von Lia Gross
Câmpuşel kann man weder eine Niederlassung noch eine Touristenhütte nennen. Es sind
eigentlich nur zwei Hütten, 15 Minuten voneinander entfernt, die zum Forst- und Jagdrevier
Lupeni gehören. Dass da auch Touristen Unterkunft finden, ist erfreulich, denn dieser Ort –
am Oberlauf des Westlichen Schil, zwischen Kalk-Retezat und Oslea, 16,5 km talauf von der
Hütte Câmpul lui Neag, am zukünftigen Verbindungsweg Lupeni – Herkulesbad durchs Schil-
und Cerna-Tal – ist ein idealer Ausgangspunkt für sogenannte touristische Leckerbissen.
Einleitend sei erwähnt, dass in Câmpuşel II nur drei Zimmer bereitstehen, um nötigenfalls
Touristen aufzunehmen, dass sich aber rund um die Hütte genug schöne Plätze finden
lassen, wo man sein Zelt aufstellen kann. Wer per Auto reist, hat keine Probleme, nach
Câmpuşel zu kommen – es sei denn, der nicht allzu gute Forstweg schafft ihm welche. Auf
Schusters Rappen jedoch zieht sich der Weg scheinbar endlos dahin. Wer Glück hat, wird
von einem der hier verkehrenden Lkw mitgenommen, die von weiter oben Holzstämme zu
Tal schaffen.
Einmal häuslich eingerichtet, kann der „Schlachtplan“ entworfen werden. Was also lässt sich
von hier aus unternehmen? Beginnen wir mit den markierten Pfaden. Da gibt es allerdings
keine große Auswahl: einer zum Iorgovan (im Retezat) und einer zum Oslea.
Câmpuşel – Piatra lui Iorgovan. 3 ½ - 4 Stunden. Markierung rotes Dreieck bis zum Stănuleţii- Mici-Sattel, wo wir auf die Kamm-Markierung rotes Band stoßen, der wir nun folgen. Der Iorgovan (genauer: Piatra lui Iorgovan) – 1997 m – ist eine bizarr geformte Kalksteinklippe, wo Edelweiß und Federnelken wachsen, wo auch weniger Waghalsige zum Klettern verlockt werden und von wo man an klaren Tagen eine gute Sicht auf die „Granitburg“ Retezat hat, auf den Oslea-Kamm und überhaupt einen schönen Rundum-Blick genießen kann.
Câmpuşel – Oslea. 2 ½ - 3 Stunden. Markierung rotes Dreieck bis zur Stâna din Ştirbu. Der
Hauptkamm verläuft gewissermaßen parallel zum Kalk-Retezat, ist rund 4 km lang und
durchschnittlich 1900 m hoch. Ist man einmal jenseits der Waldgrenze, kann sich jeder seine
Wanderroute nach Lust und Laune, Tagesform und verfügbarer Zeit auswählen. Das Fehlen
der Markierung ist kein Hindernis, die Kammpartie liegt klar vor uns; sanfte, dann immer
steiler werdende Grashänge führen hinauf, Orientierungsprobleme gibt es nicht, schwierige
Stellen auch nicht. Eines ist jedoch wichtig: Diesen Ausflug sollte man unbedingt an einem
schönen Tag unternehmen, nicht allein der Orientierung wegen, sondern hauptsächlich
deshalb, weil der Reiz eines Berges vor allem in der großartigen Aussicht liegt, die sich
einem am Kamm nach allen Seiten hin bietet.
Obwohl es am Grat selber keinen Pfad gibt (der verläuft etwas weiter unten), würde ich zu
einer Kammwanderung raten: Die Aussicht ist es wert und das Vorwärtskommen kein
Problem. An manchen Stellen ist jedoch Vorsicht geboten.
Hier drei mögliche Varianten einer Kammwanderung:
Da die längste dieser Varianten nur etwa 6 Stunden reine Wanderzeit erfordert, bleibt genug Zeit zum Verschnaufen, Schauen, Fotografieren, Essen... Alles in allem ein gemütlicher Ausflug, bei dem man viel Schönes zu sehen bekommt.
Und nun zu den unmarkierten Pfaden. Förster und Jäger, Hirten und Bergsteiger aber auch Touristen kennen und benützen sie. Es sind hauptsächlich die Täler, die zum Retezat hinaufführen. Und da wir im Kalkmassiv sind, präsentieren sich die Täler auch dementsprechend: Mal sind es enge Klammen mit Grotten und Höhlen, mit Kletterstellen und bizarr geformten Felsen, düster und drohend, mal breite, offene Täler mit freundlichen, blumenübersäten Wiesen. Für diese Touren muss man schon gut in Form sein, und außerdem ist es immer gut, jemanden dabeizuhaben, der den Weg kennt.
Eines dieser Täler ist die Valea Iarului, durch die man in rund 3 Stunden in den Stănuleţii-
Mare-Sattel gelangt. Ein schöner, nicht allzu schwerer Aufstieg, mit ein-zwei Kletterstellen,
die aber dank den von den Jägern installierten Holzleitern leicht zu überwinden sind. Der
Abstieg kann auf demselben Weg erfolgen, oder aber man geht zum Iorgovan und weiter in
den Stănuleţii-Mici-Sattel, von wo der markierte Weg nach Câmpuşel führt. Es wäre als
Abstieg noch eine Klamm zu erwähnen, aber nicht unbedingt zu empfehlen und schon gar
nicht Durchschnittstouristen anzuraten – der Vâlcelul Iorgovanului, der direkt unterm
Iorgovan beginnt und etwa in der Mitte der Valea Iarului herauskommt.
Neben der Valea Iarului öffnet sich noch eine Klamm. Wer Lust und Zeit hat, kann auch
diese erforschen, so weit er eben kommt.
Näher zur Hütte, gleich neben dem markierten Weg zum Iorgovan, öffnet sich die Cheia Scocului, eine andere schöne Route. Nach 20 – 30 Minuten gelangen wir auf eine große, langgestreckte Wiese „La joaca urşilor“. Wer einen geruhsamen Tag verbringen will, bleibt hier. Wer nicht, geht weiter. Es bieten sich von hier gleich drei Wege an. Das Tal teilt sich. Man kann in jedem der beiden Täler weiterforschen oder aber den Kamm zwischen den Tälern erklimmen und weitergehen bis zum Bergkessel „La Găuroane“. Aus dem Kessel kann man zum Găuroane-Sattel hinaufsteigen, wo man den markierten Pfad Iorgovan – Câmpuşel trifft.
Eine andere anziehende Tour führt das Scorota-Tal hinauf. Der Eingang ist rund 4 km
talabwärts. Auch hier geht’s durch eine Klamm bis zur Poiana „La Biserică“. Damit ist ein
riesiger Felsblock gemeint, von dem nach links das Scorota-Verde-Tal in Richtung Albele
verläuft, nach rechts jedoch unser Pfad weiterführt zur Stâna din Scorota und durch die
Scorota Seacă hinauf zum Scorota-Sattel (3 – 4 St. Aufstieg), von wo es bis zum Piule-Gipfel
nur noch ein Katzensprung ist. Aus dem Sattel sind es höchstens 45 Minuten bis zur
Buta-Hütte. Dies für Touristen, die nicht mehr nach Câmpuşel zurückkehren, sondern sich nun der
„Granitburg“ zuwenden wollen.
Für Wanderer, die lange Touren nicht scheuen, seien hier noch drei Wege vermerkt, auf
denen man diese schöne Gegend verlassen kann:
Durchs Soarbele-Tal in die Curmătura Soarbele, dann zur Gura-Apei-Hütte entweder durchs
Paltina-Tal ins Lăpuşnic-Tal hinunter oder über Paltina, Galbena und Borăscu (8 – 10 St.,
teilweise markiert).
Wer in dieser schönen und von Touristen noch nicht überlaufenen Gegend einmal Urlaub gemacht hat, erinnert sich gewiss gerne daran zurück und liebäugelt mit dem Gedanken, einmal wiederzukommen.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 79, S. 79 – 84)
Seite | Bildunterschrift |
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92 | Kartenskizze |
93-o | Die Piatra lui Iorgovan, so wie sie die wenigsten kennen: aus dem Vâlcelul Iorgovanului gesehen. |
93-u | Am Oslea-Kamm mit Blick auf den Oslea-Gipfel. Rechts sind die Ausläufer des Kalk-Retezat zu sehen, die sich zum Tarcu und Godeanu hinziehen. |