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Zu Besuch in Rumänien

Ein Edelweiß als Andenken

von Michael Franke – Leipzig

Mein erster Rumänien-Urlaub vermittelte mir zugleich auch einen ersten Kontakt mit dem echten Hochgebirge. Da wir zu Hause in der DDR nur mittelhohe Berge haben, schien mir die „steinerne Welt“ der Karpaten mehr als verlockend, und so buchte ich im Herbst 1978 einen Urlaub in Sinaia.
Es war ein in jeder Hinsicht gelungener Urlaub: gutes Wetter, ausgiebiges und schmackhaftes Essen, ausgezeichnete Unterkunft und... unvergessliche Erlebnisse in der Bergwelt der Bucegi. Zuerst machten wir nur kurze Spaziergänge, um uns fit zu laufen. Aber bald genügte uns das nicht mehr. Die Höhen lockten, und war man nun mal oben, wollte man weiter und immer weiter. So kamen wir zum Vârful cu Dor, zur Piatra Arsă, zu den Babele und zum Kreuz am Caraiman. Auch ins jenseitige Tal stiegen wir mal zum Scropoasa-See.
Einer der schönsten und längsten Wege führte uns zur höchsten Erhebung dieser Berge: zur Omul-Spitze. Von da ging’s dann über den Bucşoi, ein ganz wilder und felsiger Berg, der uns sogar im Abstieg ganz schön was abverlangte, zum Diham. Es war ein sehr langer und ermüdender Marsch, aber es war die erlebnisreichste Tour unseres Urlaubs bis zu dem Tag, als ich mit meinem neuen Freund Paul, einem rumänischen Bergsteiger aus Braşov, eine außergewöhnliche Tour unternahm. Er führte mich diesmal nicht auf markierten Wegen, sondern in seine Bergsteigerwelt. Allerdings, in Anbetracht der Tatsache, dass ich ja keine bergsteigerische Ausbildung habe, führte er mich einen für seine Begriffe leichten Weg: durchs Cerbu-Tal hinauf bis unter die steilen Felsabstürze des Moraru. An diesen ging’s dann entlang ins Reich der Gämsen und des Edelweiß. Es waren meine ersten Gämsen, die ich hier zu sehen bekam, aber noch mehr beeindruckte mich das viele Edelweiß, das hier fast wie ein Teppich wächst. Ich musste aufpassen, nicht draufzutreten, es wäre doch schade gewesen! Und ich dachte immer, diese Blume wächst nur an schwer zugänglichen Stellen, in Felswänden, wo man sein Leben wagt, wenn man sie pflücken will.
Ein von hier mitgebrachtes schönes Exemplar habe ich zuhause samt einem Foto von dieser Tour eingerahmt auf dem Schreibtisch stehen. Welch erhabenes Gefühl, staunenden Freunden dann so ganz nebenbei zu erklären: „Selbst gepflückt!“
Doch zurück zu unserer Tour. Wir machten den Morar-Zacken unsere Reverenz – mehr war für mich nicht drin. Ein paar Fotos, und es folgte der Abstieg durch das Bujorilor-Tal: ein Steiltal mit einigen großen Steinstufen – Kletterstellen, die ich ohne Tatkräftige Hilfe meines Freundes nicht hätte bewältigen können. Dieser Abstieg war der schwerste Teil der Tour. Als wir unten ankamen, war ich ganz schön geschafft.
Ich denke gerne zurück an meinen Aufenthalt in den Bucegi und plane schon weitere Entdeckungen in Rumäniens Karpaten. Freunde haben mir einen Geheimtipp ins Ohr geflüstert. Retezat!

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 79, S. 185 – 186)

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