im Winter nur 106)
in einer Haupthütte (mit Zentralheizung und Restaurant), zwei Nebenhütten und etlichen
Camping-Häuschen.
Von dieser Hütte wollen wir nun loswandern. Wir folgen der Markierung gelbes Band. Sie
führt uns in 1 ½ Stunden erst ins Berii-Tal, dem wir talauf folgen, und schließlich, nach einem
steilen Anstieg, zur Ciucaş-Hütte. Sie liegt 1550 m hoch, ist eher eine Notunterkunft und nur
im Sommer geöffnet. In weiteren 1 ½ - 2 Stunden gelangen wir (nun dem roten Band
folgend) auf die Ciucaş-Spitze. Nach einer wohlverdienten Verschnaufpause und einem
eingehenden Studium des 360 ° - Panoramas geht’s auf derselben Markierung hinab in den
Tigăi-Sattel (½ Stunde). Hier hat man die Wahl: entweder zurück zur Muntele-Roşu-Hütte,
und zwar auf dem mit rotem Kreuz markierten Weg, der unterhalb der Cetatea Tigăilor
vorbeiführt, oder hinunter zur Landstraße DN 1 A, sei es durch das Tesla-Tal und an der
Tesla-Kuppe vorbei (ein kleines bewaldetes Kalksteinmassiv) – rotes Kreuz, etwa 2 Stunden
bis ins Tatrang-Tal (Valea Târlungului) –, sei es den Bratocea-Kamm entlang – rotes Band,
etwa 1 ½ Stunden bis zum Bratocea-Pass –, ein Weg, den ich auch als Aufstieg wärmstens
empfehlen möchte.
Eine andere Route von derselben Ausgangshütte wäre die über den Muntele Roşu zum
Gropşoare-Gipfel (1883 m) – rotes Dreieck, dann rotes Kreuz, etwa 2 Stunden. Von hier
kann man am Zăganu-Kamm weitergehen und in Cheia herauskommen (rotes Kreuz, etwa 2
Stunden), oder man kehrt um und folgt dem roten Kreuz bis zur Ciucaş-Hütte (1 ½ Stunden).
Von dort auf dem schon beschriebenen Weg durchs Berii-Tal in 1 – 1 ½ Stunden zurück zur
Muntele-Roşu-Hütte.
Weniger begangen, weil länger sind die Wege, die von Vama Buzăului kommen. Schon die
Anmarschwege auf den Forststraßen ziehen sich endlos dahin. Da auch diese Pfade an
interessanten Felsformationen vorbeiführen, sollte man sie bei einem längeren
Ciucaş-Aufenthalt nicht links liegen lassen. Man muss ja nicht bis ins Tal absteigen, es genügt,
diesen Pfaden bis zur Waldregion zu folgen und dann umzukehren.
Andere lohnenswerte Objektive dieser Gegend wären das Stânei-Tal (blaues Band) und das
Cheiţa-Tal (blaues Dreieck), beide von Cheia aus erreichbar, ferner der Weg von der
Ciucaş-Hütte zum Forsthaus Piruşca und zurück (blaues Kreuz).
Im Winter verlocken die Hänge bei der Muntele-Roşu-Hütte zum Skilauf. Es finden sich da
sowohl steile Hänge für Könner als auch solche für Anfänger. Leider fehlen die Schlepplifte.
Skiwanderer haben ein ausgedehntes Betätigungsfeld zur Verfügung.
Aus Richtung BUKAREST:
Eisenbahn bis Măneciu (Umsteigen in Ploieşti), von da Busverbindung nach Cheia.
Autobus: Bukarest – Cheia.
Pkw: DN 1 A bis Cheia oder weiter bis km 140,5, von wo eine 6 km lange Asphaltstraße zur
Hütte Muntele Roşu abzweigt, oder bis zum Bratocea-Pass, wo man den Wagen parken
kann.
Aus Richtung BRAŞOV:
Pkw: DN 1 A bis Babarunca-Hütte, Bratocea-Pass oder Muntele-Roşu-Hütte.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 81, S. 113 – 117)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
113 | Cetatea Tigăilor |
114-o | Die „Tratschweiber“. |
114-u | Einsamer Fels unterhalb des Ciucaş-Gipfels. |
115-o | Der Goliath im Tesla-Sattel. |
115-u | Die Taube am Bratocea-Kamm. |