Zehn Wandertage in herrlichster Berglandschaft
von Elke Küchler
Wenn der Sommer kommt, steht vor uns wieder die Frage: Wohin im Urlaub? Natürlich ins
Gebirge, möglichst unbekannt und einsam soll es sein. Vielleicht in die Südkarpaten?
Unwillkürlich denkt man an die Fogarascher, Bucegi, Retezat. Was aber liegt zwischen Schil
und Alt? Und so beschließen wir: Diesmal geht es ins Parâng- und Căpăţâna-Gebirge.
Ein emsiges Suchen nach Hinweisen und Kartenmaterial beginnt. Sportfreunde helfen uns
dabei weiter. Dann werden die Rucksäcke gepackt, und los geht es.
Der Frühzug Sibiu – Craiova bringt uns durch das Alttal bis zur Station Turnu. Nach kurzem
Besuch des Stânişoara-Klosters unterhalb des Cozia-Gipfels geht es per Anhalter nach
Brezoi, wo wir noch den letzten Bus nach Voineasa erreichen. Die Fahrt durch das Lotru-Tal
ist sehr beeindruckend. Neben malerischen Bauernhäusern zu Füßen gewaltiger Berghänge
zeugen überall Stauanlagen von dem großen Lotru-Projekt, das die Kräfte des reißenden
Gebirgsflusses in Strom spendende Energie verwandelt. Die Nacht verbringen wir im Zelt am
Ausgang von Voineasa.
Am Morgen regnet es. Wir schaukeln auf einem Lkw, der Arbeiter zum Vidra-See bringt,
durch die unermesslichen Wälder. Hier, inmitten der Berge, entsteht der gewaltige Vidra-
Stausee, das erste Glied in der Kette der Stauanlagen des Lotru. Ein Holztransporter bringt
uns noch weiter bis zum Komplex Obârşia Lotrului, dem einzigen Stützpunkt in diesem
Gebiet im Herzen der Berge, wo man Unterkunft und Verpflegung findet. Zunächst folgen wir
der DN 67-C in Richtung Novaci, der Regen treibt uns jedoch bald auf den Heuboden eines
Forsthauses.
Auf dem mit rotem Band markierten Weg starten wir am dritten Tag bei Sonnenschein ins
Parâng-Gebirge und stehen nach 3 – 4 Stunden am malerischen Gâlcescu-See. Im
westlichen Gâlcescu-Kessel am Zănoaga-Mare-See errichten wir die Zelte und – weil
Sonntag ist – kochen wir Kaffee und liegen faul in der Sonne. Nur zu einem
Abendspaziergang auf den Hauptkamm raffen wir uns noch auf und werfen einen kurzen
Blick auf den Zentralparâng.
Nur mit kleinem Gepäck wandern wir am darauffolgenden Tag auf dem Hauptkamm gen
Westen bis zum Parângul Mare, dem mit 2519 Meter höchsten Gipfel des Parâng
(Markierung: rotes Band, hin und zurück etwa 6 Stunden). Beeindruckend ist im Parâng der
Einfluss der Eiszeit. Auf der Nordseite zeugen die gewaltigen Moränen davon, hier und da
blinkt ein Meeräuglein zu uns herauf. Abends sitzen wir singend und plaudernd am
Almrauschfeuer unter dem blinkenden Sternhimmel.
Am nächsten Morgen ziehen wir auf dem Hauptkamm weiter gen Osten, der Sonne
entgegen. Einsam wird es hier. Nur Hirten, Schafe und Hunde (!) begegnen uns noch. Wir
umwandern den Gâlcescu-Kessel, schauen noch einmal zurück zum Zentralparâng und
steigen hinab zur Straße DN 67-C, die sich in großen Serpentinen über den Urdele-Pass
windet. Zum Fassen von Verpflegung wird eine Abordnung zur Cabana Rânca geschickt,
deren Dach weit unten in der Sonne blinkt. Unterhalb des Vârful Păpuşa in einem kleinen
Kar verbringen wir die Nacht.
Fünf Tage liegen nun hinter uns. Wieder auf dem Kamm, folgen wir dem roten Band über die
nun sanfter werdenden Grashänge und erreichen die Curmătura Olteţului, die Scheide
zwischen Parâng- und Căpăţâna-Gebirge (4 Stunden). Hier kreuzt eine von Polovragi ins
Latoriţa-Tal führende Forststraße den Kamm. Der Hauptkamm des Căpăţâna-Gebirges
unterscheidet sich kaum vom Ostteil des Parâng. Grasige Kuppen, Schaf- und Pferdeherden
und eine phantastische Sicht über die unendlichen Täler und Bergketten lassen uns die
Weite dieser Landschaft erkennen. Nur die beiden markanten Seitengrate (nach Nordosten
und Südwesten) tragen felsigen Charakter. Einer davon, die Vânturariţa, soll noch unser Ziel
sein. Am Sattel Şaua Funicel (4 Stunden von der Curmătura Olteţului) finden wir noch ein
relativ windgeschütztes Fleckchen für die Zelte.
Zwei Stunden dauert der Aufstieg zum Vârful Ursu. Ab hier verliert der Kamm allmählich an
Höhe, am Sattel Rodeanu nimmt uns gar der Wald auf. Am Sattel Zmeuret verlassen wir den
Kammweg und wenden uns auf blauer Markierung nach Süden. Ein Gewitterguss treibt uns
zur Eile an. Am Sattel Govorii (7 Stunden von Şaua Funicel) trocknen wir gemeinsam mit
drei Burzenländer Wanderkameraden die Sachen am Feuer und stellen fest, dass wir ein
gemeinsames Ziel haben, die Vânturariţa.
8. Tag. Es regnet. Wir rekeln uns in den Schlafsäcken bis der Regen durch das Zeltdach
tropft. Nachmittags eilen wir gemeinsam mit unseren neuen Freunden zwischen zwei
Gewittergüssen über den Lespezi-Rücken zum Fuß der Vânturariţa (2 Stunden). Unterhalb
des Sattels Curmătura flicken wir das Dach einer verfallenen Stâna und beziehen unsere
schöne „Villa“.
Direkt an unserem Haus beginnt der Kammweg (roter Punkt) zur Vânturariţa, deren steile
Felszinnen uns zuwinken. Über den stark zerklüfteten Kamm in stetigem Auf und Ab
erklimmen wir den Gipfel. Das Gewitter gönnt uns aber nur einen kurzen Rundblick, dann
spült es uns förmlich in die Hütte zurück, wo wir uns bei heißem Tee am Feuer erwärmen.
10. Tag. Unsere Zeit ist leider um. Hinunter geht es auf rot und blau markiertem Weg zum
Canton Cheia. Dieser idyllische Fleck, umrahmt von den gewaltigen Felswänden des Stogul
und der Claia Strâmba, verlockt zum Bleiben. Doch geradewegs hinein in die Cheiaklamm
geht es. Der mit blauem Dreieck markierte Pfad führt uns erst die Talsohle entlang, dann
geht es über Geröllhänge steil hinauf und in halber Höhe weiter bis zum Klammausgang. So
viel Edelweiß wie hier sahen wir noch nie blühen. Leider hatten wir keine Zeit mehr, die
Klamm ganz zu erforschen, in der die Cheia über 100 Meter unter uns toste. Das werden wir
aber irgendwann nachholen, denn Cheiaklamm und Umgebung sind es wert, ihnen viel Zeit
zu widmen. Über den Prislop-Pass (gelbes Band) gelangen wir am Waldhaus Mincu ins
Olăneşti-Tal und nach 10 Kilometer nicht enden wollender Forststraße direkt auf die
Kurpromenade von Bad Olăneşti. In gemütlicher Runde bei einer Flasche Rotwein gedenken
wir noch einmal dieser herrlichen Bergwelt.
Zum Schluss bliebe nur noch zu sagen, dass Turnu bzw. Brezoi ungewöhnliche
Ausgangspunkte für das Parâng-Gebirge sind. Weitaus günstiger ist Petroşani, wo man sich
sogar mit dem Sessellift ein Stück des Aufstiegs ersparen kann. Ebenfalls muss man nicht
über die Vânturariţa und die Cheiaklamm vom Căpăţâna absteigen (obwohl wir es jedem
empfehlen würden), sondern kann entweder den Hauptkamm des Căpăţâna weiter bis
Brezoi oder schon vorher nach Malaia ins Lotru-Tal wandern. An- und Abstieg seien jedem
selbst überlassen, die Kammwanderung jedenfalls lohnt sich.
Aus Richtung SIBIU:
Personen- und Eilzüge bis Lotru. Mit Autobus bis Voineasa.
Fernverkehrsstraße E 15A bis Brezoi, dann auf 7A abzweigen bis Voineasa. Hier Wagen abstellen.
Aus Richtung BRAŞOV:
Personen- und Eilzüge bis Podul Olt und dann auf die aus Sibiu kommenden Züge umsteigen.
Fernverkehrsstraße DN 1 bis Tălmaciu, dann auf E 15A abzweigen bis Brezoi, weiter auf DN 7A.
Aus Richtung BUKAREST und CRAIOVA über RÂMNICU VÂLCEA:
Personen- und Eilzüge bis Lotru, mit Bus nach Voineasa.
Fernverkehrsstraße E 15A bis Brezoi, auf DN 7A in Richtung Voineasa.
Die Anfahrt ist auch über PETROŞANI möglich. Mit der Eisenbahn durch Anschlüsse aus Richtung Deva, Simeria und Tg. Jiu, mit dem Auto auf der Fernverkehrsstraße DN 66.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 80, S. 104 – 108)
Seite | Bildunterschrift |
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104-105 | Über den Kamm des Căpăţâna-Gebirges. |
106 | Blick zum Parângul Mare. |